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7.Die Collisionen mit dem Gesetz und den Pharisäern. |
7.The confrontations with the Law and the Pharisees. |
245 | Die revolutionäre Gewalt, mit der der Spruch Jesu: ״ich bin nicht gekommen, um die Gerechten, sondern um die Sünder zu berufen” (Marc. 2, 17) die Weltordnung umkehrt und den Verworfenen das Heil übergab, hat schon frühzeitig Anstoß er- regt und diejenigen, denen die Schroffheit, mit der Jesus die Gerechten und Privilegirten dieser Welt zurückstößt, zu groß und verletzend schien, zu Milderungsversuchen gereizt. | The revolutionary violence with which the saying of Jesus: ״I I did not come to call the righteous, but sinners” (Mark 2, 17) reversed the world order and gave salvation to the rejected, caused offence early on and provoked those who found the brusqueness with which Jesus rejected the righteous and privileged of this world too great and hurtful to attempt mitigation. |
245/246 | Ein solcher Milderungsversuch ist der Zusatz: ״zur Buße”, der sich in den Schriften des Lukas (C. 5, 32) und Matthäus (C. 9, 13) findet, dessen frühzeitige Verbreitung das Citat des Justinus aus seinen apostolischen Denkwürdigkeiten *) beweist und der auch in viele Handschriften des Marcusevangeliums eingedrungen ist. Der Zusatz muß aber gestrichen werden, damit der Spruch seine ursprüngliche Kraft zurück erhält. Der Vorzug, der den Sündern eingeräumt wird, darf nicht erst von der Buße abhängig gemacht werden — für den Spruch in seiner ursprünglichen Gestalt existirt gar nicht die Frage, ob die Sünder auch wirklich Buße thun, den Nuf annehmen und durch Folgsamkeit gegen den Bußprediger sich das Himmelreich erwerben werden — als die Sünder sind sie vielmehr gegen die Gerech- ten privilegirt, — als Sünder sind sie zur Seligkeit berufen, absolut bevorzugt — den Sündern ist das Himmelreich bestimmt und der Nuf, der an sie ergeht, setzt sie nur in das Eigenthumsrecht ein, welches ihnen als den Sündern gehört. | Such an attempt at mitigation is the addition: ״to repentance’, which is found in the writings of Luke (C. 5, 32) and Matthew (C. 9, 13), whose early spread is proven by the citation of Justin from his Apostolic Memoirs *) and which has also penetrated into many manuscripts of the Gospel of Marcuse. The addition, however, must be deleted so that the saying regains its original force. The privilege granted to sinners must not be made dependent on repentance – for the saying in its original form there is no question whether sinners really repent, accept the call and acquire the kingdom of heaven through obedience to the preacher of repentance – as sinners they are rather privileged compared to the righteous, – as sinners they are called to beatitude, absolutely privileged – the kingdom of heaven is destined for sinners and the call that is issued to them only places them in the right of ownership that belongs to them as sinners. |
245* | *) Apol. II. 62 οὐκ ἦλθον καλέσαι δικαίους, ἀλλὰ ἁμαρτωλοὺς εἰς μετάνοιαν | *) 1 Apol. 15 I came not to call the righteous, but sinners to repentance. |
246 | Die umwälzende Ironie des christlichen Princips hat der Spruch mit außerordentlichem Glück auf ihren einfachsten Ausdruck gebracht, indem er den Stolz der gesetzlichen Gerechtigkeit durch die ausschließliche Bevorzugung derjenigen demüthigt und niederschlägt, die Nichts von alle dem aufweisen können, was das Gesetz von seinen Dienern fordert — die alten geschichtlichen Privilegien werden durch diejenigen gestürzt, deren einziges Privilegium ihre Verworfenheit bildet — denen gehört der Sieg, die kein Privilegium besitzen. | The revolutionary irony of the Christian principle has been most happily expressed by the saying in its simplest terms, humbling and striking down the pride of legal justice by exclusively favouring those who can show none of the things the law demands of its servants – the old historical privileges are overthrown by those whose only privilege is their depravity – victory belongs to those who have no privilege. |
246/247 | Es ist sogar wahrscheinlich, daß der Eingang des Spruches: ״nicht die Starken bedürfen des Arztes — (nicht die Gesunden,
sagt Lukas) — sondern die Kranken”, auch nur einer jener Mil- derungsversuche und ein späterer Zusatz ist, der das Ungeheure des ursprünglichen Contrastes für die gewöhnliche Vorstellung weniger anstößig machen sollte, in der That aber der Nichtung des eigentlichen Spruches widerstreitet. Während nämlich die Berufung der Sünder aus der Voraussetzung beruht, daß ihnen als solchen das Himmelreich gehört, ist die Heilung der Kranken ein Proceß, von dessen Gelingen erst ihre Aufnahme ins Himmelreich abhängt — während Jesus indem Kern des Spruchs sich sogleich an die Sünder richtet und sie in ihr Eigenthumsrecht einsetzt, ist er im Eingänge der Arzt, der erst das Hinderniß beseitigt, welches der Aufnähme der Kranken ins Reich des Lebens entgegenstand — während die Gerechten den Sündern ohne Weiteres weichen müssen, wird den Starken im Eingang des Spruchs die Concession gemacht, daß denjenigen, auf die sie mit Verachtung herabsahen, in der That Etwas fehlt — ja, vielmehr dasjenige fehlt, was ihren Vorzug vor den Schwachen und Kranken begründet. |
It is even probable that the beginning of the saying: ״It is not the strong who need the doctor – (not the healthy,
(not the healthy, says Luke) – but the sick”, is also only one of those attempts at mitigation and a later addition, which should make the enormity of the original contrast less offensive to the ordinary imagination, but in fact contradicts the meaning of the actual saying. While the calling of sinners is based on the presupposition that the kingdom of heaven belongs to them as such, the healing of the sick is a process on the success of which their admission into the kingdom of heaven depends – while Jesus, by the core of the saying, immediately addresses the sinners and puts them into their right of ownership, he is in the entrance the physician who first removes the obstacle, While the righteous must give way to the sinners without further ado, the strong are given the concession in the entrance of the saying that those whom they looked down upon with contempt are in fact lacking something – yes, rather, they are lacking that which justifies their advantage over the weak and the sick. |
247 | Das Alles ist mit der Voraussetzung des Hauptspruches unvereinbar und schwächt die gewaltige Kühnheit, mit der er den Privilegirten der gesetzlichen Welt entgegentritt. Wir wagen daher nicht zu viel, wenn wir den wahren, den eigentlichen Spruch von der abschwächenden Einleitung wieder befreien und das Wagstück wird Weniger groß erscheinen, wenn wir sogleich sehen werden, wie auch in dem Spruch, mit dem Jesus die freie Lebens- art seiner Jünger vertheidigt, zwei Wendungen mit einander combinirt sind, die einander Widerstreiten und unmöglich beide Von dem ersten Former herrühren können. | All this is incompatible with the premise of the main saying and weakens the mighty boldness with which it confronts the privileged of the legal world. Therefore, we do not dare too much when we free the true, the actual saying from the weakening introduction, and the dare will seem less great when we will soon see how even in the saying with which Jesus defends the free way of life of his disciples, two turns of phrase are combined with each other, which contradict each other and cannot possibly both come from the first former. |
247/248 | Zuvor bemerken wir noch, daß Matthäus zwischen den Eingang und den eigentlichen Spruch ein Einschiebsel eingezwängt und den Uebergang von demselben zu dem schließenden Spruch sogar vermittelst eines ״denn” gebildet hat — ״denn ich bin nicht gekommen” *) — obgleich er es gerade ist, der durch dieses Einschiebsel den Zusammenhang völlig aufgelöst hat. ״Gehet aber hin, soll Jesus nach dem Spruch von den Kranken und Gesunden und vor dem Spruch über die Berufung der Sünder sagen, gehet aber hin und lernet, was das sey: Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer” — als ob die Angabe dessen, was die Andern leisten sollen, die Hinweisung auf einen prophetischen Spruch, der die Innerlichkeit und die erbarmende Liebe über die äußere Gesetzesübung stellt, hier an seinem Platze, als ob es Zesus, selbst den unmöglichen Fall gesetzt, daß er nun auch darauf verweisen wollte, wie die Andern seinem Beispiel folgen sollten, und daß er diese Hinweisung mit jenen Worten des Propheten ausführen durfte, möglich gewesen wäre, sie mitten in den Spruch, der sein eigenes Verhalten beschreibt und rechtfertigt, einzuschieben! Nur der Anklang, daß im Spruche Jesu und in dem des Propheten ein Gegensatz enthalten ist und Jesus, wenn er die Sünder beruft, die Barmherzigkeit ausübt, die der Prophet empfiehlt, nur dieser Anklang, der zur Dissonanz wird, wenn man ihm wirklich das Ohr leiht, hat den Evangelisten bewogen, den prophetischen Spruch hier einzuschieben. Am meisten hat er sich aber darin versehen, daß er die Berufung der Sünder, die nach der kühnen Paradoxie des ursprünglichen Spruchs den Verworfenen nur ihr Eigenthum gibt und sie in das Privilegium einsetzt, welches ihnen im Gegensatz zu den Gerechten gebührt, zu einem Werk der Barmherzigkeit macht. | First, we notice that Matthew has inserted an interjection between the opening and the actual saying and has even formed the transition from this to the closing saying by means of a ״denn’ – ״denn I have not come’ *) – although it is precisely he who has completely dissolved the connection by means of this interjection. have not come” *) – although it is he who has completely dissolved the context by this insertion. But go ye,” Jesus should say after the saying about the sick and the healthy and before the saying about the calling of sinners, “but go ye and learn what these things are: Mercy I will, and not sacrifice” – as if the indication of what others are to do, the reference to a prophetic saying which places inwardness and merciful love above the outward practice of the law, were here set in its place, as if Zesus, even the impossible case, that he now also wanted to point out how others should follow his example, and that he was allowed to carry out this pointing out with those words of the prophet, it would have been possible to insert them in the middle of the saying that describes and justifies his own behaviour! Only the suggestion that there is a contrast between the words of Jesus and those of the prophet, and that Jesus, when he calls sinners, exercises the mercy that the prophet recommends, only this suggestion, which becomes a dissonance if one really lends an ear to it, induced the evangelist to insert the prophetic saying here. But what he has done most of all is to make the calling of sinners, which, according to the bold paradox of the original saying, only gives the rejected their property and places them in the privilege which is due them in contrast to the righteous, a work of mercy. |
