271 |
8.Wer Parabelvortrag. |
8.The parable speech. |
271 | Allen drei synoptischen Berichten ist es gemeinsam, daß sie dem Herrn nach dem Vortrage der Parabel vom Säemann Gelegenheit geben, über die entgegengesetzte Stellung des Volks und der Jünger zu dem Geheimniß des ReichesGottes sich auszusprechen. | All three synoptic accounts have in common that after the presentation of the parable of the sower, they give the Lord the opportunity to speak about the opposing position of the people and the disciples towards the mystery of the Kingdom of God. |
272 | Wenn selbst Lukas diese Eröffnung Jesu durch die Frage der Jünger nach dem Sinn des Gleichnisses herbeisührt und auf die Deutung des Gleichnisses einige Aussprüche Jesu über die bevorzugte Stellung der Jünger folgen laßt (C. 8, 9—18), so muß es ihm sehr schwer gewesen seyn, die Quellenschrift, die er hier benutzte, zu überwältigen, da er der Parabel eine Veziehung gegeben hatte, die durch diese Hinlenkung der Aufmerksamkeit auf den Gegensatz der Jünger und des Volks voll- ständig in Vergessenheit gerathen mußte. | If Luke himself introduces this opening of Jesus by the question of the disciples about the meaning of the parable and lets follow the interpretation of the parable with some sayings of Jesus about the privileged position of the disciples (C. 8, 9-18), it must have been very difficult for him to overpower the source scripture he used here, since he had given the parable a meaning, which must have been completely forgotten by directing the attention to the contrast of the disciples and the people. |
272/273 | Auch Matthäus hat die Aeußerung Jesu über den Gegensatz der Jünger und des Volks (C. 13, 10—17) — nur fehlt nach der Deutung der Parabel die Ermahnung an die Jünger, ihr Privilegium zu bewahren, und in den vorhergehenden Aeußerungen hat er einige Pleonasmen und Einschiebsel, die jedoch so störend dazwischen treten, daß sie von ihrer Umgebung bald zur Ruhe verwiesen werden. Nachdem Jesus vom Volke bemerkt hat, daß es mit sehenden Augen nicht sehe u. s. w. sagt er dasselbe noch einmal, indem er die entsprechende Stelle aus der Schrift des Jesaias vollständig anführt — aber es ist auch hier wie anderwärts nur Matthäus, der zu einem Spruche, den er aus einer fremden Schrift abschreibt und der selber schon dem A. T. nachgebildet ist, zum Ueberfluß auch noch das alttestamentliche Original hinzusetzt. Nachdem es. ferner an den Jüngern bereits gerühmt war, daß es ihnen gegeben sey, die Geheimnisse des Himmelreichs zu erkennen, ist es störend, daß ihre Stellung in dem Spruche V. 16. 17: ״selig eure Augen, daß sie sehen …. wahrlich, ich sage euch, viele Propheten und Gerechte haben begehret zu sehen, was ihr sehet, und haben es nicht gesehen” u. s. w., von neuem gerühmt wird, — um so störender, da sie wegen eines Glückes selig gepriesen werden, welches von ihrer vorher gerühmten Stellung wesentlich ver schieden ist. Erst wurde es an ihnen gerühmt, daß sie die Geheimnisse des Himmelreichs ״erkennen”, jetzt werden sie selig gepriesen, weil ihren Augen überhaupt nur ein Gegenstand geboten ist. Erst standen sie als die Verständigen dem verblendeten Volk gegenüber, jetzt als die Glücklichen, denen ohne ihr Zuthun ein Gegenstand der Anschauung geboten wird, den früheren Gerechten und Propheten, die noch nicht gesehen ha- ben, was sie zu sehen bekommen; vorher war gesagt, was sie verstehen — die Geheimnisse des Himmelreichs — jetzt fehlt das Object, welches Propheten und Gerechte zu sehen wünschten und nicht zu Gesicht bekommen haben, sie aber sehen — es ist zwar klar, was es ist: die Offenbarung des göttlichen Rath- schlusses im Menschensohn — aber diese sichtbare Offenbarung, deren unmittelbare Anschauung den Propheten noch versagt war, ist etwas Anderes als das Geheimniß des Himmelreichs, welches in demselben Augenblick, wo es in der Geschichte realisirt wird, dem Volke verschlossen ist — kurz, der Gegensatz des ersten Spruches ist in der Gegenwart enthalten, der Gegensatz des zweiten bringt die Vergangenheit und Ge- genwart zusammen. Der zweite Spruch gehört also nicht hieher und nur der Anklang, daß auch in ihm von dem Sehen und Hören eines Gegenstandes, der dem Anblick Anderer entrückt war, die Rede ist, bewog den Matthäus, ihn mit dem ersten Spruch in Verbindung zu setzen. Mit Lukas, der ihn bei einer andern Gelegenheit anbringt (C. 10, 23. 