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1.Das erste Auftreten Jesu in Galilaa. |
1.The first appearance of Jesus in Galilee. |
57 | Die Frage nach dem gegenseitigen Verhältniß der synoptischen Evangelien tritt jetzt in ein neues Stadium. Die Data zu ihrer Beantwortung werden reicher und bestimmter und mit ihrer Hilfe wird auch die Lösung sicherer werden.
Wenn sich einzelne Nachlässigkeiten in den Darstellungen des Lukas uns Matthäus nur aus der nachlässigen Benutzung eines Berichts erklären ließen, der wörtlich mit den parallelen Stellen des jetzigen Marcusevangeliums übereinstimmte, so begnügten wir uns bisher mit diesem Ergebniß und gingen wir noch nicht so weit, den Schluß zu ziehen, daß jene beiden Synoptiker eben dasselbe Marcusevangelium, welches wir jetzt noch besitzen, benutzt haben. |
The question of the mutual relationship of the synoptic gospels now enters a new stage. The data to answer it will become richer and more definite, and with their help the solution will also become more certain.
If some carelessness in the accounts of Luke and Matthew could only be explained by the careless use of an account that literally corresponded to the parallel passages of the present Gospel of Mark, we have so far been content with this result and have not yet gone so far as to conclude that those two Synoptics used the very same Gospel of Mark that we still possess. |
57/58 | Auch in der Folge werden sich Lukas und Matthäus sehr oft noch ähnliche Nachlässigkeiten zu Schulden kommen lassen und wird die correcte Gliederung der Berichte des Marcus sich als das ursprüngliche Ebenmaaß ausweisen, welches jene beiden nicht mehr zu würbigen wußten — die Berichte des Lukas und Matthäus werden nicht selten von schreienden Widersprüchen zerrissen werden, indem diese beiden Synoptiker mit den neuen nteressen, die sie verfosgen, Voraussetzungen, die ihnen gegeben sind, nicht in Einklang bringen können — Beide werden ihre neuen Anschauungen durch Anklänge, die nur in den Berichten des Marcus harmonisch verarbeitet sind, unterbrechen und die Bruchstücke einer Composition, von der sie abhängig sind, durch die Verbindung mit ihren neuen Arbeiten in ein fremdes Element versetzen — aber auch alle diese Nachlässigkeiten, Widerspräche und Ungereimtheiten, welche die Erzeugnisse des Lukas und Matthäus zu taumelnden und haltlosen Gestalten machen und mit zwingender Nothwendigkeit auf die vollkommene Grup-pirung und die harmonische Uebereinstimmung der Berichte des Marcus zurückweisen — Alles das soll uns immer noch nicht das Necht zur Behauptung geben, daß jene Beiden das jetzige Marcusevangelium vor Augen hatten — wir werden uns vielmehr immer noch mit dem Ergebniß begnügen, daß sie Berichte benutzt haben, die mit denen des gegenwärtigen Marcusevange-liums wörtlich übereinstimmten. | Also in the following Luke and Matthew will very often be guilty of similar carelessness and the correct structure of the reports of Mark will prove to be the original level, which those two did not know to dignify anymore – the reports of Luke and Matthew will not seldom be torn apart by screaming contradictions, in that these two synoptists will not be able to reconcile with the new nterests that they compose, presuppositions that are given to them – Both will interrupt their new views by echoes that are harmoniously processed only in the reports of Mark, and the fragments of a composition, But also all these carelessnesses, contradictions and inconsistencies, which turn the products of Luke and Matthew into staggering and unsupportable figures and point back with compelling necessity to the perfect grouping and the harmonious agreement of the reports of Mark – All this should still not give us the right to assert, that those two had the present Gospel of Mark in mind – we will rather still be content with the result that they used reports which literally corresponded to those of the present Gospel of Mark. |
58 | Eine ganz andere Gestalt gewinnt aber die Angelegenheit, wenn der Verlauf der Untersuchung uns über die Gränzen der einzelnen Berichte hinausführt und uns nöthigt, die Verbindung und den Zusammenhang derselben ins Auge zu fassen. | However, the matter takes on a completely different form when the course of the investigation leads us beyond the boundaries of the individual reports and requires us to consider their connection and context. |