247* | *) C- 9, 13: οὐ γὰρ ἦλθον | *) 9:13 οὐ γὰρ ἦλθον |
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248/249 | Die Antwort, mit der Jesus den Vorwurf zurückweist, daß seine Jünger nicht fasten, enthält zwei so verschiedenartige Glie- der, daß sie unmöglich von Einem und demselben Bildner ge- schaffen seyn kann. Wenn es im ersten Gliede heißt: ״können
die Hochzeitleute fasten, während der Bräutigam bei ihnen ist? Es werden aber Tage kommen, wo der Bräutigam von ihnen genommen ist und dann werden sie fasten” *), so wird das Fasten an sich gar nicht verworfen, im Gegentheil für den rech- ten Augenblick, die Zeit der Verlassenheit, als natürlich und unausbleiblich bezeichnet — dagegen im folgenden Spruch vom neuen Lappen auf dem alten Kleide, besonders aber un ab- schließenden Bilde vom neuen Wein, der nur in neue, nicht in alte Schläuche gegossen werden darf, wird die Uebertragung der gesetzlichen Gebräuche auf den christlichen Standpunkt als eine unzulässige, ja schädliche und verderbliche bezeichnet und gerügt. |
The answer with which Jesus rejects the reproach that his disciples do not fast contains two such different members that it cannot possibly have been created by one and the same author. When it says in the first member: ״the wedding people can
can the wedding party fast while the bridegroom is with them? But the days will come when the bridegroom is taken from them and then they will fast” *), fasting in itself is not rejected at all, on the contrary, it is described as natural and inevitable for the right moment, the time of abandonment – in contrast, in the following saying about the new cloth on the old garment, but especially in the concluding image of the new wine, which may only be poured into new, not into old wineskins, the transfer of legal customs to the Christian point of view is described and rebuked as inadmissible, even harmful and pernicious. |
249* | *) Zwischen der Frage: ״können die Hochzeitsleute u. s. w. und dem Sah: ״es werden aber Lage kommen u. s. w- hat Marcus die unnöthige Beantwortung der Frage: ״so lange sie den Bräutigam bei sich haben, können sie nicht fasten” (Marc. 2,19.20). Lukas und Matthäus gehen von der Frage sogleich zur Angabe über, daß eine Zeit der Ent- behrung kommen würde, wo die Hochzeitslcute schon fasten würden (Matth. 9, 15. Luk. 5, 34. 35), und sie geben damit den Spruch in seiner ursprünglichen Bauart — die Spannung zwischen der Frage und der folgenden Angabe schließt den Zwischensatz des Marcus als eine spä- tere Interpolation aus. | *) Between the question: ״may the wedding party etc. and the question: ״but they will be able to come, etc.- Mark has the unnecessary answer to the question: ״as long as they have the bridegroom with them, they cannot fast’ (Mark 2,19.20). Luke and Matthew immediately move from the question to the statement that a time of deprivation would come, when the wedding party would already be fasting (Matth. 9, 15. Luk. 5, 34. 35), and thus they give the saying in its original form – the tension between the question and the following statement excludes Mark’s interjection as a later interpolation. |
249 | Lukas hatte es noch in seinem Gefühl, daß beide Sprüche nicht wirklich Zusammenhängen, wenigstens macht er (C. 5, 36) den Uebergang von dem einen zum andern mit der Formel: ״er sagte ihnen aber auch ein Gleichniß” — mit einer Formel, die er öfters anbringt, wenn er auf eigne Hand Sprüche zusammen- stellt und sich nicht verbergen kann, daß der Zusammenhang, den er beabsichtigt, nicht wirklich vorhanden ist und nicht vollständig erreicht werden kann. Die beiden Andern lassen die Sprüche unmittelbar auf einander folgen. | Luke still felt that the two sayings were not really connected, at least he (C. 5, 36) makes the transition from one to the other with the formula: ״but he also told them a parable’. – a formula he often uses when he puts together sayings of his own accord and cannot conceal the fact that the connection he intends does not really exist and cannot be fully achieved. The two others let the sayings follow each other directly. |
250/251 | Die Schlacht, die Jesus den Pharisäern liefert, als sie ihn dafür verantwortlich machten, daß seine Jünger durch ihr Aehrenpflücken den Sabbath brachen, hat Matthäus viel zu sehr verlängert und zugleich in Unordnung gebracht. Wenn er auf den ersten Angriff noch eine Menge andere folgen läßt, so setzt er voraus, daß jener noch nicht entscheidend war. Wenn er der Berufung auf das Beispiel Davids (C. 12, 3. 4), welches wirklich beweisende Kraft hat, da es sich um einen Fall handelt, in welchem es heißt: Noth bricht Eisen, die Berufung auf das Gesetz nachschickt (V. 5), welches von den Priestern auch am Sabbath Arbeit fordert und sie zwingt den Sabbath zu enthei- ligen, so zerstört er den Schlachtplan und biegt er das Argu- ment viel zu weit von der Frage ab, die zu behandeln war, da nicht von Arbeiten überhaupt, sondern nur von solchen die Rede war, zu denen die Noth zwingt. Läßt er sodann den Herrn (V. 6) den Schluß ziehen, wenn der Tempel und sein höheres Recht die Priester dazu berechtige, den Sabbath zu ent- Weihen, so sey hier, in demjenigen, der hier stehe, in ihm selber mehr als der Tempel, habe er also .ein noch größeres Recht ge- gen den Sabbath, so überfüllt er durch diese Reminiscenz an den Spruch: ״hier ist mehr als Jonas, mehr als Salomo!” die Schlußfolgerung und entfernt er sich noch mehr vom Anlaß und dem eigentlichen Thema — vergißt er, daß es überhaupt nur darauf ankam, dem Bedürfniß das Gesetz unterzuordnen. Das ursprüngliche Thema hat er endlich vollends außer Augen gelassen, wenn er den Herrn (V. 7) an denselben prophetischen Spruch, den er ihm schon früher einmal zur Unzeit in den Mund gelegt hatte (C. 9, 13): ״Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer”, erinnern läßt — sollte damit die Anklage der Pharisäer als hart und lieblos bloßgestellt, sollte damit eine schonende Behandlung des Nächsten und milde Beurtheilung seiner Handlungen empfohlen werden, so sähe das eher einem ängstlichen Rückzug ähnlich als einem Angriff — sollte da- mit die Beobachtung der äußern Statute der Liebe überhaupt untergeordnet werden, so hätte das wirklich geschehen, ausdrück- lich gesagt werden müssen. Wenn endlich Matthäus dieses ihm geläufige Citat (V. 8) durch den Ausspruch begründet: ״denn des Menschen Sohn ist Herr auch über den Sabbath”, so hört jeder Gedanke an Zusammenhang auf und beweist er, daß er in demselben Augenblicke, in welchem er recht logisch schreiben und verknüpfen will, die heterogensten Sätze zusammenwirft: — das Privilegium oder die Pflicht der Liebe und die Ober- Herrlichkeit des Herrn sind selbstständige Gedankenbestimmun- gen, zu deren Combination mehr als ein flüchtig hingeworfenes ‘denn’ gehört. | The battle that Jesus delivers to the Pharisees when they hold him responsible for the fact that his disciples broke the Sabbath by picking the ears of grain, Matthew has prolonged far too much and at the same time brought it into disorder. When he follows up the first attack with a host of others, he presupposes that the first was not yet decisive. When he follows up the appeal to the example of David (C. 12, 3. 4), which really has proving power, since it is a case in which it is said: Necessity breaks iron, with the appeal to the law (v. 5), which was used by the priests. 5), which requires the priests to work even on the Sabbath and forces them to abstain from Sabbath work, he destroys the battle plan and bends the argument far too far away from the question that was to be dealt with, since there was no mention of work in general, but only of that which necessity compels. He then lets the Lord (v. 6) draw the conclusion that if the temple and its higher right entitle the priests to desecrate the Sabbath, then here, in the one who stands here, there is more in himself than the temple, thus he has . If he has a still greater right against the Sabbath, he overstuffs the conclusion by this reminiscence of the saying: ״Here is more than Jonah, more than Solomon!’ and he distances himself still more from the occasion and the actual theme – he forgets that it was only a matter of subordinating the law to the need. Finally, he has completely lost sight of the original theme when he reminds the Lord (v. 7) of the same prophetic saying that he had already put into his mouth at an inopportune time (C. 9, 13): ״Mercy I want, and not sacrifice’ – If the accusation of the Pharisees was to be exposed as harsh and unloving, if a gentle treatment of the neighbour and a mild assessment of his actions were to be recommended, this would look more like a fearful retreat than an attack – if the observation of the external statutes was to be subordinated to love in general, then this should really have happened, it should have been explicitly stated. When finally Matthew justifies this familiar quotation (v. 8) by saying. 8) by saying: ״for the Son of man is Lord even of the Sabbath’, then every thought of coherence ceases and he proves that he throws together the most heterogeneous sentences at the same moment in which he wants to write and connect them logically: – the privilege or duty of love and the supremacy of the Lord are independent determinations of thought, to the combination of which more than a fleetingly thrown `because’ belongs. |
251 | Auch Marcus (C. 2, 25 — 28) hat die Argumentation um Ein Glied zu viel verlängert. Wie Lukas (C. 6, 3—5) hat er dem Herrn zwar nur die Berufung auf Davids Beispiel in den Mund gelegt, aber den Schlußsatz, daß des Menschen Sohn Herr ist über den Sabbath, begründet er durch den all- gemeinen Satz, daß der Sabbath um des Menschen willen und nicht der Mensch um des Sabbaths willen gemacht ist — d. h. durch einen Satz, der die Rücksicht auf des Menschen Sohn vollkommen beseitigt und überflüssig gemacht — einen Satz, der sogar die Reflexion auf die Vollmacht des Menschen Sohns ausschließt.
Dieser allgemeine Satz ist daher eine spätere Zuthat, die die Vorbereitung und den Abschluß des Epigramms auseinander- reißt, und wahrscheinlich das Werk derselben Hand, die durch die Einschiebung des Geschichtsfehlers: ״unter Abjathar, dem Hohenpriester” (Marc. 2, 26) den Zusammenhang des Spruchs, der von der That Davids handelt, unterbrochen hat. |
Mark (C. 2, 25 – 28) also extended the argumentation by one limb too much. Like Luke (C. 6, 3-5), he has only put the reference to David’s example into the Lord’s mouth, but he justifies the final sentence that the Son of Man is Lord over the Sabbath by the general sentence that the Sabbath was made for the sake of man and not man for the sake of the Sabbath – i.e. by a sentence which completely eliminates the consideration of the Son of Man and makes it superfluous – a sentence which even excludes the reflection on the authority of the Son of Man.