24), benutzte er dieselbe Quelle, nur wußte er es nicht, daß der Grundstoff und das Stichwort Könige aus dem Buch des Jesaias (C. 52, 15) entlehnt ist, und verwandelte er die ״Könige und Propheten”, die das Außerordentliche vergebens zu sehen wünschten, in die ״Propheten und Gerechten.” | Matthew also has Jesus’ statement about the contrast between the disciples and the people (C. 13, 10-17) – only, according to the interpretation of the parable, the admonition to the disciples to preserve their privilege is missing, and in the preceding statements he has some pleonasms and interjections, which, however, intervene in such a disturbing way that they are soon dismissed by their surroundings. After Jesus has remarked of the people that they do not see with their eyes, etc., he says the same thing again, citing the corresponding passage from the Scriptures of Isaiah in full – but here, as elsewhere, it is only Matthew who, to top it all off, adds the Old Testament original to a saying which he copies from a foreign Scripture and which is itself already modelled on the OT. Since it was already praised in the disciples that it was given to them to know the secrets of the kingdom of heaven, it is disturbing that their position in the saying v. 16. 17: ״blessed be your eyes,
that they may see …. Verily I say unto you, many prophets and righteous men have desired to see that which ye see, and have not seen it,” etc. – all the more disturbing because they are praised for a happiness that is essentially different from their previously praised position. First they were praised for ״knowing the secrets of the kingdom of heaven’, now they are praised because only one object is offered to their eyes. First they stood opposite the blinded people as the understanding ones, now as the happy ones, to whom an object of contemplation is offered without their doing, the former righteous and prophets, who have not yet seen what they are to see; before it was said what they understand – the secrets of the kingdom of heaven – now the object is missing, which prophets and righteous wished to see and did not get to see, but they see – though it is clear what it is: the revelation of the divine council in the Son of Man – but this visible revelation, the direct viewing of which was still denied to the prophets, is something different than the mystery of the kingdom of heaven, which is closed to the people at the very moment when it is realised in history – in short, the contrast of the first saying is contained in the present, the contrast of the second brings the past and present together. The second saying, therefore, does not belong here, and it is only the allusion that it also speaks of the seeing and hearing of an object that was removed from the sight of others that moved Matthew to connect it with the first saying. With Luke, who uses it on another occasion (C. 10, 23. 24), he used the same source, only he did not know that the basic material and the keyword kings is borrowed from the book of Isaiah (C. 52, 15), and he changed the ״Kings and prophets’, who wished to see the extraordinary in vain, into the ״Prophets and righteous ones’.” |
273/274 | Noch Ein Spruch muß aus dieser Umgebung entfernt werden: — der Spruch (Matth. 13, 12): ״wer da hat, dem wird gegeben” u. s. w. — er trennt den Gegensatz der Jünger und des Volks (V. 11. 13), rühmt nicht mehr das Privilegium der Jünger, sondern ist die Ermahnung zur Behauptung desselben und gehört somit zur Ermahnungsrede, die Jesus in den Schriften des Lukas und Marcus an die Deutung der Parabel anknüpst. | Another saying has to be removed from this environment: – the saying (Matth. 13, 12): ״He who has, to him will be given’ etc. It separates the contrast between the disciples and the people (v. 11, 13), no longer praises the privilege of the disciples, but is an exhortation to assert it, and thus belongs to the exhortation which Jesus follows up the interpretation of the parable in the writings of Luke and Mark. |
274 | Wenn wir somit die Rede, die der Jesus des Matthäus der Deutung der Parabel voranschickt, vereinfachen, auf die Deutung jene Sprüche folgen lassen, die Lukas nur wider Willen und gegen sein eignes Interesse an dieselbe anknüpft, so erhalten wir die Darstellung des Marcus, sobald wir nämlich zuvor in derselben von dem letzten Spruch: ״wer da hat” u. s. w. (C. 4,25) den vorhergehenden Spruch vom Maaß (V. 24): ״nur welcherlei Maaß ihr messet, wird man euch wieder messen”, als ungehörige Zuthat abgesondert haben. Erstlich kann der Spruch vom Maaß nur von einem Verhältniß handeln, welches durch die Selbstthätigkeit herbeigeführt wird, während der folgende nicht von der freien Entscheidung, sondern von einer ursprünglichen Bestimmtheit ausgeht — ferner fehlt im Spruche vom Maaß der Gegensatz, der dem: ״wer nicht hat” des folgenden Spruches entspricht, und er fehlt, weil dieser Spruch einem ganz andern Zusammenhang angehört.