58/59 | Wenn sich dann zeigt, daß nur in der Schrift des Marcus die Aufeinanderfolge der einzelnen Begebenheiten angemessen mo-tivirt ist, die Berichte sowohl innerlich mit einander zusammenhängen als auch schriftstellerisch correct zusammengefügt sind — daß die einzelnen Gruppen der Berichte für sich allein richtig abgeschlossene Gestalten bilden und ihr inneres Ebenmaaß sich durch seine eigene Natur und Gewalt zum Ebenmaaß erweitert, welches wieder die einzelnen Gruppen fast zu einer Art von Kunstwerk zusammenschließt — wenn nur in der Schrift des Marcus wirkliche Herrschaft über den Stoff sich zeigt, die Ge-sammtanlage richtig durchgeführt wird, das Frühere mit der fortschreitenden Verwicklung und Lösung der Katastrophe in der That zusammenhängt und die spateren Verwicklungen sich als die nothwendigen Steigerungen der früheren geltend machen, — wenn nur hier also der Kampf der Partheien, die Collision der neuen Freiheit mit der alten Satzung naturgemäß fortschreitet, sich steigert und die Ueberlegenheit der neuen Macht durch immer bedeutsamere Offenbarungen sich zum letzten Triumph vollendet — und wenn dann in den Schriften des Lukas und Matthäus nur entstellte Anklänge an diese Harmonie sich finden — An-klänge, die sich den Beiden nur aufgedrungen haben und die in ihren Schriften durch die Zusammenfügung mit neuen Wendun-gen zu Dissonanzen werden — dann steht es fest, daß die Ge-schichtsdarstellung des Lukas und Matthäus ein Werk voraus-setzt, dessen einzelne Berichte nicht nur mit den Parallelen des Marcusevangeliums wörtlich übereinstimmten, sondern welches auch genau dieselbe Anordnung, denselben Plan, denselben Prag-matismus hatte — kurz, das jetzige Marcusevangelium war, wenn wir zunächst von einigen Bestandtheilen desselben absehen, die sich als spätere Interpolationen verrathen. | When it is then shown that only in the writing of Mark is the sequence of the individual events appropriately motivated, that the accounts are both internally connected with each other and that they are correctly joined together in writing – that the individual groups of accounts form properly self-contained figures on their own and that their inner level is expanded to a level by its own nature and force, which again unites the individual groups almost to a kind of work of art – if only in the writing of Mark real mastery over the material shows itself, the collective arrangement is correctly carried out, the earlier is in fact connected with the progressive entanglement and solution of the catastrophe, and the later entanglements assert themselves as the necessary intensifications of the earlier ones – If only here the struggle of the parties, the collision of the new freedom with the old constitution naturally progresses, increases and the superiority of the new power completes itself to the last triumph by more and more significant revelations – and if then in the writings of Luke and Matthew only distorted echoes of this harmony are found – echoes which have only imposed themselves on the two and which become dissonances in their writings by the combination with new turns – then it is certain, that the historical account of Luke and Matthew presupposes a work whose individual reports not only literally corresponded to the parallels of the Gospel of Mark, but which also had exactly the same arrangement, the same plan, the same pragmatism – in short, the present Gospel of Mark, if we first disregard some parts of it, which betray themselves as later interpolations. |
59 | Auch eine andere Frage wird jetzt ihre Lösung erhalten. | Another question will now also receive its solution. |
59/60 | Wenn Lukas und Matthäus in einzelnen Berichten über-einstimmen, so können sie dieselben Quellen benutzt haben.
Auch die Uebereinstimmung des Pragmatismus, mit dem sie einzelne Begebenheiten zu einer Gruppe verbinden, ganze Grup-pen endlich aneinanderschließen, kann aus der Benutzung der-selben Quelle abgeleitet werden — sogar auch dann noch, wenn der Eine von Beiden die Schrift des Andern kannte. Wenn sich aber in Beider Schriften an derselben Stelle dieselbe Nach-lässigkeit, dasselbe Versehen, dieselbe Dissonanz findet — wenn sie öfter dasselbe Ungeschick sich zu Schulden kommen lassen — wie dann? Natürlich muß dann Einer von ihnen die Schrift des Andern benutzt haben. Aber wer war der Spätere? Der Vergleich ihrer Schriften wird die Antwort geben. Derjenige war der Spätere, dessen Versehen in der Anordnung, dessen Fehler im Pragmatismus nur als Fortbildung des früheren Versehens, als Steigerung des früheren Fehlers erklär-lieh sind. Auch auf dem Gebiet der Versehen, der Fehler und Dissonanzen giebt es Ursprünglichkeit und Abhängigkett. |
If Luke and Matthew agree in single reports, they can have used the same sources. Also the agreement of the pragmatism, with which they connect single incidents to a group, whole groups finally, can be derived from the use of the same source – even then, if the one of both knew the writing of the other. But if the same carelessness, the same oversight, the same dissonance is found in the same place in both writings – if they are often guilty of the same clumsiness – how then? Of course, then one of them must have used the writing of the other. But who was the later? The comparison of their writings will give the answer. The one was the later, whose oversight in the arrangement, whose error in pragmatism can only be explained as a further development of the earlier oversight, as an increase of the earlier error. Also in the field of oversights, errors and dissonances there is originality and dependence. |