This general sentence, therefore, is a later addition, tearing apart the preparation and conclusion of the epigram, and is probably the work of the same hand which, by the insertion of the historical error: ״under Abiathar the High Priest’ (Mark 2, 26) has interrupted the coherence of the saying that deals with David’s deed. |
252 | Lukas hat uns demnach die ursprüngliche Bauart des Spruches aufbewahrt: David’s Beispiel beweist, daß das Be- dürfniß über dem Heiligen steht, und des Menschen Sohn ist Herr des Sabbaths.
Aber wirklich? Das wäre wirklich die Urform des Spruchs? Derjenige, der den Spruch zuerst bildete, wäre wirklich fähig gewesen, zwei Gedanken zusammenzustellen, von denen jeder den Andern überflüssig macht, die sich gegenseitig hindern, die so ver- schiedene Richtungen einschlagen und zugleich so nahe aneinander- gerückt sind, daß keiner von Beiden seine Richtung durchsetzen kann? Zwei Meister stehen neben einander: erst ist das Bedürf- niß der unbedingte Meister über das Heilige, nachher des Menschen Sohn — Beide unbedingt, Beide absolute Mei- ster — Beide beschränkt und schwach, wenn sie sich neben einander behaupten wollen. Ist das Bedürfniß Meister über das Heilige geworden, so brauch des Menschen Sohn seine Oberherrlichkeit nicht erst geltend zu machen, um den Sieg zu entscheiden. Muß des Menschen Sohn erst noch den Titel sei- ner Meisterschaft aufzeigen, so ist es nicht wahr, daß das Bedürfniß Herr des Heiligen ist. Oder muß des Menschen Sohn seine Oberherrlichkeit auf die Macht des Bedürfnisses gründen, dann ist er nicht der absolute Oberherr! Ein Meister ist genug! Der Meister brauchte allein da- zwischen zu treten, der vom Anlaß gefordert — aber auch Wirklich gefordert wurde: — das Bedürfniß. Die Berufung aus Davids Beispiel war hinreichend, aber auch wirklich kühn und schlagend. Die Pharisäer sind geschlagen, das Heilige ist profanirt — die Schlacht zu Ende — ein neues Argu- ment, selbst ein Schlußsatz wäre ein Zweifel am Siege ge- Wesen. |
Luke has therefore preserved for us the original structure of the saying: David’s example proves that the need is above the holy, and the Son of Man is Lord of the Sabbath.
But really? That would really be the original form of the saying? The one who first formed the saying would really have been able to put together two thoughts, each of which makes the other superfluous, which hinder each other, which take such different directions and at the same time are so close to each other that neither of them can assert its direction? Two masters stand next to each other: first need is the unconditional master over the holy, then the Son of Man – both unconditional, both absolute masters – both limited and weak if they want to assert themselves next to each other. If need has become master over the sacred, the Son of Man need not first assert his supremacy in order to decide the victory. If the Son of Man must first show the title of his mastery, it is not true that the need is master of the holy. Or if the Son of Man must base his supremacy on the power of need, then he is not the absolute supreme master! One Master is enough! The master alone had to step in between, who was demanded by the occasion – but was also really demanded: – the need. The appeal from David’s example was sufficient, but also really bold and striking. The Pharisees are defeated, the sacred is profaned – the battle is over – a new argument, even a final sentence would have been a doubt about the victory. |
253 | Der Urbericht hatte nur die Berufung auf Davids Bei- spiel. Die Formel, mit der Lukas dazwischen tritt, ehe er den Schlußsatz gibt — diese Formel, die einen neuen Ansatz nimmt und es verrath, daß der Geschichtsschreiber allerdings fühlte, er gebe im Folgenden etwas Neues, das vom vorhergehenden nicht nothwendig gefordert werde, — die Formel: ״und er sagte ihnen” (Luk. 6, 5) beweist, daß der Schlußsatz, der nun folgt, eine spatere Zuthat ist.
Mit derselben Formel leitet Marcus *) den allgemeinen Satz ein, mit dem er den Schlußsatz begründet — er hatte also einen Bericht vor Augen, der wirklich mit dem des Lukas über- einstimmte. Fragt es sich nun, ob Lukas zuerst diese Combina« tion bewerkstelligte, so antworten wir unbedingt verneinend und stützen wir uns auf den Umstand, daß gerade in diesem Abschnitt, der die Collisionen mit dem Gesetz und den Pharisäern enthält, sich Lukas am treusten — treuer als sonst an seine Quellen- schrift gehalten hat. |
The original report had only the reference to David’s example. The formula with which Luke intervenes before he gives the final sentence – this formula, which takes a new approach and betrays the fact that the historian certainly felt that he was giving something new in the following, which was not necessarily required by the previous one – the formula: ״and he told them’ (Luk 6, 5) proves that the final sentence which now follows is a later addition.
With the same formula Mark *) introduces the general sentence with which he justifies the final sentence – he therefore had an account in mind which really agreed with that of Luke. If the question is whether Luke was the first to bring about this confrontation, we answer in the negative and rely on the fact that it is precisely in this section, which contains the confrontations with the Law and the Pharisees, that Luke has adhered most faithfully to his source writing. |
253* | *) C. 2, 27: καὶ ἔλεγεν αὐτοῖς | *) 2:27 καὶ ἔλεγεν αὐτοῖς |
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253/254 | Die Frage, mit der Jesus am andern Sabbath die Pha- risäer schlägt, als sie darauf lauerten, ob er den Menschen mit der verdorrten Hand heilen würde, hat Matthäus wiederum überfüllt und in Verwirrung gebracht. ״Wer ist unter euch, soll Jesus (C. 12, 11. 12) fragen, so er ein Schaaf hat, das ihm am Sabbath in eine Grube fällt, der es nicht ergreife und aufhebe? Wie viel besser ist nun ein Mensch denn ein Schaaf? Also ist es erlaubt, am Sabbath Wohlzuthun.” Das wäre ent- weder zu viel oder zu wenig gesagt. Zu viel — denn die Gegner waren schon geschlagen, wenn sie daran erinnert wur- den, daß man eines Thieres wegen das Sabbathsgesetz breche. Zu wenig, insofern der Gedanke des Wohlthuns plötzlich auftritt und in Bezug auf keine von beiden Seiten zurechtgelegt wird, da es weder als etwas Neues, als eine Pflicht, die man den Menschen schuldig ist, bezeichnet, noch auch ausdrücklich als dasselbe Thun vorausgesetzt wird, welches der Eigenthü- mer an seinem Thiere übt, das ihm am Sabbath in den Brun- nen fällt. Der Gedanke des Wohlthuns ist ein neuer und wird doch nicht als ein solcher geltend gemacht — Matthäus glaubt die richtigste Schlußfolge von der Welt hinzuschreiben, wenn er zuletzt zur Berechtigung des Wohlthuns gelangt, und er hat diesen Schluß mit keinem Worte vorbereitet. | The question with which Jesus strikes the Phaisees on the other Sabbath, when they were waiting to see if he would heal the man with the withered hand, again crowded Matthew and threw him into confusion. ״Who is among you, shall Jesus (C. 12, 11. 12) ask, if he have a sheep which shall fall into a pit for him on the sabbath day, who shall not take hold of it, and lift it up? How much better is a man than a sheep? So it is lawful to do good on the Sabbath.” That would be neither too much nor too little to say. Too much – for the opponents were already beaten when they were reminded that one was breaking the Sabbath law because of an animal. Too little, insofar as the idea of benevolence appears suddenly and is not put right with respect to either side, since it is neither described as something new, as a duty owed to mankind, nor is it expressly presupposed as the same thing that the owner does to his animal that falls into his well on the Sabbath. The idea of benevolence is a new one and yet is not asserted as such – Matthew believes that he has written the most correct conclusion of the world when he finally arrives at the justification of benevolence, and he has not prepared this conclusion with a single word. |
254 | Die Erklärung geben uns Lukas und Marcus. Beide haben den Spruch des Urberichts, d. h. jene Frage, mit der Jesus die Gegner wirklich und hinreichend schlägt: ״ist es erlaubt am Sabbath wohl oder Uebles zu thun? Ein Leben zu retten, oder umkommen zu lassen?” rein und richtig (Marc 3, 4. Luk. 6, 9) wiedergegeben — in der Variation des Urberichts läßt Lukas seinen Herrn fragen (C. 14, 5): ״wer ist unter euch, dem sein Ochs oder Esel in den Brunnen fällt und der ihn nicht alsbald herauszieht am Sabbathstage?” — Matthäus hat diese Frage mit der des Urberichts combimrt und dadurch jene Verwirrung hervorgebracht. | Luke and Mark give us the explanation. Both have reproduced the saying of the original report, i.e. the question with which Jesus really and sufficiently beats the opponents: ״Is it lawful to do good or evil on the Sabbath? To save a life or to let it perish?” pure and correct (Mark 3, 4. Luk. 6, 9). In the variation of the original report Luke asks his master (C. 14, 5): ״Who is among you of you whose ox or ass falls into the well and who does not immediately pull it out on the Sabbath day?” – Matthew has combined this question with that of the original account and thereby created this confusion. |
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254/255 | Erhebt sich nun die Frage nach dem Ursprung des Urbe- richts — d. h. jenes Berichts, dessen Composition uns in dem Marcusevangelium am reinsten erhalten ist, jenes Berichts, der die Antworten Jesu in ihrer schlagenden Kürze und Einfachheit enthielt und an dem vorhergehenden wie nachfolgenden Abschnitte seine angemessene Umgebung, seine richtige Voraussetzung und seine natürliche Steigerung besaß, so erinnern wir vor Allem an den engen Zusammenhang, der diesen Abschnitt mit der unmittelbar vorhergehenden Aeußerung Jesu zu dem Aussätzigen (Marc. 1, 44) verbindet, und an die Deutung, die wir von diesem Zu- sammenhange gegeben haben. | If the question now arises as to the origin of the original report – i.e. that report whose composition has been preserved to us in the purest form in the Gospel of Mark, that report which contained the answers of Jesus in their striking brevity and simplicity and in which the preceding as well as the following passages had their appropriate setting, their correct presupposition and their natural intensification, then we remember above all the close connection which links this passage with the immediately preceding statement of Jesus to the leper (Mark 1, 44) and the interpretation we have given of this connection. |
255 | Kraft dieses unläugbaren und bedeutungsvollen ZusammenHanges ist nun die Frage die: welches ist die Welt, in der Jesus, als er auf seiner Reise durch Galiläa und in der Einsamkeit mit dem Aussätzigen zusammentraf, wissen konnte, daß er unmittelbar darauf bei seiner Rückkehr nach Kapernaum mit den Pharisäern in eine Reihe von Schlachten verwickelt werden würde, die er nur durch revolutionäre Tapferkeit und durch die äußerste Rücksichtslosigkeit gegen das Gesetz und dessen sammt- liche Voraussetzungen gewinnen konnte? Welches ist die Welt, in der ein so zufälliges Ereigniß wie das Zusammentreffen mit dem Aussätzigen dem Herrn die Gelegenheit dazu gibt, dem revolutionären Kampf, der ihn in Kapernaum erwartete, die apologetische Wendung vorauszuschicken, daß er Alles gethan habe, um die Collision zu verhüten, daß er somit an dem Ausbruch derselben nicht schuld sey? | By virtue of this undeniable and significant connection, the question is: what is the world in which Jesus, when he met the leper on his journey through Galilee and in solitude, could know that immediately afterwards, on his return to Capernaum, he would be involved with the Pharisees in a series of battles that he could only win by revolutionary bravery and by the utmost ruthlessness against the Law and its entire presuppositions? What is the world in which such an accidental event as the encounter with the leper gives the Lord the opportunity to precede the revolutionary struggle that awaited him in Capernaum with the apologetic turn that he had done everything to prevent the confrontation, that he was therefore not to blame for its outbreak? |
255/256 | Antwort: es ist dieselbe Welt, deren prästabilirte Harmonie es zugleich mit sich bringt, daß des Kämpfe mit dem Gesetz und dessen Privilegirten, nacydem ihre unabweisllchc Nothwendigkeit an dem Wort an den Aussätzigen ihre Folie erhalten hat, Schlag auf Schlag auf einander folgen — jene Welt, in der Alles so symmetrisch geordnet ist, daß diese Kämpfe einen besondern Abschnitt des Lebens Jesu bilden und im folgenden Abschnitt ihren vorläufigen Abschluß erhalten — dieselbe Welt, deren Symmetrie es mit sich bringt, daß die Angriffe der Pharisäer dem Herrn die Gelegenheit dazu geben, zuerst, bei der Heilung des Gichtbrüchigen, seine Uebermacht über die Sünde zu beweisen, sodann das Privilegium der Gerechten zu stürzen, endlich das Heilige des Gesetzes vollständig zu profaniren. | Answer: It is the same world, the prestabilised harmony of which entails that the struggles with the law and its privileged, after their indisputable necessity has received its foil in the word to the leper, follow one another in succession – that world in which everything is so symmetrically ordered, that these battles form a special section of Jesus’ life and receive their provisional conclusion in the following section – the same world whose symmetry entails that the attacks of the Pharisees give the Lord the opportunity first to prove his superiority over sin in the healing of the gout-ridden man, then to overthrow the privilege of the righteous, finally to completely profane the sacredness of the law. |
256 | Der Abschnitt spielt in jener Wunderwelt, in der die Pharisäer immer sogleicy bei der Hand sind, wenn es für sie Etwas zu sehen gibt, was sie auf die Gefahr, die ihrem Gesetz und Vorrecht droht, aufmerksam macht und was sie zugleich in den Kampf verwickelt, der mit ihrer vollständigen Nieverlage enden soll.