Dleienige Darstellung, die Matthäus und Lukas vor Augen hatten, liegt uns also nun vollständig vor — entwickelt aber nun auch vollständig den Widerspruch, der aus der Darstellung jener Beiden nur halb und gebrochen durchklingt. |
If we simplify the speech that the Jesus of Matthew precedes the interpretation of the parable, if we let those sayings follow the interpretation that Luke only attaches to it against his will and against his own interest, we get the account of Mark, as soon as we have previously heard in it about the last saying: ״whoever has’, and so on. (C. 4,25) the preceding saying about the measure (v. 24): ״Only what measure you measure will be measured to you again’, as an improper addition. First of all, the saying about the measure can only be about a relationship that is brought about by self-activity, while the following one does not proceed from a free decision but from an original determination – furthermore, in the saying about the measure the contrast is missing that corresponds to the saying ״who has not’ of the following saying, and it is missing. and it is missing because this saying belongs to a completely different context.
The present account, which Matthew and Luke had in mind, is now available to us in its entirety – but now it also fully develops the contradiction, which only half and brokenly resounds from the account of those two. |
274/275 | Wenn Jesus auf die Frage der Jünger nach dem Sinn der Parabel erwidert: ״euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Himmelreichs zu erkennen”, und wenn er ihnen dann die ausführliche Auslegung gibt, so kann seine Antwort zunächst nur den Sinn haben: euch wird durch die Deutung der Parabel ein klarerer Blick als dem Volke in das Geheimniß des Reiches Gottes gestattet — ״euch ist es gegeben”, ist dann der Ausdruck der Freude, die dem Herrn die Frage der Jünger machte, da sie ihm wirklich ihre Empfänglichkeit verrieth — und wenn Jesus nach der Auslegung der Parabel die Jünger (Marc. 4, 24) dringend ermähnt, sie sollten von ihren Fähigkeiten bei der Anhörung von solchen Vorträgen Gebrauch machen, so kommt es endlich darauf hinaus, daß der vorhergehende Parabelvortrag überhaupt nur zur Uebung der Zünger dienen sollte — ein Resultat, für welches auch der Umstand spricht, daß dieser Abschnitt auf den Bericht von der Ernennung der Zwölfe folgt. | When Jesus answers the disciples’ question about the meaning of the parable: ״It is given to you to know the secrets of the kingdom of heaven’, and when he then gives them the detailed interpretation, his answer can only have the meaning: ״It is given to you’, is then the expression of the joy that the question of the disciples made to the Lord, since it really revealed to Him their receptivity – and when Jesus, after the interpretation of the parable, urgently admonishes the disciples (Marc. 4, 24) that they should make use of their abilities in the hearing of such lectures, it finally comes to the conclusion that the preceding parable lecture was only meant to serve as an exercise for the disciples – a result which is also supported by the fact that this passage follows the report of the appointment of the twelve. |
275 | So sehr es aber auch feststeht, daß der Parabelvortrag nur einem formellen Zwecke dient und nur das erste Probestück eines die Uebung der Zünger abzweckenden Lehrvortrags seyn soll, so Widerstreiten doch diesem Ergebniß eine Menge Voraussetzungen, die auf einen ganz andern Zweck des Parabelvortrags Hinweisen, widerstreitet ihm ferner der Ausgangspunkt und die Richtung der Ermahnungen, die Jesus an die Deutung der Parabel anknüpft — widerstreitet ihm endlich die Natur und Kraft der Parabel selbst.