60 | Noch Eine Angelegenheit wird jetzt ihre Entscheidung finden: — der ursprüngliche Kern des Lukasevangeliums wird sich jetzt von dem spätern Zusatz absondern, — es wird sich wenig« stens zeigen, welches der Anfang jener Schrift war, die der Eomponist des gegenwärtigen Lukasevangeliums seiner Compila-tion zu Grunde legte und Marcion in ihrer Ursprünglichkeit benutzt hat. | Another matter will now find its decision: – the original core of the Gospel of Luke will now be separated from the later addition, – it will at least be shown which was the beginning of that scripture, which the composer of the present Gospel of Luke based his compilation on and which Marcion used in its originality. |
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60/61 | Ehe wir zu diesem wichtigen Entscheidungspunkte übergehen, haben wir darauf zu achten, wie Matthäus (C. 4, 12) die Nachricht von der Gefangensetzung des Täufers als das Motiv bezeichnet, welches Jesum bewog, sich nach Galiläa zurück zu begeben und öffentlich aufzutreten, — d. h. augenblicklich, nachdem den Täufer sein unglückliches Schicksal getroffen hatte, gerade im Gebiet und unter den Augen desselben Fürsten aufzutreten, der so eben den Vorläufer außer Thätigkeit gesetzt hatte. Matthäus hat es nämlich dahin gebracht, daß Jesus so handelt, als wolle er voreilig und muthwillig die Gefahr herausfordern, indem er den Bericht des Marcus (C. 1, 14), ״nachdem aber Johannes überantwortet war, kam Jesus nach Galiläa”, nicht bloß abschrieb, sondern auch mit einer Bestimmt-heit, die ihm höchst natürlich erschien und von deren Jnconve-nienz er Nichts ahndete, bereicherte. Beides, was für die un-befangene Anschauung des Marcus überhaupt nur zusam-wen fiel, — daß der Täufer so eben ins Gefängniß gefetzt war und Jesus nach Galiläa geht und dort auftritt, — ver-bindet Matthäus durch die Reflexion, daß die Nachricht von dem unglücklichen Ende seines Vorläufers für Jesum das Mo-tiv gewesen sey, in Galiläa aufzutreten. | Before we proceed to this important point of decision, we have to pay attention to how Matthew (C. 4, 12) describes the news of the imprisonment of the Baptist as the motive that moved Jesus to go back to Galilee and appear in public, i.e. immediately after the Baptist had met his unfortunate fate, to appear in the very territory and under the eyes of the same prince who had just put the forerunner out of action. Matthew has made it so that Jesus acts as if he wanted to challenge the danger prematurely and wantonly, by not only copying the report of Mark (C. 1, 14), ״but after John was delivered, Jesus came to Galilee’, but also enriching it with a determination that seemed to him most natural and of which he did not suspect anything. Both, which for the unbiased view of Mark only coincided at all, – that the Baptist had just been thrown into prison and Jesus goes to Galilee and appears there, – Matthew connects by the reflection that the news of the unhappy end of his forerunner had been the motive for Jesus to appear in Galilee. |
61/62 | Wenn aber die Anschauung des Marcus unbefangen scheint, ist sie es wirklich? Ist sie nicht auch aus einer sehr bestimm-ten und sogar bei weitem absichtlicheren Reflexion hervorgegangen, als diejenige war, die das Versehen des Matthäus erzeugte?
Das Neflexionswerk des Vierten, wonach der Täufer noch län-gere Zeit neben Jesu wirkte, ist zwar für uns gefallen und der Verdacht, daß die ideale Anschauung, wonach der Morgenstern untergehen mußte, als die Sonne des Heils aufgehen sollte, die Gefangensetzung des Täufers zurück, nämlich vor das Auftreten Jesu geschoben haben könne, hat dadurch seinen einzi-gen Anlaß verloren, — aber ist nun nicht der entgegengesetzte Fall möglich? Kann nicht die Voraussetzung, daß das Heils-werk durch die Wassertaufe des Johannes vorbereitet sey und beides innerlich Zusammenhänge, auch den äußeren Zu-sammenhang geschaffen haben, daß Jesus unmittelbar nach der Gefangensetzung des Täufers aufgetreten sey? Doch was fragen wir! Auch das Werk der synoptischen Anschauung, die Taufe Jesu und seine Versuchung, existirt für uns nicht mehr — wenn die Wassertaufe des Johannes in der Taufe Jesu ihren letzten Zweck erfüllte und ihre Spitze erreichte, so existirt auch diese ihre geschichtliche Vollendung für uns nicht mebr ״— die Harmonie, die die evangelische Anschauung im persönlichen Zusammentreffen Jesu und des Täufers zu schaffen glaubte, bat sich für uns in die bei weitem gründlichere Harmo-nie aufgelöst, welche die Wirkliche Geschichte bewirkte, als sie den Täufer mit seiner Predigt und seinem Symbol auftreten ließ, ohne daß er wußte, welches die Krisis seyn würde, die er mit seinem Werk einleitete — wenn daher Alles Einzelne, was der evangelischen Anschauung bezeugte, daß der innere Zu-sammenhang zwischen dem Vorläufer und dem Hell der Ge-meinde sich auch in der unmittelbaren chronologischen Aufeinan-derfolge des Täufers und Jesu ausgedrückt habe, für uns ge-fallen ist, so können wir auf den Bestand des Ganzen nicht mehr rechnen — das Ganze ist vielmehr ideales Werk — erst die spätere Anschauung hat den Vorläufer und den Messias so nahe an einander gerückt, daß dieser sogleich nach der Gefangensetzung des Ersteren auftreten mußte. Ein Zwischen-räum zwischen Beiden schien dieser Anschauung unerträglich, also auch unmöglich. |