Nur in dieser Wunderwelt konnten die Leute, die dem Herrn bei seiner ersten Rückkehr nach Kapernaum den Gichtbrüchigen zutrugen (Marc. 2, 1—4), ihre Bahre durch die Volksmenge hindurch, die das Haus umgab und drinnen anfüllte, auf das Dach bringen — konnten sie das Dach abbrechen, um den Kranken auf der Bahre ins Innere des Hauses herabzulassen, — konnten sie das Dach gerade da, wo Jesus war, mit Gewalt aufbrechen, ohne die Versammlung im Hause zu beschädigen. In dieser idealen Welt kann sich auch nur die Scene halten, daß der Zöllner Levi dem ersten Rufe Jesu augenblicklich folgt und seine Zollbude im Stich läßt — nur hier, in dieser Wunderwelt handelt der Zöllner um so rühmlicher, d.h. zeugt er um so sicherer von der Gewalt des Wortes Jesu, je mehr er an den Posten, den er verläßt, durch seine Pflicht gebunden war und je rücksichtsloser er ihn verläßt. Was aber in der Welt der religiösen Anschauung Glauben und E’fer für den Herrn heißt, ist in der wirklichen Welt Pflichtvergessenheit — was in jener natürlicher Verlauf ist, das ist in dieser ein Sturm, der alle Verhältnisse wild zusammenwirbelt und aus ihren Fugen reißt — was in jener möglich scheint, ist in dieser haltlos und unmöglich. |
The passage takes place in that world of miracles in which the Pharisees are always ready to act when there is something for them to see that makes them aware of the danger threatening their law and privilege and which at the same time involves them in the struggle that is to end with their complete defeat.
Only in this miraculous world could the people who carried the gout-ridden man to the Lord on his first return to Capernaum (Mark 2, 1-4) bring his bier up to the roof through the crowd that surrounded the house and filled it inside – could they break down the roof to let the sick man on the bier down into the interior of the house, – could they force open the roof just where Jesus was without damaging the assembly in the house. In this ideal world, only the scene that the tax collector Levi immediately follows Jesus’ first call and abandons his tax booth can survive – only here, in this world of miracles, the tax collector acts all the more praiseworthily, i.e. he testifies all the more surely to the power of Jesus’ word, the more he was bound to the post he leaves by his duty and the more ruthlessly he leaves it. But what in the world of religious opinion is called faith and devotion to the Lord, in the real world is called forgetfulness of duty – what in the former is a natural course, in the latter is a storm that wildly whirls together all conditions and tears them out of their seams – what seems possible in the former is untenable and impossible in the latter. |
257 | Hier, im Element dieser idealen Welt, in Welcher die Ge- fühle und Ansprüche der wirklichen Welt erstickt sind, war es demjenigen, der diesen spätern Spruch bildete, möglich, in dem Spruch vom Todtenreich den Herrn so sprechen zu lassen, als wollte er wirklich und ernstlich den Jünger, den er zur Nachfolge aufrief, davon abhalten, die Kindespflicht gegen den Leichnam seines Vaters zu erfüllen — nur in diesem Element, in welches die Mächte dieser Welt allerdings nicht hinaufreichen, ließ sich diese grausame Collision bilden, die in der wirklichen Welt an der Macht der Familie augenblicklich zerstoben wäre.
Nur hier, in dieser idealen Welt, in der die Stimme der Natur schweigt, konnte endlich die Mutter Jesu in dem Grade alles mütterliche Gefühl verläugnen, daß sie mit den erbittertsten Feinden ihres Sohnes gemeinschaftliche Sache macht und wäh- rend ihn die Schriftgelehrten für einen Verbündeten des Teufels erklären, ihn als einen Verrückten einfangen will. Wenn der Zusammenhang der Ereignisse und die extreme Spannung der Collisionen nur in einem Element möglich sind, welches die scheinbare Verwirrtheit der wirklichen Welt nicht duldet und den Widerstand der weltlichen Interessen nicht kennt, so bewirkt es auch die ausdehnende und erweiternde Kraft dieses Elements, daß die Beschränktheit, die den Situationen eigen ist und sich auch den Sprüchen Jesu mittheilt, zu einer schran- kenlosen Allgemeinheit verflüchtigt wird. |
Here, in the element of this ideal world, in which the feelings and demands of the real world are suffocated, it was possible for the one who formed this later saying to let the Lord speak in the saying about the kingdom of the dead as if he really and seriously wanted to prevent the disciple whom he called to follow him, Only in this element, into which the powers of this world, however, do not reach, could this cruel confrontation be formed, which in the real world would have been instantly destroyed by the power of the family.