Selbst Marcus stellt die Sache so dar, daß der Parabelvortrag allein für das Volk berechnet sey: das Volk soll nur in dieser Form die Wahrheit hören, ״damit” es nicht zur Erkenntniß komme, und nur durch den zufälligen, dem Herrn selber unerwarteten Umstand, daß die Zünger die Parabel nicht verstanden hatten (C. 4, 13), werden auch sie in die Sache hineingezogen. |
But as much as it is certain that the parable lecture only serves a formal purpose and is only supposed to be the first sample of a teaching lecture aimed at the training of the disciples, this result is nevertheless contradicted by a number of premises that point to a completely different purpose of the parable lecture; furthermore, it is contradicted by the starting point and the direction of the exhortations that Jesus attaches to the interpretation of the parable – finally, it is contradicted by the nature and power of the parable itself.
Even Mark presents the matter in such a way that the parable lecture is only intended for the people: the people should only hear the truth in this form, ״so that’ they do not come to knowledge, and only through the coincidental circumstance, unexpected by the Lord himself, that the disciples had not understood the parable (C. 4, 13), are they also drawn into the matter. |
275/276 | Nachher, wenn die Zünger ermähnt werden sollen, von ih- ren Verstandeskräften Gebrauch zu machen, springt der begrün- dende Satz (V. 22), daß Nichts verborgen ist, was nicht offenbar werde, von der Reflexion auf die subjektive Fähigkeit ab und weist er vielmehr auf die Nothwendigkeit hin, mit der die objective Wahrheit sich offenbaren muffe. Auch der Spruch vom Licht, das man nicht unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter stelle, war nicht richtig gewählt, wenn jene Ermahnung der Zweck war, da das Licht dieses Sprüchworts vielmehr in Bezug auf Andere, denen man damit leuchtet, in Betracht kommt. | Afterwards, when the disciples are to be exhorted to make use of their powers of understanding, the justifying sentence (v. 22), that nothing is hidden that will not be revealed, is not a reflection on the subjective ability and rather points to the necessity with which the objective truth must reveal itself. The saying about the light that should not be placed under a bushel but on a lampstand was also not chosen correctly if this admonition was the purpose, since the light of this saying is rather considered in relation to others to whom it is used to shine. |
276 | Wozu endlich, wenn die Jünger in der Auffassung solcher Parabeln geübt werden sollten, diese unnütze und höchst gesuchte Grausamkeit, — wozu dieser gezierte Gegensatz, daß das Volk mit diesen ihm unverständlicken und für die Jünger allein bestimmten Uebungen behelligt und gequält wurde? Wozu dieser grausame und zugleich preciöse Seitenblick auf das Volk, welches die Uebungen der Jünger, die noch dazu selbst sehr schlecht bestanden, zu seinem Besten nicht anwenden konnte?
Die Parabel vom Säemann selbst enthält nicht die geringste Beziehung auf die formelle Absicht Jesu, die Jünger in der Auffassung von Parabeln zu üben: — fern von dieser formellen Rücksicht beschreibt sie vielmehr, wie der Saame des göttlichen Worts, je nach dem Boden, den er findet, praktisch und fürs Leben angeeignet wird und Frucht trägt. Ein Mann, der im Stande war, Parabeln zu bilden wie die vom Säemann und die beiden andern, die das Wachsthum und die Ausbreitung des Reiches Gottes beschreiben, konnte nicht auf den Gedanken kommen, sie zu Uebungsstücken des Verstandes herabzuwürdigen, und nur der Trieb, die Gesetze des Himmelreichs zu erforschen und den Andern aufzuschließen, war fähig, seine Erfindungskraft zu reizen und in Spannung zu erhalten. |
Why, finally, if the disciples were to be trained in the interpretation of such parables, this useless and highly sought-after cruelty, – why this fancied contrast, that the people were bothered and tormented with these exercises, which were incomprehensible to them and intended for the disciples alone? Why this cruel and at the same time precious side-view of the people, who could not use for their own good the exercises of the disciples, who, moreover, passed very badly themselves?