But if the view of Mark seems impartial, is it really so? Is it not also the result of a very definite and even far more intentional reflection than that which produced the oversight of Matthew? The reflection of the Fourth Gospel, according to which the Baptist worked beside Jesus for a longer time, has indeed fallen for us, and the suspicion that the ideal view, according to which the morning star had to set when the sun of salvation was to rise, could have pushed back the imprisonment of the Baptist, namely before the appearance of Jesus, has thereby lost its only cause, – but is not now the opposite case possible? Can not the presupposition that the work of salvation is prepared by the water baptism of John, and that both are internally connected, also have created the external connection that Jesus appeared immediately after the imprisonment of the Baptist? But what do we ask! Also the work of the synoptic view, the baptism of Jesus and his temptation, does not exist for us anymore – if the water baptism of John fulfilled its last purpose in the baptism of Jesus and reached its peak, so also this its historical completion does not exist for us ״- the harmony, which the evangelical view thought to create in the personal meeting of Jesus and the Baptist, asked itself to be dissolved for us into the by far more thorough harmony which Real History brought about when it let the Baptist appear with his sermon and his symbol without his knowing, If, therefore, everything that testified to the evangelical view that the inner connection between the forerunner and the light of the community was also expressed in the immediate chronological succession of the Baptist and Jesus, If the inner connection between the forerunner and the light of the church is expressed in the immediate chronological succession of the Baptist and Jesus, we can no longer count on the existence of the whole – the whole is rather an ideal work – only the later view has brought the forerunner and the Messiah so close to each other that the latter had to appear immediately after the imprisonment of the former. An intermediate space between the two seemed unbearable to this view, thus also impossible. |
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62 | Nun diejenige Verwirrung im Bericht des Matthäus, die uns zum Evangelium des Lukas führt! | Now the confusion in the report of Matthew, which leads us to the Gospel of Luke! |
62/63 | Zweimal läßt er Jesum nach Galiläa kommen und zwar das erstemal so, daß er nach der Versuchung dorthin zurückkehrte*), das zweitemal vermittelst seiner Uebersiedelung von Nazareth nach Kapernaum**) — nach der Voraussetzung, die der ersten Wendung zu Grunde liegt, ist Jesus bereits in Ga-liläa zu Hause und begiebt er sich nach der Versuchung in seine Heiinath zurück, was damit übereinstimmt, daß er C. 3, 13 aus Galiläa nach dem Jordan sich begeben hatte, als er zum Johannes zur Taufe ging — nach der zweiten Voraussetzung, muß er sich von Nazareth nach Kaperna um begeben, damit die Weissagung des Propheten von dem Heil, welches Galiläa und dem Ufer des Seees Genezareth widerfahren sollte, erfüllt würde. Matthäus hebt es nicht umsonst hervor, daß Kaper-naum am Ufer des Seees und innerhalb der Marken von Zebulon und Naphthali lag*) — er will damit in Voraus darauf Hinweisen, daß nur durch die Uebersiedelung nach dieser Stadt die Weissagung des Propheten zur Erfüllung gelangen konnte. | Twice he lets Jesus come to Galilee, the first time in such a way that he returned there after the temptation*), the second time by means of his transfer from Nazareth to Capernaum**) – according to the assumption, which is the basis of the first turn, Jesus is already at home in Galilee and after the temptation he goes back to his home town, which agrees with the fact that he had left Galilee for the Jordan when he went to John for baptism. c. 3, 13 from Galilee to the Jordan when he went to John for baptism – according to the second premise, he must go from Nazareth to Caperna so that the prophet’s prophecy of the salvation that was to come to Galilee and the shore of the Sea of Galilee would be fulfilled. Matthew does not emphasize in vain that Capernaum was situated on the shore of the lake and within the borders of Zebulun and Naphtali*) – he wants to indicate in advance that only by moving to this city the prophecy of the prophet could be fulfilled. |
62/63* | *) C. 4, 12 ανεχωρησεν εις την γαλιλαιαν | *) ch 4:12 “He went up to Galilee” |
63* | **) C. 4, 13 και καταλιπων την ναζαρεθ ελθων κατωκησεν εις καπερναουμ
*) V. 13 εις καπερναουμ την παραθαλασσιαν εν οριοις ζαβουλων και νεφθαλειμ |
**) ch. 4:13 “And leaving Nazareth, he came and dwelt in Capernaum”
*) v. 13 in Capernaum, which is upon the sea coast, in the borders of Zabulon and Nephthalim |