Only here, in this ideal world where the voice of nature is silent, could the mother of Jesus finally deny all motherly feeling to the extent that she makes common cause with the bitterest enemies of her son and while the scribes declare him to be an ally of the devil, wants to capture him as a madman. If the coherence of the events and the extreme tension of the confrontations are only possible in an element that does not tolerate the apparent confusion of the real world and does not know the resistance of worldly interests, then the expanding and widening power of this element also causes the limitedness that is inherent in the situations and also communicates itself in the sayings of Jesus to evaporate into a boundless generality. |
257/258 | In der wirklichen Welt würde Jesus, wenn er die Jünger einmal entschuldigt, daß sie am Sabbath Aehren gerauft haben, wenn er ein andermal trotz des Sabbaths einen Kranken heilt, am Sabbathsgesetz nur gerüttelt, aber diesen Zaun nicht durchbrochen haben. Wenn er sich auf die Autorität Davids beruft, so folgt nn Grunde nur, daß in Fällen der Noth das Sabbathsgesetz nicht gilt; wenn es nur um einer außerordentlichen Wohlthat willen verletzt werden darf, so bleibt es außer dieser Ausnahme als Regel bestehen, wird es sogar durch die Ausnahme nur noch mehr als Regel bestätigt. | In the real world, Jesus, when he excuses the disciples for scuffling ears on the Sabbath, when he heals a sick person in spite of the Sabbath, would only have shaken the Sabbath law, but not broken through this fence. If he invokes the authority of David, it follows only that in cases of necessity the Sabbath law does not apply; if it may be violated only for the sake of an extraordinary good deed, it remains the rule apart from this exception, and is even more confirmed as the rule by the exception. |
258 | Gleichwohl liegt dem Urbericht die Voraussetzung zu Grunde, daß das Sabbathsgesetz keine Geltung mehr habe, daß es durch Jesus aufgehoben sey — worin zeigt sich aber die Voraussetzung? Ausgesührt und ausgearbeitet ist sie nicht. Aber warum nicht? Weil der Schöpfer des Berichts in einer Zeit arbeitete, als die Gemeinde längst mit dem Gesetz fertig geworden war, und weil er voraussetzt, daß das Element, in dem er lebt, auch den Bericht durchdringen, den beschränkten Anlaß und die beschränkte Lösung ausdehnen und zur Allgemeinheit erweitern werde, die seinem Selbstbewußtseyn eigen ist. Die ideale Absicht, die den Bericht geschaffen und allerdings nur diese beschränkte Situation und Lösung bilden konnte, wenn sie das allgemeine Selbstbewußtseyn der Gemeinde in einem einzelnen Ereigniß des Lebens Jesu darstellen wollte, ergänzte den Mangel, bildete das auftreibende Element des Berichts und gab dem gläubigen Leser die Gewißheit, daß es sich in diesem einzelnen Vorfall zugleich um das Gesetz als solches handle. | Nevertheless, the original report is based on the premise that the Sabbath law is no longer valid, that it was abolished by Jesus – but what is the premise? It is not elaborated and worked out. But why not? Because the creator of the report worked at a time when the congregation had long since finished with the law, and because he presupposes that the element in which he lives will also permeate the report, extend the limited occasion and the limited solution, and expand them to the generality that is proper to his self-consciousness. The ideal intention, which created the report and could only form this limited situation and solution if it wanted to represent the general self-consciousness of the community in a single event of Jesus’ life, supplemented the lack, formed the impulsive element of the report and gave the believing reader the certainty that this single incident was at the same time about the law as such. |
258/259 | Dieselbe ideale Absicht, die den Spruch von dem Fasten der Hochzeitsleute gebildet und als die Lösung einer Collision mit dem jüdischen Gebrauch hingestellt hat, rechnete darauf, daß man in dem Herrn von vornherein den Ueberwinder des Gesetzes sehen und somit auch nicht auf den Gedanken kommen würde, den Spruch wörtlich zu fassen. Wie der Schöpfer des Spruchs in seiner kühnen Unbekümmertheit um die empirische Wahrscheinlichkeit den Anachronismus wagte, daß er Jesum zu einer Zeit, wo die Braut, die Gemeinde noch nicht gegeben war, sich den Bräutigam nennen und von der Zeit sprechen ließ, in der die Hochzeitsleute sich verlassen fühlen würden, — wie dieser Schöpfer des Spruchs und der vorhergehenden Collision keinen andern Jesus kannte, als denjenigen, der die Erfahrungen der spätern Gemeinde aussprach, so konnte er es sich auch nicht anders denken, als daß Jedermann unter dem gerechten und wahren Fasten den innern Schmerz und die Trauer verstehen werde, die die Erinnerung an den Tod des Erlösers beständig in dem Leben der Gemeinde unterhält. | The same ideal intention that formed the saying about the fasting of the wedding party and presented it as the solution to a confrontation with Jewish usage, counted on the fact that the Lord would be seen from the outset as the conqueror of the law and thus would not even think of interpreting the saying literally. How the creator of the saying, in his bold unconcern for empirical probability, dared the anachronism of calling Jesus the bridegroom at a time when the bride, the congregation, had not yet been given, and of speaking of the time when the wedding party would feel abandoned, – As this creator of the saying and the preceding confrontation knew no other Jesus than the one who spoke the experiences of the later congregation, so he could not think otherwise than that everyone would understand by the just and true fasting the inner pain and sorrow which the remembrance of the death of the Saviour constantly maintains in the life of the congregation. |
259 | Wenn Jesus den Schriftgelehrten, die daran Anstoß nahmen, daß er so sprach, als habe er die Macht, Sünden zu vergeben, beweisen will, daß er allerdings diese Macht besitze und ausüben dürfe, und demnach argumentirt: ״was ist leichter, Sünden vergeben oder Wunder thun? offenbar das Erstere: wenn »ch also das Schwerere, wie ich sogleich zeigen werde, vermag, so kann es nicht mehr zweifelhaft seyn, daß ich auch zu dem Leichteren die Vollmacht habe” — so ist dieser Schluß allerdings verständlich genug — aber für wen? und für wen war er zugleich beweisend? Nur für das spätere Bewußtseyn, dem die Wunderthätigkeit des Heilandes von vornherein der stärkste und zwingendste Beweis seiner Vollmacht war — für dasselbe Bewußtseyn, welches in seiner apologetischen Be- drängniß auch der Inkonsequenz und des Verstoßes gegen das Ansehn des neuen Princips fähig war, die in der That unendlich höhere Macht des Geistes, die Sünde zu tilgen und das Geschehene ungeschehen zu machen, durch die Wunderkraft, die nur mit der Natur ringen, ja, die Gesetze derselben nur beleidigen würde, zu beweisen. Eben dieß Bewußtseyn aber, welches ihn verstand und verlangte, hat ihn auch sammt seinem Anlaß gebildet. | When Jesus wants to prove to the scribes, who took offence at his speaking as if he had the power to forgive sins, that he does indeed possess and may exercise this power, and thus argues: ״What is easier, to forgive sins or to perform miracles? obviously the former: if “I am therefore able to do the difficult, as I will show presently, it can no longer be doubtful that I also have the authority to do the easier” – this conclusion is certainly understandable enough – but for whom? and for whom was it at the same time proving? Only for the later consciousness, for which the miraculous activity of the Saviour was from the outset the strongest and most compelling proof of his authority – for the same consciousness, which in its apologetic urge was also capable of inconsistency and of violating the prestige of the new principle, to prove the indeed infinitely higher power of the spirit to eradicate sin and undo what has been done, by the miraculous power which would only contend with nature, nay, would only offend the laws of it. But precisely this consciousness, which understood and demanded him, also formed him together with his cause. |
259/260 | Der Spruch endlich von der Obdachlosigkeit des Menschen Sohns, der nicht hat, wo er sein Haupt hinlege, von Jesus in der wirklichen Welt gesprochen, hätte den dürftigen Sinn, daß er keine feste Wohn statte habe und seine Nachfolger gleichfalls auf eine solche Verzicht leisten müßten — die ideale Ab- ficht dagegen, die den Spruch erzeugt und ihn als den Ausdruck der Freiheit von jeder beschränkenden Formel hingestellt hat, hat ihm auch die revolutionäre Triebkraft mitgetheilt, die den Leser über die Rücksicht auf die empirische Person Jesu hinaus zu jener Sphäre erhebt, die hoch über dem Formelwesen des Zudenthums und über allen Dogmen der Welt steht. | Finally, the saying of the homelessness of the Son of Man, who does not have where to lay his head, spoken of Jesus in the real world, would have the meagre sense that he had no fixed abode and that his followers would likewise have to do without one – The ideal opposition, on the other hand, which produced the saying and presented it as the expression of freedom from every limiting formula, also imparted to it the revolutionary driving force which lifts the reader beyond consideration of the empirical person of Jesus to that sphere which stands high above the formulaic system of cudentism and above all the dogmas of the world. |
260 | Eben so: hätte Jesus den Spruch vom Todtenreich, in Welchem das geistig Todte neben einander hin und her webt, die Todten ihren Sinn und ihre Kraft nur dem Todten widmen, wirklich an einen Mann gerichtet, der seinen Vater so eben zu bestatten hatte, so würde die Erhebung des Spruches in das Geistige wiederum unmöglich gewesen seyn — dagegen in der Gemeinde entstanden drückt der Spruch in der That die revolutionäre Entsagung auf die abgestorbene Welt und die AbWendung von der erstorbenen Voraussetzung der Gemeinde, dem Judenthum — dem abgeschiedenen Vater der befreiten und selbstständig gewordenen Kinder aus. | Just so: If Jesus had really addressed the saying about the kingdom of the dead, in which the spiritually dead weave back and forth next to each other, and the dead devote their mind and strength only to the dead, to a man who had just had to bury his father, the elevation of the saying into the spiritual would again have been impossible – on the other hand, originating in the congregation, the saying does indeed express the revolutionary renunciation of the dead world and the turning away from the dead prerequisite of the congregation, Judaism – the departed father of the children who have become liberated and independent. |
260/261 | Kurz, Ereignisse, die als wirkliche Begebenheiten im Leben Jesu unmöglich oder bedeutungslos wären, verstehen sich von selbst, wenn sie als Geschöpfe der idealen Anschauung vom Glauben gepflegt und gestützt werden, und werden bedeutungsvoll, wenn sie die Erfahrungen der Gemeinde ausdrücken und den Gläubigen das bieten, was ihnen allein von Interesse war — die Gewißheit des Siegs über das Gesetz, über die geschichtlichen Privilegien und endlich auch über die Natur. Wenn es in der wirklichen Welt nur das Werk des blinden Zufalls gewesen wäre, daß die jüdischen Gegner mit einem Einwurf und Bedenken nach dem andern auftreten und dem Herrn Gelegenheit geben, einen Schlag nach dem andern gegen das Gesetz auszuführen und einen Triumph nach dem andern zu feiern, so ist es vielmehr die reine, durchsichtige und sich von selbst verstehende Nothwendigkeit, die in der idealen Welt, in der der Schöpfer des Berichts und seine gläubigen Leser von vornherein lebten, den Feldzug gegen das Gesetz und dessen privilegirte Träger so geordnet hat, daß Schlag auf Schlag, ein Sieg dem andern folgt. | In short, events that would be impossible or meaningless as real occurrences in the life of Jesus, understand themselves when they are nurtured and supported by faith as creatures of the ideal view, and become meaningful when they express the experiences of the congregation and offer the believers what was of interest to them alone – the certainty of victory over the law, over historical privileges, and finally also over nature. If in the real world it had been only the work of blind chance that the Jewish opponents should appear with one objection and misgiving after another, giving the Lord opportunity to strike blow after blow against the law, and to celebrate triumph after triumph, Rather, it is the pure, transparent and self-evident necessity which, in the ideal world in which the creator of the report and his faithful readers lived from the beginning, ordered the campaign against the law and its privileged bearers in such a way that blow after blow, one victory follows another. |