The parable of the sower itself does not contain the slightest reference to the formal intention of Jesus to train the disciples in the interpretation of parables: – far from this formal consideration, it rather describes how the seed of the divine word, depending on the ground it finds, is appropriated practically and for life and bears fruit. A man who was able to form parables like the one about the sower and the two others describing the growth and expansion of the kingdom of God could not think of degrading them to mere exercises of the intellect, and only the impulse to investigate the laws of the kingdom of heaven and to open them up to others was capable of stimulating his power of invention and keeping it in suspense. |
276/277 | Nun, die Parabeln, antwortet Marcus — und damit stößt er selbst eine Grundvoraussetzung seines Berichtes um — sollten auch gar nicht allein zur Uebung der Fassungskraft der Zünger dienen, sondern das Volk sollte sie auch hören, an das Volk wandte sich Jesus, als er den Parabelvortrag begann, ihm war diese Belehrung mithin von vornherein bestimmt, ja (V. 34) außer in Parabeln sprach Jesus nie zu dem Volke. In dieser schwerern und dunklern Form gab er aber dem Volke die Wahrheit, weil es nicht werth war, daß es die reine, unverhüllte Wahrheit zu hören bekam, und weil es nun gestraft werden mußte, damit seine Verblendung vollendet und in dieser Vollen– düng sein Untergang werde. | Now, the parables, Mark answers – and with this he himself overturns a basic premise of his report – were not only meant to serve to train the comprehension of the disciples, but the people were also supposed to hear them, Jesus addressed the people when he began the parable lecture, this instruction was therefore intended for him from the beginning, yes (v. 34) Jesus never spoke to the people except in parables.But in this more difficult and darker form he gave the truth to the people, because they were not worthy to hear the pure, unveiled truth, and because they now had to be punished, so that their blindness would be completed and in this fullness their downfall. |
277 | Statt also die himmlische Wahrheit zu offenbaren, verbirgt sie dieser Lehrer? Statt die Elenden zu retten, macht er sie absichtlich noch elender? Damit das Volk rettungslos verloren gehe und den Weg zum Heil ja nicht finden könne, spricht er zu ihm in einer Form, die es nicht verstehen konnte?
Unmögliche Voraussetzung! Es ist nicht an dem, daß die parabolische Form den Gegenstand, der in ihr vorgetragen wird, verbirgt und dem Verständniß entzieht, sie verhüllt ihn nur in jener Weise, wie ihn jede Form des Gleichnisses verhüllt, d. h. sie zeigt sein Abbild in den Verhältnissen der Natur und des gewöhnlichen Lebens, also in Verhältnissen, die dem Volke unmittelbar nahe und bekannt sind, und erleichtert somit das Verständniß, da sie den Menschen an seinem sinnlichen Bewußtseyn ergreift, in seiner natürlichen Heimath aufsucht und von hier aus zur Anschauung der parallelen höhern Welt erhebt. |
So instead of revealing the heavenly truth, this teacher hides it? Instead of saving the wretched, he deliberately makes them even more wretched? So that the people would be lost without salvation and could not find the way to salvation, he spoke to them in a form that they could not understand?