63 | Aber dann mußte auch Nazareth außerhalb Galilaa’s, Kapernaum in den Marfen von Sebulon und Naphthali liegen, d. h. der Evangelist hat der Erinnerung an die A.-T.-liche Weissagung nicht die Stelle angewiesen, die sie ursprünglich ver-langte und die Verwirrung namentlich dadurch zum äußersten Grad getrieben, daß er den Uebergang zu dieser Reflexion auf die Uebereinstimmung der Weissagung und der Erfüllung ver-mittelst der Notiz bildete, daß Jesus Nazareth verließ und sich nach Kapernaum übersiedelte. Nur die Einzwängung dieser No-tiz hat das ungehörige Ergebniß zur Folge, daß Nazareth nicht in Galiläa und Kapernaum zu gleicher Zeit in den Marfen von Sebulon und Naphthali lag. | But then also Nazareth had to lie outside of Galilaa, Capernaum in the marshes of Zebulun and Naphtali, i.e. the evangelist did not assign the place to the memory of the O.-T. prophecy. In other words, the evangelist did not assign to the memory of the prophecy the place that it originally occupied, and he drove the confusion to the extreme by forming the transition to this reflection on the coincidence of the prophecy and the fulfillment by means of the note that Jesus left Nazareth and moved to Capernaum.Only the constraint of this note has the inappropriate result that Nazareth was not in Galilee and Capernaum at the same time in the marshes of Zebulun and Naphtali. |
63/64 | Matthäus hätte diese Verwirrung unmöglich in seine Dar-stellung bringen können, wenn er frei nach eignem Plan und aus eigner Seele geschrieben hätte — auch dann nicht, wenn er im Stande gewesen wäre, seine Quellen zu beherrschen. Er war aber nur Compilator und zwar ein sehr ungeschickter. Dieß-mal hat er die Confusion dadurch verursacht, daß er die Noti-zen verschiedener Schriftsteller über das Auftreten Jesu in Ga-liläa roh nebeneinanderstellte und ineinanderwirrte, ohne den Widerspruch zu merken, der aus dieser mechanischen Combination verschiedener Voraussetzungen entspringen mußte. Marcus sagte es ihm, daß Jesus nach der Versuchung nach Galiläa zu-rückkehrte, wie er es ihm auch vorher gesagt hatte, daß er aus Galiläa nach dem Jordan zum Täufer ging — eine an-dere Schrift, die wir nicht mehr besitzen, sagte es ihm, daß in dem Umstände, daß Jesus am See Genezareth, in der Seestadt Kapernaum, somit in Gäliläa auftrat, die Weissagung des Pro-pheten ihre Erfüllung fand — eine dritte Schrift brächte ihn darauf, an diesem unpassenden Orte die Notiz von der Ueber-siedelung Jesu von Nazareth nach Kapernaum einzuflechten. | Matthew could not possibly have brought this confusion into his presentation if he had written freely according to his own plan and from his own soul – not even if he had been able to control his sources. But he was only a compiler and a very clumsy one at that. This time he caused the confusion by putting the notes of different writers about the appearance of Jesus in Galilee crudely next to each other and whirled them into each other, without noticing the contradiction that had to arise from this mechanical combination of different premises. Mark told him that Jesus returned to Galilee after the temptation, as he had told him before that he went from Galilee to the Jordan to the Baptist – another scripture, which we no longer possess, told him that in the circumstance of the temptation, Jesus went to the Jordan to the Baptist, that Jesus appeared at the Sea of Galilee, in the seaside town of Capernaum, thus in Galilee, the prophecy of the prophet found its fulfillment – a third scripture would lead him to insert the note of the transfer of Jesus from Nazareth to Capernaum at this inappropriate place. |
64 | Liese dritte Schrift besitzen wir noch jetzt in dem Evan-gelium des Lukas. Nur hier ist dieß Versehen zu Hause — nur hier ist diese Uebersiedelung ein bedeutsamer Act, der das erste Auftreten Jesu bezeichnet — nur diese Darstellung des Lukas konnte auf den spätern Kompilator den Eindruck machen, daß er wenigstens jene Notiz, diese störende Notiz sogleich in seine Darstellung vom ersten Auftreten Jesu einfügte. | We still have this third scripture in the Gospel of Luke. Only here this oversight is at home – only here this transposition is a significant act, which marks the first appearance of Jesus – only this representation of Luke could make the impression on the later compiler that he inserted at least this note, this disturbing note immediately into his representation of the first appearance of Jesus. |