261 | Nachdem die Gemeinde als den Gewinn ihrer ersten Be- strebungen und als die Siegesbeute ihrer ersten Kämpfe die Ge- wißheit davon getragen hatte, daß in ihrer Freiheit das Gesetz sein Ende gefunden habe, verlangte sie für ihren Sieg die letzte, factische Bestätigung und für ihr Selbstgefühl die letzte Bürg- schaft, — die Gewißheit, daß ihr Stifter ihr im Kampf voran- gegangen sey und in ihrem Interesse schon den Todesstreich gegen das Gesetz ausgeführt habe. Was die Gemeinde haben wollte, der Glaube Verlangte, gab der Schöpfer des Urberichts, d. h. derjenige, der zuerst diese Reihe von glänzenden Schlach- ten, die den zweiten Abschnitt des Marcusevangeliums bilden, entworfen und ausgeführt, der dem revolutionären Kampf die apologetische Wendung, mit der der erste Abschnitt des Marcus- evangeliums *) schließt, vorangeschickt und dem Kampf im dritten Abschnitt seinen nächsten Abschluß gegeben hat. | After the congregation had carried off as the gain of its first endeavours and as the spoils of its first battles the certainty that in its freedom the law had found its end, it demanded for its victory the last, factual confirmation and for its sense of self the last guarantee, – the certainty that its founder had gone ahead of it in the battle and had already carried out the death stroke against the law in its interest. What the community wanted, what faith demanded, was given by the creator of the original report, i.e. the one who first designed and executed this series of brilliant battles that form the second section of the Gospel of Mark, who preceded the revolutionary struggle with the apologetic turn with which the first section of the Gospel of Mark *) closes, and who gave the struggle its next conclusion in the third section. |
261* | *) Der erste Abschnitt nach der Vorgeschichte. | *) The first section after the prehistory. |
261/262 | Obgleich der Glaube, der der Schöpfung des ersten For- mers entgegenkam, in den Gebilden desselben sogleich sein eignes Fleisch und Blut erkannte und ihren Mangel, daß sie ein all- gemeines Interesse durch eine gelegentliche Abfertigung der Geg- ner Jesu vollständig befriedigen wollen, augenblicklich dadurch ergänzte, daß er ihnen wirklich die allgemeine Bedeutung zuge- stand, die sie nach der Absicht ihres Schöpfers haben sollten, so machte sich allmählig doch auch das Gefühl geltend, daß die gelegentlichen Aeußerungen Jesu, die nur für einen einzelnen Fall berechnet sind, die allgemeine Angelegenheit, um die es sich für die Gemeinde handelte, nicht entscheiden können. So bemühte man sich denn, den Widerspruch, den man aus dem Urbericht herausfühlte, zu lösen und die ursprüngliche, plastische Beschränktheit, die der erste Former seiner Darstellung geben mußte, wirklich zu einer Art von Allgemeinheit fortzuführen. Entweder man variirte den Ausspruch Jesu — (so fand Matthäus neben der Berufung auf das Beispiel Davids, mit dem Jesus das Aehrenpflücken seiner Jünger am Sabbath entschuldigte, den Spruch über die Sabbathsarbeit der Priester vor) — oder man bildete den allgemeinen Grundsatz und stellte ihn neben den Gelegenheitsspruch — (so fand Lukas den Spruch von der Ober-Herrlichkeit des Menschensohnes über den Sabbath vor und stellte ihn neben die Berufung auf das Beispiel Davids, fand er auch den Spruch vom neuen Flicken und dem alten Kleide, vom neuen Wein und den alten Schläuchen vor und stellte er ihn neben den Spruch von dem Fasten, so bildete Marcus die Reflexion, daß oer Sabbath um des Menschen willen, nicht der Mensch um des Sabbaths willen gemacht sey, und verband er sie mit dem Spruch von der OberHerrlichkeit des Menschensohns über den Sabbath) — oder man vermehrte die einzelnen Fälle, die dem Herrn nun den Anlaß gaben, sich in neuen Wendungen als Meister der Dialektik und als den Sieger über den gesetzlichen Gegensatz zu beWähren — (so fand Lukas die beiden Sabbathsgeschichten (C. 13, 10 —17. C. 14, 1 — 6) in seinen Quellenschriften vor und fügte er sie mit seinen Zuthaten in seinen samaritischen Reisebericht ein). | Although faith, which met the creation of the first maker, immediately recognized his own flesh and blood in his creations and immediately supplemented their lack of wanting to fully satisfy a general interest by an occasional dispatch of Jesus’ opponents, The feeling gradually arose that the occasional utterances of Jesus, which were only calculated for a single case, could not decide the general matter that was at stake for the congregation. Thus, efforts were made to resolve the contradiction that was perceived in the original report and to continue the original, vivid limitation that the first formator had to give to his account into a kind of generality. Either one varied the saying of Jesus – (thus Matthew found the saying about the Sabbath work of the priests next to the appeal to the example of David, with which Jesus excused the plucking of the ears of his disciples on the Sabbath) – or one formed the general principle and placed it next to the occasional saying – (thus Luke found the saying about the supremacy of the Son of Man over the Sabbath and placed it next to the appeal to the example of David, he also found the saying about the new patch and the old garment, of the new wine and the old wineskins, and placed it beside the saying about fasting, Mark formed the reflection that the Sabbath was made for man’s sake, not man for the Sabbath’s sake, and he connected it with the saying of the supremacy of the Son of Man over the Sabbath) – or one multiplied the individual cases, which now gave the Lord the occasion to prove Himself in new turns as the master of dialectic and as the victor over the legal opposition – (thus Luke found the two Sabbath stories (C. 13, 10 -17. C. 14, 1 – 6) in his source writings and inserted them with his attributions into his Samaritan travelogue). |
262/263 | Wenn aber auch diesen neuen Bildungen der Ruhm zu lassen ist, daß sie oft geistvoll und glücklich sind, so müssen doch die neuen Fälle und Collisionen durch ihre Bauart beweisen, daß sie nur mechanische Nachbildungen und Wiederholun- gen des Urberichts sind, können sie nicht einmal die Absicht, die sie erzeugte, vollständig befriedigen und dem allgemeinen Interesse, dem sie dienen sollen, genug thun. Vieles Einzelne wird nie das Allgemeine — eine Menge einzelne Fälle, und wären es noch so viele, werden niemals, wenn sie immer nur zur Variation auf dasselbe Thema führen, das allgemeine Gesetz, auf dessen Ausdruck es abgesehen war, zur Anschauung bringen. | But even if these new formations are to be credited with often being witty and happy, the new cases and confrontations must prove by their construction that they are only mechanical reproductions and repetitions of the original report, they cannot even fully satisfy the intention that produced them and do enough for the general interest that they are supposed to serve. Many individual things never become the general – a multitude of individual cases, however many they may be, will never, if they always lead only to variation on the same theme, bring to view the general law whose expression was intended. |
263 | Und wie wenig es half, die Variationen der ursprünglichen Lösung der Collision unmittelbar neben einander zu stellen, beweist Matthäus, der des Guten nicht genug thun konnte und die Schätze, die er vorfand, nur in Verwirrung brächte, — beweist selbst Marcus, der seine Reflexion, daß der Mensch, nicht der Sabbath Zweck sey, am unrechten Orte einschob — beweisen sogar die ersten und ältesten Combinationen, die wie z. B. der Spruch von der Oberherrlichkeit des Menschensohns oder von dem Arzt der Kranken nur die Kraft des ursprünglichen Spruches schwächen oder seine Richtung störend durchkreuzen — beweist auch Lukas, der ähnlich wie Matthäus oft das Heterogenste zusammenbrachte, z. B. den Spruch von dem Vorzug, den man dem alten Wein schenkt, — offenbar einen Spruch, der die hartnäckige Anhänglichkeit am Alten erklären soll — unpassend genug (C.5,39) an den Spruch vom neuen Wein und den alten Schläuchen der bloßen Wortähnlichkeit wegen anfügte und auch in der Sabbathsgeschichte (C. 13, 16) der Vertheidigung Jesu, die schon vollständig abgeschlossen war, den fremdartigen Grund anhängte, daß die Kranke als Tochter Abrahams trotz des Sabbaths von ihrer Plage befreit werden mußte. | And how little it helped to place the variations of the original solution of the confrontation directly next to each other is proven by Matthew, who could not do enough good and would only confuse the treasures he found, – is proven even by Mark, who inserted his reflection that man, not the Sabbath, was the purpose, in the wrong place – prove even the first and oldest combinations, which, like the saying of the supremacy of the Son of Man, or of the physician of the sick, only weaken the force of the original saying, or disturbingly cross its direction – is also proved by Luke, who, like Matthew, often brought together the most heterogeneous, e.g. the saying of the preference given to the old wine – obviously a saying intended to explain the stubborn attachment to the old – inappropriately enough (C.5,39 ) to the saying about the new wine and the old wineskins because of the mere similarity of the words, and also in the Sabbath story (C. 13, 16) he added the strange reason to the defence of Jesus, which was already completely finished, that the sick woman, as the daughter of Abraham, had to be freed from her plague in spite of the Sabbath. |
264 | Most variations are made on the theme of the calling of sinners. Luke, i.e. the author of the original Gospel of Luke, which began with the appearance of Jesus in Capernaum, had found the parables of the lost sheep and sheep, and when he included them in his writing, he gave them the unfortunate occasion that ״the Pharisees and scribes grumbled that Jesus accepts sinners and eats with them’ (C. 15, 1 – 10) – the compiler of the present Gospel of Luke added a later variation, the parable of the prodigal son (v. 11-32).
Urlukas also found the story of Zacchaeus in one of his source writings – and it was probably he who first enriched it with several additions that contradict the presupposed situation, hold up the development of the whole and overcrowd the ending. The first creator of this story, who used the blind man of Jericho to make the procession of Jesus through this city quite pompous and to provide the Lord with the entourage of the astonished and praising people, which attracted the attention of the chief tax collector, certainly had the opponents, who grumble about the benevolence of Jesus towards the publican, from the people who followed the miracle-worker in believing zeal on the triumphal procession through Jericho – Luke, on the other hand, who had the narrative ready in front of him and was able to impose his tendency towards the abstract upon it, was only able (C. 19,7), to make everyone murmur about the participation of Jesus for the tax collector and to forget the cheering crowd. |
Most variations are made on the theme of the calling of sinners. Luke, i.e. the author of the original Gospel of Luke, which began with the appearance of Jesus in Capernaum, had found the parables of the lost sheep and sheep, and when he included them in his writing, he gave them the unfortunate occasion that ״the Pharisees and scribes grumbled that Jesus accepts sinners and eats with them’ (C. 15, 1 – 10) – the compiler of the present Gospel of Luke added a later variation, the parable of the prodigal son (v. 11-32).
Urlukas also found the story of Zacchaeus in one of his source writings – and it was probably he who first enriched it with several additions that contradict the presupposed situation, hold up the development of the whole and overcrowd the ending. The first creator of this story, who used the blind man of Jericho to make the procession of Jesus through this city quite pompous and to provide the Lord with the entourage of the astonished and praising people, which attracted the attention of the chief tax collector, certainly had the opponents, who grumble about the benevolence of Jesus towards the publican, from the people who followed the miracle-worker in believing zeal on the triumphal procession through Jericho – Luke, on the other hand, who had the narrative ready in front of him and was able to impose his tendency towards the abstract upon it, was only able (C. 19,7), to make everyone murmur about the participation of Jesus for the tax collector and to forget the cheering crowd. |
264/265 | Mehr als wahrscheinlich ist es auch, daß in der Quelle, aus der Lukas schöpfte, die Antwort Jesu sogleich folgte, nachdem die gesetzlichen Eiferer sich über seine Wegwerfung an den Zöllner aufgehalten hatten — Lukas erst unterbrach den Zusammenhang (V. 8), indem er dazwischen den Zacchäus, noch dazu viel zu prall auftreten*) und den ״Sünder” die Tugenden, die ihn zieren, aufzählen — ״von meinen Gütern gebe ich die Hälfte den Armen” — und sogar das mehr als zweideutige Selbstlob aussprechen ließ, daß er, wenn er Je- manden übervortheilt habe, es vierfach ersetze. | It is also more than likely that in the source from which Luke drew, Jesus’ answer followed immediately after the legal zealots had lingered over his throwing away to the publican – Luke only interrupted the context (v. 8) by interposing the Zacchaeus, much too turgidly at that*) and the ״Sinner’ enumerating the virtues that adorn him – ״Of my goods I give half to the poor” – and even uttering the more than ambiguous self-praise that when he had over-given to someone, he would replace it fourfold. |
265* | *) σταθεὶς δὲ εἶπε πρὸς τὸν Κύριον | *) σταθεὶς δὲ εἶπε πρὸς τὸν Κύριον |
265 | Die Antwort Jesu, die Lukas unpassend genug an Zacchäus gerichtet seyn läßt, ist endlich übcrsüllt, Wenn Jesus vor dem Spruch über seine Sendung zu dem Verlorenen darauf hinweist, daß dem Zacchäus, ״sintemal er auch ein Sohn Abrahams ist”, das Heil gebühre — ja, dieser Zwischensatz ist um so störender, da es eher einem ängstlichen Rückzüge als einem tapfern Angriff auf die Privilegirten des Gesetzes ähnlich aussieht, wenn Jesus seine Erwählung des Zöllners damit rechtfertigt oder vielmehr entschuldigt, daß dieser ja auch — also auch wie die unzufriedenen und neidischen Tadler ein Sohn Abrahams sey.