Impossible premise! It is not because the parabolic form conceals the object which is presented in it and withdraws it from understanding; it only conceals it in the way that every form of parable conceals it, i.e. it shows its image in the circumstances. i.e., it shows its image in the conditions of nature and ordinary life, i.e., in conditions that are immediately near and familiar to the people, and thus facilitates understanding, since it seizes man by his sensual consciousness, seeks him out in his natural home, and from there raises him to the perception of the parallel higher world. |
277/278 | Der Bericht, den Lukas und Matthäus vor Augen hatten und der sich auch in der Schrift des Marcus — nur um den Spruch vom Maaß vermehrt — vorfindet, wird von so entge- gengesetzten, so streng sich ausschließenden Voraussetzungen durch- zogen, daß er unmöglich in der Form, in der er in der Schrift des Marcus vorliegt, von Einem Schriftsteller herrühren kann — es ist möglich, daß der Lehrvortrag, der im Urbericht der Be- rufung der Zünger folgt, dazu bestimmt war, die Jünger in die Geheimnisse des Himmelreichs einzuweihen, aber unwahrscheinlich, daß die Tendenz dieses Parabelvortrags von Anfang an so sehr aufs Formelle gerichtet war, wie es nach Einer Voraussetzung der jetzigen synoptischen Berichte der Fall seyn soll, — es ist wahrscheinlich, daß der Jesus des Urberichts bei dieser Gelegen- heit an die Jünger Ermahnungen gerichtet habe, aber unmöglich ist es, daß der erste Former so unpassende Sprüche, wie wir sie in der synoptischen Darstellung vorfinden, zusammengerafft habe — die jetzige Urform des synoptischen Berichts führt dar- auf hin, daß bei dieser Gelegenheit im Urbericht auch ein Ver- hältniß zwischen der Stellung des Volks und der Jünger zur Sprache gekommen sey, aber unwahrscheinlich ist es, daß im Ur- bericht an dem einzigen Orte, wo er einen öffentlichen Lehr- vortrag mittheilt, jene häßliche Anschauung von dem Gegensatz der erhabenen und unfaßbaren Weisheit des Herrn und der be- schränkten Verstocktheit des Volks — (jene Anschauung, die im vierten Evangelium auf die höchste Spitze getrieben ist und die in der Schrift des Marcus, wenn Jesus die Menge ״die dadraußen” nennt, auf dem Sprunge steht, zur Unterscheidung eines esoterischen und eroterischen Vortrages Jesu zu werden) — sich eingedrängt habe. | The report which Luke and Matthew had in mind and which is also found in the writing of Marcus – only increased by the saying about the measure – is permeated by such opposing, so strictly excluding presuppositions that it cannot possibly come from one writer in the form in which it is found in the writing of Marcus – it is possible, that the doctrinal discourse which follows the calling of the disciples in the original account was intended to initiate the disciples into the mysteries of the kingdom of heaven, but it is unlikely that the tendency of this parable discourse was from the beginning so much directed towards formality as is supposed to be the case according to one of the presuppositions of the present synoptic accounts, – it is probable that the Jesus of the original account had admonished the disciples on this occasion, but it is impossible that the first shaper had put together such inappropriate sayings as we find in the synoptic account – the present original form of the synoptic account points to this, that on this occasion in the original report a relationship between the position of the people and the disciples was also mentioned, but it is unlikely that in the original report, in the only place where it gives a public lecture, that ugly view of the contrast between the sublime and incomprehensible wisdom of the Lord and the limited obduracy of the people – (that view, which in the synoptic report we find in the original report) – would have been mentioned. (that view which is carried to the highest extremity in the fourth Gospel and which is expressed in the writing of Mark, when Jesus calls the crowd ״those who are outside’, is on the point of jumping, to become the distinction between an esoteric and an eroteric discourse of Jesus). |
278 | Die synoptische Darstellung dieses Lehrvortrags, die sich in der Schrift des Marcus am reinsten und vollständigsten vorfindet, können wir nicht einen mißlungenen ersten Versuch nennen. Sie ist vielmehr aus einer allmähligen und mechanischen Ansammlung von Widersprüchen und fremdartigen Bestandtheilen entstanden, die die wahre Gestalt des Urberichts uns völlig unkenntlich machen. | The synoptic presentation of this doctrinal lecture, which is found most purely and completely in the writing of Mark, cannot be called a failed first attempt. Rather, it is the result of a gradual and mechanical accumulation of contradictions and strange elements that make the true form of the original report completely unrecognisable to us. |
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279 | Indem wir im Vorübergehen erwähnen, daß Matthäus auch hier seiner Methode treu bleibt und eine Menge Parabeln, die die verschiedenartigsten Substrate und Pointen haben, zusamnengerafft hat, bemerken wir nur noch, daß alle diese Parabeln, die Marcus und Matthäus dem Herrn in den Mund legen, damals erst gebildet werden konnten, als ihr Verständniß möglich war — d. h. damals als die Erfahrungen, die ihnen zu Grunde liegen, von der Gemeinde gemacht waren.