64/65 | Auch Lukas läßt Jesum zweimal zum erstenmale in Galiläa ankommen und auftreten, treibt aber diese Verdoppelung so weit, daß er den Nuf Jesu zweimal in alle Orte der Umgegend sich verbreiten läßt, — das erstemal (E. 4, 14), ehe Jesus irgend Etwas gethan, selbst ehe er sich bei seiner Rückkehr nach Ga-liläa an einem bestimmten Orte firirt hatte, von dessen Umge-gend gesprochen werden konnte, das zweitemal C. 4, 37, nach dem er den Dämonischen zu Kapernaum von seinem unsaubern Geist befreit hatte — ja, die Voraussetzung, daß Jesus vor seinem ersten Auftreten längst ausgetreten ist und vor seiner ersten Wunderthat eine Menge Wunderwerke vollbracht habe, ist sogar in die Erzählung von seinem Auftreten in Nazareth verarbeitet, da nicht nur der Geschichtsschreiber die Bemerkung einflicht, Jesus habe dießmal wie auch sonst gewöhnlich die Sabbaths–Versammlung der Synagoge zu seinem Lehrvortrage benutzt*) sondern auch Jesus selbst den Bürgern von Nazareth den Einwurf in den Mund legt, warum er denn nicht auch in seiner Heimath die Werke vollbringe, die er in Kapernaum ver-richtet habe (V. 23.). Und doch soll Jesus, als er dießmal in Nazareth auftrat, das erstemal aufgetreten seyn, und soll erst die Erfahrung, die er hier in seiner Heimath machte, ihn bewogen haben, sich nach Kapernaum zu begeben! | Luke also has Jesus arrive and appear twice for the first time in Galilee, but takes this duplication so far that he has Jesus’ reputation spread twice to all places in the surrounding area, the first time (E. 4, 14) before Jesus had done anything, even before he had been in a certain place on his return to Galilee that could be spoken of, the second time C. 4, 37, after which he had freed the demoniac at Capernaum from his unclean spirit – yes, the presupposition that Jesus had gone out long before his first appearance and had performed a lot of miraculous works before his first miraculous deed is even worked into the narrative of his appearance in Nazareth, since not only the historian inserts the remark that Jesus used the Sabbath meeting of the synagogue for his teaching*) but also Jesus himself puts the objection into the mouths of the citizens of Nazareth, why he did not perform the works in his hometown, which he had performed in Capernaum (v. 23). And yet, when Jesus appeared in Nazareth, it was for the first time, and only the experience he had here in his hometown moved him to go to Capernaum! |
65* | *) C 4, 16. κατα το ειωθος αυτω
Krit. d. Ev. H. II |
*) ch. 4:16 as his custom was |
65/66 | Wenn nun diese Anordnung der Berichte den Componisten des Matthäusevangeliums dazu bringen konnte, sein Versehen zu begehen, so ist es doch zugleich gewiß, daß sie nicht die ur-sprüngliche war. Sie rührt erst vom Compilator des gegen-wattigen LukasevangeliumS her: — in der Urschrift, die er seiner Compilation zu Grunde legte, eben jener Schrift, die Marcion kannte, ging der Bericht von dem Auftreten Jesu in Kapernaum voran und folgte dann erst die Begebenheit in Nazareth. So-bald die beiden Berichte diese ihre ursprüngliche Stellung wieder einnehmen, so ist es nicht mehr ungereimt, daß Jesus, als er in der Synagoge zu Nazareth auftrat, einem Gebrauch folgte, der für ihn bereits Gewohnheit geworden war — denn er hatte diese Sabbathsversammlungen schon in Kapernaum zur Beleh-rung des Volks benutzt (C. 4, 31) — war es ihm ferner gestattet, den Bürgern von Nazareth einen Einwurf in den Mund zu legen, der sich auf die auffallenden Dinge bezog, die er zu Kapernaum vollbracht haben sollte — denn die Kunde von dem, was er hier gethan, hatte sich in alle Orte der Um-gegend verbreitet. Mit dieser Notiz von der Verbreitung seines Rufs (V. 37) schloß der ursprüngliche Bericht von der Bege-benheit zu Kapernaum und hatte der Verfasser der Urschrift den Uebergang zu seinem Bericht über den Vorfall zu Nazareth ge-bildet — der spatere Compilator brächte sie daher zweimal an, zuerst als Eingang dieses letztern Berichts, den er voranstellte, sodann als Schluß des Berichts über den Vorfall zu Kapenaum. *) | If this arrangement of the reports could cause the composer of the Gospel of Matthew to commit his mistake, it is at the same time certain that it was not the original one. It originates only from the compiler of the Gospel of Luke in contrast: – in the original manuscript, which he based his compilation on, the very manuscript, which Marcion knew, the report of the appearance of Jesus in Capernaum preceded and followed only then the event in Nazareth. As soon as the two reports resume their original position, it is no longer inconsistent that Jesus, when he appeared in the synagogue at Nazareth, followed a usage that had already become habitual for him – for he had already used these Sabbath meetings in Capernaum for the enlightenment of the people (C. 4, 31) – he was also allowed to put an interjection into the mouths of the citizens of Nazareth, which referred to the remarkable things he was supposed to have done in Capernaum – because the news of what he had done here had spread to all places around. With this note of the spreading of his fame (v. 37) the original report of the encounter at Capernaum closed and the author of the original writing had formed the transition to his report about the incident at Nazareth – the later compiler would therefore put it twice, first as the entrance of this latter report, which he prefixed, then as the conclusion of the report about the incident at Capernaum. *) |
66* | *) Luk. 4, 14 και φημη εξηλθεν καθ ολης της περιχωρου περι αυτου
V. 37 και εξεπορευετο ηχος περι αυτου εις παντα τοπον της περιχωρου Wir stellen sogleich die Parallele des Marcusevangeliums her: C. 1, 28 εξηλθε δε η ακοη αυτου ευθυς εις ολην την περιχωρον I’α-λιλαιας |
*) Luke 4:14 and there went out a fame of him through all the region round about.