Die paulinische Kategorie, nach welcher die Gläubigen im geistigen Sinne Kinder Abrahams sind, hat der Compilator sogar so unsicher hingestellt, daß er es unklar gelassen hat, ob Zacchäus als wirklicher Sohn Abrahams nicht zu den Ver– lorenen gehören könne, ob er also eben so wie jene Tochter Abra- Hains C. 13, 16 die Theilnahme des Herrn verdiene, oder ob er erst durch seinen Glauben sich trotz seiner heidnischen Abkunft als einen Sohn Abrahams bewährt habe. |
The answer of Jesus, which Luke has inappropriately enough addressed to Zacchaeus, is finally overstated when Jesus, before speaking of his mission to the lost, points out that Zacchaeus, ״since he is also a son of Abraham’, is entitled to salvation, Yes, this interjection is all the more disturbing, since it looks more like a fearful retreat than a brave attack on the privileged of the law when Jesus justifies or rather excuses his election of the tax collector by saying that he is also – that is, like the discontented and envious blamers – a son of Abraham.
The Pauline category, according to which the faithful are children of Abraham in the spiritual sense, is even so uncertain that the compiler has left it unclear whether Zacchaeus, as a real son of Abraham, could not belong to the lost, whether he, like the daughter of Abraham C. 13, 16, deserved the Lord’s participation, or whether he had only proven himself to be a son of Abraham through his faith, despite his pagan origin. |
265/266 | Tertullian, der die Antwort Jesu (V. 9.10) wörtlich anführt, erwähnt zwar nicht des Zwischensatzes: ״sintemal auch er ein Sohn Abrahams ist” — allein die Erwähnung des Hauses: ״heute ist diesem Hause Heil widerfahren”, verlangt diese Aussüllung des ersten Theils der Antwort Jesu und würde zu kahl und sinnlos dastehen, wenn nicht die Bemerkuug folgte, daß in diesem Hause auch ein Sohn Abrahams wohnt. Wenn auch Tertullian diesen Zwischensatz nicht erwähnt, so las er ihn doch so gut wie — der Vierte, der der Geschichte vom Zacchäus seine Erzählung vom Nathanael nachgebildet hat. Der Baum, auf dem Jesus den gläubigen Zacchäus erblickte, ist im vierten Evangelium zum Baum geworden, unter dem Jesus den Nathanael als den Seinigen erkannte — das Heil, welches Jesus dem Zöllner ankündigt, ist im vierten Evangelium zum Heil geworden, dessen Quell den Jüngern eröffnet ist — wie der Jesus des Lukas den Zöllner als Sohn Abrahams in den Kreis der Seinigen aufnimmt, so begrüßt der Jesus des Vierten den Nathanael als einen wahren Jsraeliten. | Tertullian, who quotes Jesus’ answer (v. 9.10) verbatim, does not mention the interjection: ״since he too is a son of Abraham’ – but the mention of the house: ״today salvation has come to this house’, requires this filling in of the first part of Jesus’ answer and would look too bare and meaningless if it were not followed by the remark that a son of Abraham also dwells in this house. Although Tertullian does not mention this interjection, he read it as well as – the Fourth, who modelled his narrative of Nathanael on the story of Zacchaeus. The tree on which Jesus saw the believing Zacchaeus has become in the Fourth Gospel the tree under which Jesus recognised Nathanael as his own – the salvation which Jesus announces to the publican has become in the Fourth Gospel the salvation whose source is opened to the disciples – as the Jesus of Luke welcomes the publican as the son of Abraham into the circle of his own, so the Jesus of the Fourth welcomes Nathanael as a true Israelite. |
266 | So viel für jetzt genug über die Variationen, die auf den Spruch des Urberichts von der Berufung der Sünder gemacht sind, — in der Parabel von der Hochzeit, zu der die Gäste von den Straßen und von den Zäunen her geholt werden, so wie in den Parabeln von der Umkehrung des Rangverhältnisses zwischen den Ersten und Letzten werden wir gleichfalls Variationen auf denselben Spruch kennen lernen, die der Urbericht alle noch nicht kannte. | So much for now about the variations made on the original report’s saying about the calling of sinners – in the parable of the wedding, to which the guests are brought from the streets and from the fences, as in the parables about the reversal of the ranking between the first and the last, we will also become acquainted with variations on the same saying, all of which the original report did not yet know. |
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266 | Zum Schluß werfen wir noch auf die Vertheidigungsrede, mit welcher Jesus den Vorwurf des Teufelsbündnisses zurück- weist, einen Blick, da die Berührungen zwischen den drei synoptischen Berichten und ihre Differenzen für die Bildung unsers Urtheils über ihr gegenseitiges Verhältniß von Wichtigkeit sind. | Finally, we will take a look at the speech in defence with which Jesus rejects the accusation of the alliance with the devil, since the contacts between the three synoptic accounts and their differences are important for the formation of our judgement about their mutual relationship. |
267 | In der Schrift des Marcus ist der Beweis, mit dem Jesus die Ungereimtheit des Vorwurfs nachweist, kurz, einfach, schlagend und erschöpfend: — auf den Satz, daß der Satan sein eignes Interesse gewiß so weit verstehen und sich nicht zum Untergang seines Reiches gegen sich selbst verschwören werde, folgt der andere, der auf die Bedingungen verweist, die der Gegner des Satan, um mit Erfolg zu kämpfen, erfüllen müsse: — er muß den Starken zuvor fesseln, ehe er daran denken kann, sein Haus einzunehmen und zu plündern (Marc. 3, 24—27).
Matthäus hat dagegen die Beweisführung, wiederum über- füllt, also auch in Verwirrung gebracht und geschwächt, wenn er zwischen diese beiden Argumente noch zwei andere einschiebt, die selbst wieder mit einander im Hader liegen und von ihrer Umgebung ausgeschlossen werden, so wie sie die Beweiskraft derselben in Zweifel ziehen. |
In the writing of Mark, the proof by which Jesus proves the inconsistency of the accusation is short, simple, striking, and exhaustive: – The proposition that Satan will certainly understand his own interest so far, and will not conspire against himself to the ruin of his kingdom, is followed by another, which refers to the conditions which Satan’s adversary, in order to fight with success, must fulfil: – he must first bind the strong man, before he can think of taking and plundering his house (Mark 3, 24-27).
Matthew, on the other hand, has overfilled the argument, and thus also confused and weakened it, when he inserts between these two arguments two others, which are themselves at odds with each other and are excluded from their surroundings, just as they cast doubt on their evidential value. |
267/268 | Sie liegen mit einander in Hader: — denn ruft Jesus, nachdem er an das eigene Interesse des Satan erinnert, die Kinder der Juden als Richter auf, ob sie etwa auch durch Beelzebub die Dämonen austreiben und zieht er dann aus dem Vordersatz, daß er nur im Geist Gottes die Dämonen austreiben könne, den Schluß, daß also auch das Reich Gottes herbeigekommen sey (Matth. 42, 27. 28), so würde dieser Vordersatz dann erst wirkliche Beweiskraft besitzen, wenn vorher ausgeführt wäre, daß die Kinder der Juden im Geist Gottes die Dämonen austreiben und daß er, Jesus, selbst also auch nur in der Kraft des göttlichen Geistes mit dem Satan kämpfe — aber dieser Beweis ist nicht geführt und wenn er geführt wäre, so würde seine Beweiskraft viel zu weit, würde sie über die Schlußfolge hinausreichen und vielmehr den Satz zur Folge haben, daß der Kampf, den die Kinder der Juden mit den Dämonen bestanden, schon vor dem Auftreten Jesu die Ankunft des Reiches Gotles bewiesen habe. | They are at odds with each other: – for if Jesus, after recalling Satan’s own interest, calls upon the children of the Jews as judges, whether they also cast out demons through Beelzebub, and if he then draws the conclusion from the prefix that he can only cast out demons in the spirit of God, that therefore also the kingdom of God has come (Matth. 42, 27. 28), then this proposition would only have real probative force if it were stated beforehand that the children of the Jews cast out demons in the Spirit of God and that He, Jesus, Himself, therefore also only fought with Satan in the power of the divine Spirit – But this proof is not given, and if it were given, its conclusive force would be far too great, it would go beyond the conclusion, and would rather result in the proposition that the struggle which the children of the Jews had with the demons had already proved the coming of the kingdom of God before the appearance of Jesus. |
268 | Las Einschiebsel streitet wider seine Umgebung und wird von ihr als ein fremder Eindringling ausgeschieden: — denn ist der Satz, daß Jesus durch den Geist Gottes die Dämonen aus- treibe, bereits aufgestellt und durch die Hinweisung auf die Mischen Teufelsbanner gesichert, so brauch er nicht erst durch das Schlußargument von der Entwaffnung des Starken bewiesen zu werden. Dieses Schlußargument ist also durch das Einschiebsel überflüsstg gemacht und es selbst gibt sich das Ansehn, als komme es erst auf seinen Beistand an, daß jener Satz sich halten könne.
In der Schrift des Lukas (C. 11, 17—22) findet sich dieselbe Ueberfüllung, folgt auch wie in der Schrift des Matthäus auf den Spruch von der Entwaffnung des Starken der Spruch: ״wer nicht mit mir ist, ist wider mich und wer nicht mit mir sammlet, der zerstreuet” (Luk. 11, 23. Matth. 12, 30) — d. h. ein Spruch, der aus dem Zusammenhang vollständig Heraustritt, da er weder auf das Verhältniß Jesu zum Satan, noch auf das Verhältniß der Pharisäer zu Jesus paßt, die letzteren zumal als entschiedene Gegner aufgetreten waren. |
The interpolation argues against its surroundings and is eliminated by them as a foreign intruder: – for if the proposition that Jesus casts out demons by the Spirit of God has already been established and secured by the reference to the mixed devil’s banners, it need not first be proved by the concluding argument of the disarming of the strong. This concluding argument is thus rendered superfluous by the interpolation, and it gives itself the appearance as if it depended on its support for the proposition to hold good.