Schon das verschiedene Schicksal der Saamenkörner in der Parabel vom Säemann ist ein Gesetz, welches erst aus einer längern Erfahrung gezogen werden konnte, eine Geschichte, die eine reichhaltige Entwicklung der Gemeinde vorausgesetzt, so wie auch die Verfolgungen, deren Beute ein Theil der Saamenkörner wird, erst einer spätern Zeit angehören. |
While we mention in passing that Matthew remains faithful to his method here and has compiled a number of parables that have the most diverse substrata and punch lines, we only note that all of these parables that Mark and Matthew put into the mouth of the Lord could only have been formed at that time when their understanding was possible – that is, when the experiences on which they are based had been made by the congregation.
Even the different fate of the seeds in the parable of the sower is a law that could only be drawn from a longer experience, a history that presupposes a rich development of the community, just as the persecutions of which a part of the seeds is the prey only belong to a later time. |
279/280 | Die Parabeln vom Senfkorn ferner und vom Sauerteig konnten erst gebildet werden, als das allmählige und unwider- stehliche Wachsthum der Kirche eine Erfahrung war, die unbe- streitbar feststand. Damals erst, als die Gemeinde mit fal- sehen Lehrern und fremden Elementen kämpfte und als sie sich von der List des bösen Feindes bedrängt glaubte, der ihr das Aergerniß des Irrthums und der falschen Lehre schuf, konnte die Parabel vom Unkraut unter dem Weizen entstehen. Damals, als die Gemeinde aus den chaotischen Kämpfen ihres ersten Jahrhunderts den Gewinn eines Kerns der gesunden Lehre davon getragen hatte, konnte sogar erst das Aergerniß der fal- schen Lehre eine feste Kategorie werden und diese teuflischen Elemente mußten zugleich für die Gläubigen so übermächtig geworden seyn, daß sie nur noch auf das letzte Gericht ihre Hoffnung setzen konnte, damit eine Parabel wie die vom Unkraut mit dieser Schlußvertröstung auf das Feuer des Gerichts, wel- ches alle Aergernisse verzehrt, möglich wurde. Der Zug endlich (Matth. 13, 25), daß die Leute schliefen, als der böse Feind das Unkraut zwischen den Weizen säete, — was ist er anders als Ergebniß des Nachdenkens über die Möglichkeit, wie jene Aergernisse entstehen konnten, und zugleich ein Vorwurf für die Gemeinde, die es durch ihre eigene Sorglosigkeit möglich machte, daß die falschen Lehren so reichlich aufgingen — was anders also als ein Urtheil und ein Vorwurf, die erst mög- lieh waren, als es schon eine längere Geschichte und ein Gewissen der Gemeinde gab? | The parables of the mustard seed and the leaven could only be formed when the gradual and irresistible growth of the church was an experience that was indisputable. Only then, when the church was struggling with false teachers and foreign elements and when it believed itself to be beset by the wiles of the evil enemy, who created the annoyance of error and false teaching, could the parable of the tares among the wheat come into being. At that time, when the church had gained a core of sound doctrine from the chaotic struggles of its first century, even the annoyance of false doctrine could only become a fixed category and these diabolical elements had to have become so overpowering for the believers that they could only place their hope in the last judgement, so that a parable like that of the tares with this final consolation of the fire of judgement, which consumes all aversions, became possible. Finally, the passage (Matth. 13, 25) that the people were asleep when the evil enemy sowed the tares among the wheat – what else is it but the result of thinking about the possibility of how those aversions could arise, and at the same time a reproach for the congregation, which made it possible through its own carelessness that the false teachings flourished so abundantly – what else then but a judgement and a reproach that were only possible when there was already a longer history and a conscience of the congregation? |
280 | Kurz, die Erlebnisse und Erfahrungen der Gemeinde bilden das wahre Substrat aller dieser Parabeln — die Reflexion mußte sich sogar mit der wirklichen Geschichte schon vielfach beschäftigt haben, ehe die Bilder entstehen konnten, die den Reichthum und die Mannichfaltigkeit des Lebens auf ein einfaches Gesetz zurückführen. | In short, the experiences of the congregation form the true substratum of all these parables – reflection must even have dealt with real history many times over before the images could arise that trace the richness and diversity of life back to a simple law. |
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Neil Godfrey
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