v. 37 And the fame of him went out into every place of the country round about. We immediately establish the parallel of the Gospel of Mark: Ch. 1:28 And immediately his fame spread abroad throughout all the region round about Galilee. |
66/67 | In der Urschrift bildeten beide Berichte eine bedeutungs-volle Introduktion. Wenn Jesus in der Synagoge zu Ka-pernaum den teuflischen Geist überwältigt, so beweist er seine übernatürliche und übermenschliche Allgewalt, zeigt er, daß er dem Reich des Satan überlegen und, wie der teuflische Geist ausdrücklich anerkennt, gekommen ist, ihn und seine Genossen, ja, das ganze Reich, dem er angehvrt, zu verderben. Wenn seine übernatürliche Größe ferner selbst die teuflischen Geister zur Anerkennung zwingt und der Dämon eingestehen und ausrufen muß: ״ich weiß, wer du bist, — der Heilige Gottes”, so ist er dadurch ebenso sicher legitimirt, wie im Evangelium des Marcus durch die Himmels stimme, die ihm bei seiner Taufe die Versicherung giebt, daß er der Sohn Gottes und Gegenstand des göttlichen Wohlgefallens ist. Der Bruch endlich mit seiner Heimakh, die Uebersiedelung in die Fremde, seine ausdrückliche Erinnerung an Elias, der der heidnischen Wittwe von Sarepta die Hilfe des Himmels brächte, während die Wittwen Israels den Leiden der Hungersnoth preisgegeben blieben, an Elisa, der nur den Heiden Nacman von seinem Aussatz reinigte und die Aussätzigen Israels der Plage ihrer Unreinheit überließ — Alles das weist zugleich auf die große geschichtliche Krisis hin, die das Auftreten Jesu zur Folge hatte — er kehrt das bisherige Verhältniß zwischen Israel und den Heiden um und bringt diesen das Heil, welches jenen entzogen und versagt wird. | In the original script both reports formed a meaningful introduction. When Jesus overcomes the devilish spirit in the synagogue at Kapernaum, he proves his supernatural and superhuman omnipotence, he shows that he is superior to the kingdom of Satan and, as the devilish spirit expressly acknowledges, has come to destroy him and his comrades, yes, the whole kingdom to which he belongs. If, furthermore, his supernatural greatness forces even the devilish spirits to acknowledge him, and the demon has to admit and exclaim: ״I know who you are, -the Holy One of God,’ then he is legitimized by this just as surely as in the Gospel of Mark by the voice of heaven, which gives him the assurance at his baptism that he is the Son of God and the object of divine favor. The break with his homeland, the resettlement in a foreign country, his explicit remembrance of Elijah, who would bring the help of heaven to the pagan widow of Sarepta, while the widows of Israel remained abandoned to the sufferings of famine, of Elisha, who only cleansed the Gentile Nacman from his leprosy and left the lepers of Israel to the plague of their uncleanness – all this points at the same time to the great historical crisis which the appearance of Jesus had as a consequence – he reverses the previous relationship between Israel and the Gentiles and brings to them the salvation which is withdrawn and denied to them. |
67/68 | Eine Bemerkung Tertullians könnte es freilich zweifelhaft machen, ob die Urschrift, die er noch vor Augen hatte — jenes sogenannte Evangelium Marcions, die Rede, die Jesus nach der Darstellung des gegenwärtigen Lukasevangeliums in der Synagoge zu Nazareth gehalten haben soll, schon vollständig, ob sie namentlich diese Androhung enthielt, daß das Heil den Juden entzogen und den Heiden geschenkt werden solle. Tertullian bemerkt nämlich, daß Jesus um Eines Spruches willen von den Bürgern Nazareths zur Stadt hinausgestoßen s*) ey — ein De-clamator aber, dessen Darstellung fast nur aus der Anhäufung gesuchter Antithesen besteht, dessen Styl sich in übertriebenen Antithesen zu bewegen liebt, kann in kritischen Fragen, die er so wenig wie seine kirchlichen Genossen verstand, kein Zeuge seyn. Das Gefallen an dem Contrast, daß Jesus vor seinen Lands« leuten nur wenige Worte gesprochen hatte und sogleich die feind seligste Behandlung zu erleiden, ja das Aeußerste zu befürchten hatte — wie leicht konnte es zu jener Antithese führen, die die ganze Rede Jesu als Einen Gleichnißspruch der mörderischen Wuth der Nazarethaner gegenüberstellt — wie leicht konnte es jenen Freund von Antithesen dazu verleiten, daß er, ohne daran zu denken, daß die Worte Jesu das Todesurtheil über das jü-dische Volk enthalten, die Sylben zahlt und ihre geringe Anzahl zu dem gewaltsamen Verfahren der Leute von Nazareth in Ge-gensatz stellt? Auch die Urschrift enthielt übrigens dieselbe aus-führliche Beschreibung der Wuth der Landsleute Jesu, die wir im jetzigen Lukasevangelium lesen, wie daraus erhellt, daß Ter-tullian aus diesem thätlichen Angriff auf die Person Jesu, daß man ihn zur Stadt hinausstieß und ihn auf die Berghöhe führte, um ihn hinabzustürzen, die gnostische Annahme von einem bloßen Scheinleibe Jesu zu widerlegen sucht — ein Schluß aber, der mit dieser Ausführlichkeit die Todesgefahr schildert, der Jesus nur durch eine Art Wunder entging — ein Schluß, der die Collision bis zum Aeußerstcn treibt, war eben nur mög-lich, wenn eine tödtliche Collision vorausging — d. h. er ist nur erklärlich, wenn Jesus mit derselben Schroffheit, deren Aeußerung in den Sprüchen des jetzigen Lukasevangeliums vor-liegt, dem