In the scripture of Luke (C. 11, 17-22) the same overfilling is found, also like in the scripture of Matthew the saying about the disarming of the strong is followed by the saying: ״whoever is not with me is against me, and whoever does not gather with me scatters’ (Luk. 11, 23. Matth. 12, 22). 11, 23. Matth. 12, 30) – i.e. a saying that is completely out of context, since it neither fits the relationship of Jesus to Satan, nor the relationship of the Pharisees to Jesus, who were the decisive opponents of the latter. |
268/269 | Der Zufall kann es nicht bewirken, daß zwei Schriftsteller dieselben Gedanken, die sich bekämpfen und ausschließen oder einander vollständig fremd sind, zusammenbringen. Entweder mußte ihnen eine gemeinsame Quellenschrift vorliegen oder einer von dem andern abhängig seyn. Aber hier handelt es sich um ein großes, weit reichendes Versehn, welches sich nur in den Schriften des Lukas und Matthäus vorfindet und von dem wir sonst nirgends noch eine Spur antreffen; das Versehen, außer der Verbindung heterogener Sprüche, die Combination der Zeichenforderung und des Vorwurfs des Teufelsbündnisses, ist so singulär, daß nur Einer von diesen beiden Compilatoren der erste Urheber seyn kann; nur in dessen Schrift ist es ursprünglich, wo es erklärlich ist und mit der Composition des Ganzen in Zusammenhang steht. | Coincidence cannot cause two writers to bring together the same thoughts that oppose and exclude each other or are completely foreign to each other. Either they had to have a common source script or one had to be dependent on the other. But here we are dealing with a great, far-reaching accident which is found only in the writings of Luke and Matthew and of which we find no trace anywhere else; the accident, apart from the combination of heterogeneous sayings, the combination of the demand for a sign and the accusation of the alliance with the devil, is so singular that only one of these two compilers can be the first author; only in his writing is it original, where it can be explained and is connected with the composition of the whole. |
269 | Aber nur Lukas — das zeigte sich uns bereits — hatte einen Grund dazu, jene beiden Begebenheiten mit einander zu verbinden; — Lukas ferner, der ein so großes Gewicht darauf legt, daß die Siebenzig der teuflischen Geister Herr wurden, war im Stande, den Herrn aus seiner Uebermacht über die Teufel die Ankunft des Reiches Gottes beweisen zu lassen — Lukas nur, der sich für den Kamps mit den teuflischen Geistern so lebhaft interessirt, konnte sich in dem Augenblick, wo der Herr sich wegen dieses Kampfes rechtfertigt, jenes Vorfalls erinnern, daß Johannes seinem Meister von einem Unbekannten meldete, der auch in seinem Namen Teufel austrieb (Luk. 9, 49. 50), und daraus die Berufung auf die Kinder der Juden bilden, die auch mit den Dämonen kämpfen — Lukas erst hat aus der Antwort, die Jesus dem Johannes gab: ״wer nicht wider uns ist, ist für uns” das Gegenstück gebildet ״ ׳ wer nicht mit mir ist, ist wider mich.”
Lukas ist der Urheber des Versehens — Matthäus schrieb ihm nach und beweist sich auch dadurch als der Spätere, daß er (C. 12,33—37) auf eigene Hand noch eine Menge Sprüche, die mit dem vorausgesetzten Anlaß durchaus Nichts zu thun haben, zusammengescharrt hat, und sogar erst nach der Zeichenforderung und unmittelbar nach der abweisenden Antwort Jesu (V. 43—45) den Spruch von der Rückkehr der unsaubern Gei- ster nachbringt, den Lukas (C. 11, 24 — 26) sogleich auf die Vertheidigung gegen den Vorwurf des Leufelsbündnisses folgen läßt — wenigstens sogleich, obgleich er auch mit dieser Vertheidigung Nichts zu thun hat. |
But only Luke – as we have already seen – had a reason to connect these two events with each other; – Luke, moreover, who lays so much stress on the fact that the seventy became masters of the devilish spirits, was able to let the Lord prove the coming of the kingdom of God from his superiority over the devils. Only Luke, who was so interested in the battle with the devilish spirits, could, at the moment when the Lord justified himself because of this battle, remember the incident that John reported to his Master about a stranger who also cast out devils in his name (Luk 9, 49. 50), and from this form the reference to the children of the Jews, who were also in contact with the demons. 9, 49. 50), and from this form the appeal to the children of the Jews, who also fight with the demons – Luke first has from the answer which Jesus gave to John: ״He who is not against us is for us” formed the counterpart ״ ׳ he who is not with me, is against me.”
Luke is the author of the oversight – Matthew copied him and also proves himself to be the later one by the fact that he (C. 12,33-37), on his own hand, still has scraped together a lot of sayings that have absolutely nothing to do with the presupposed occasion, and even only after the demand for a sign and immediately after the rejecting answer of Jesus (v. 43-45) the saying about the return of the unclean spirits, which Luke (C. 11, 24 – 26) immediately follows the defence against the accusation of the alliance of devils – at least immediately, although it also has nothing to do with this defence. |
269/270 | Matthew always does too much of a good thing. Before this time he follows up the speech of denial, which he borrows from Luke, with his new treasure trove of sayings, he gives (C-12, 31. 32) the saying about the blasphemy of the Holy Spirit – first with the general contrast that all sins and blasphemies are forgiven, only the blasphemy against the Spirit is not, then with the specific contrast of the blasphemy of the Son of Man and the Holy Spirit – but why the same thing twice? Why not at once the first time the full, all-satisfying contrast? Only one thing is possible: he must have had two writings before his eyes – one must have linked the general opposition directly to the defence against the accusation of the alliance with the devil, the other must have offered him the full opposition, and he himself must have been so dependent on both and so unskilled in writing that he placed both forms of opposition next to each other. | Matthew always does too much of a good thing. Before this time he follows up the speech of denial, which he borrows from Luke, with his new treasure trove of sayings, he gives (C-12, 31. 32) the saying about the blasphemy of the Holy Spirit – first with the general contrast that all sins and blasphemies are forgiven, only the blasphemy against the Spirit is not, then with the specific contrast of the blasphemy of the Son of Man and the Holy Spirit – but why the same thing twice? Why not at once the first time the full, all-satisfying contrast? Only one thing is possible: he must have had two writings before his eyes – one must have linked the general opposition directly to the defence against the accusation of the alliance with the devil, the other must have offered him the full opposition, and he himself must have been so dependent on both and so unskilled in writing that he placed both forms of opposition next to each other. |
270 | Den vollen Gegensatz konnte er so gut der Schrift des Lukas (C- 12, 10) wie andern seiner Duellen, den allgemein gehaltenen Gegensatz dagegen nur einer Schrift entlehnen, die, um es immer noch vorsichtig auszudrücken, den Spruch mit jener Vertheidigungsrede bereits verbunden und ihm die allgemeine Haltung gegeben hatte, die ihm ursprünglich fremd war.
Diese Schrift mußte also der des Marcus gleichen (Marc. 3, 28. 29). |
He could borrow the full contrast as well from Luke’s writing (C- 12, 10) as from others of his duels, but the general contrast could only be borrowed from a writing that, to put it still carefully, had already connected the saying with that speech of defence and had given it the general attitude that was originally foreign to it.
This writing must therefore have resembled that of Mark (Mark 3, 28. 29). |
270/271 | Ursprünglich enthielt der Spruch den speciellen Gegensatz, der sich in der Schrift des Lukas in seiner Reinheit erhalten hat. Selbst Marcus muß diese ursprüngliche Form verrathen, da seine zwecklose Umschreibung, daß den ״Menschenkindern”*) alle Sünden vergeben werden, sich nur aus dem Umstand erklären läßt, daß ihm ein Spruch vor Augen lag, in dessen erstem Glied vom Menschensohn die Rede ist. | Originally, the saying contained the specific contrast which has been preserved in its purity in Luke’s writing. Even Mark must have betrayed this original form, since his purposeless paraphrase, that the ״children of men’*) are forgiven all sins, can only be explained by the fact that he had a saying in mind, the first part of which speaks of the Son of Man. |
270* | *) τοῖς υἱοῖς τῶν ἀνθρώπων. | *) τοῖς υἱοῖς τῶν ἀνθρώπων. |
271 | Ursprünglich gehörte dieser Spruch auch nicht zur Verthei- digung gegen den Vorwurf des Teufelsbündnisses, denn diese ist in den vorhergehenden Sprüchen längst abgeschlossen und kein Wink führt in denselben darauf hin, daß Jesus, nachdem er sich rein an das Sachliche gehalten, nun auch einen Spruch nach- schicken wolle, ja auch nur nachschicken könne, der sogar das Vergehen, dessen sich die Gegner mit ihrer Anklage gegen ihn schuldig gemacht hatten, als ein geringeres und verzeihliches dem äußersten aller Vergehen unterordnen solle.
Ursprünglich sollte Jesus die Gegner schlagen — sie nieder- werfen, das war das Einzige, was er thun konnte. Er hatte sie sogar vollständig geschlagen, wenn er aus dem eigenen Interesse des Satan die Sinnlosigkeit der Anklage, die Un- Möglichkeit seines Bündnisses mit dem Satan nachgewiesen hatte. Das war genug und es ist sogar wahrscheinlich, daß auch der Spruch von dem Kampf mit dem Starken erst später entstanden und einer jener Zusätze ist, die schon sehr früh zu den schlagen- den Pointen des Urberichts hinzugefügt sind. |
Originally, this saying did not belong to the defence against the accusation of the alliance with the devil, for this has long since been concluded in the preceding sayings and there is no hint in them that Jesus, after keeping purely to the facts, now also wanted to send a saying, indeed could only send one, which should even subordinate the offence of which the opponents had made themselves guilty with their accusation against him as a lesser and forgivable one to the most extreme of all offences.
Originally Jesus was supposed to beat the opponents – to throw them down, that was the only thing he could do. He had even beaten them completely, when he had proved, from Satan’s own interest, the futility of the accusation, the impossibility of his alliance with Satan. That was enough, and it is even probable that the saying about the fight with the strong man came later and is one of those additions that were added very early to the punch lines of the original report. |
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Neil Godfrey
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