jüdischen Volk seine Verwerfung angekündigt hatte. | A remark of Tertullian could make it doubtful, whether the original, which he still had in mind – that so-called Gospel of Marcion, the speech, which Jesus is supposed to have held in the synagogue of Nazareth according to the account of the present Gospel of Luke, was already complete, whether it contained this threat, that salvation should be withdrawn from the Jews and given to the Gentiles. Tertullian notes that Jesus was expelled from the city by the citizens of Nazareth for the sake of one saying*) – but a declamator, whose presentation consists almost only of the accumulation of sought-after antitheses, whose style loves to move in exaggerated antitheses, cannot be a witness in critical questions, which he understood as little as his ecclesiastical comrades. The fact that Jesus had spoken only a few words in front of his “countrymen” and immediately had to suffer the most hostile treatment, even had to fear the worst – How easily could it lead to that antithesis, which contrasts the whole speech of Jesus with the murderous rage of the Nazarethites as an equal sentence – how easily could it tempt that friend of antitheses that he, without thinking of the fact that the words of Jesus contain the death sentence over the Jewish people, pays the syllables and contrasts their small number with the violent procedure of the people of Nazareth? By the way, the original also contained the same detailed description of the rage of Jesus’ countrymen that we read in the present Gospel of Luke, as can be seen from the fact that Tertullian deduces from this violent attack on the person of Jesus, that he was pushed out of the city and led up the mountain to be thrown down, But a conclusion, which describes with this detail the danger of death, which Jesus escaped only by a kind of miracle – a conclusion, which pushes the collision to the extreme, was only possible, if a deadly collision preceded it – i.e. it is only explainable, if Jesus was not killed by the enemy. I.e. it is only explainable if Jesus had announced his rejection to the Jewish people with the same brusqueness which is expressed in the sayings of the present Gospel of Luke. |
67* | *) contra Marcionem. Lib. 4. cap. 8. merito unius proverbii ejectus refertur. | *) Contra Marcion. Book 4 chapter 8 “rejected by reason of a simple proverb“ |
68/69 | Die Urschrift enthielt also dieselben Sprüche, die wir im jetzigen Lukasevangelium lesen. Die weitläufige Ausarbeitung des Eingangs der Erzählung und ihres Schlusses — die große Anlage des Eingangs, diese breite Darstellung, wie man dem Herrn, als er zum Lehren aufstand, das Buch des Propheten Iesaias brächte, wie es sich beim Aufschlagen so traf, daß er gerade den Ort fand, wo von ihm geweissagt war, wie er erklärt, daß dieser Schriftspruch heute vor den Ohren der Nazarethaner erfüllt sey, die ausführliche Schilderung des Ein drucks, den seine Worte auf die Anwesenden machten — Alles das beweist, daß auch das ausführliche Todesurtheil, welches der Jesus des jetzigen Lukasevangeliums über das jü-bische Volk ausspricht, der Urschrift bereits angehörte. Nach den großen Vorbereitungen, die in der ersten Hälfte des Abschnitts getroffen werden, wäre die bloße Frage der Nazarethaner: ״ist das nicht Josephs Sohn?” zu dürftig und die kurze und an sich keineswegs in so hohem Grade aufbringende Antwort Jesu: ״Kein Prophet ist angenehm in seinem Vaterlande”, würde die Wuth der Nazarethaner weder erregen noch erklären können. | So the original script contained the same sayings that we read in the present Gospel of Luke. The extensive elaboration of the entrance of the story and its conclusion – the great layout of the entrance, this broad description of how the book of the prophet Isaiah was brought to the Lord when he stood up to teach, how it was opened in such a way that he found just the place where it was prophesied, as he explains, The detailed description of the impression his words made on the people present – all this proves that also the detailed death sentence, which the Jesus of the present Gospel of Luke pronounces on the Jewish people, already belonged to the original writing. After the great preparations that are made in the first half of the passage, the mere question of the Nazarenes: ״Is this not Joseph’s son?” would be too insignificant, and the short and in itself by no means so highly stirring answer of Jesus: ״No prophet is pleasant in his father’s country”, would neither excite nor be able to explain the rage of the Nazarenes. |
69 | Wenigstens die Unterstellung von Seiten Jesu (V. 23), seine Landsleute würden nun wohl von ihm verlangen, daß er in seiner Heimath dieselben Dinge verrichte, die er in Kaper-naum vollbracht habe, mußte der Urschrift bereits angehören: — wer aber diese Unterstellung niederschrieb, hat auch das Folgende niedergeschrieben, — wer die Collision vorbereitete, hat sie auch selbst folgen lasten — wer das Räthsel aufstellte, wird auch die Lösung gegeben haben. | At least the insinuation on the part of Jesus (v. 23) that his compatriots would now demand of him to do the same things in his homeland that he had done in Capenaum, must have already belonged to the original writing: – But he who wrote down this insinuation, also wrote down the following, – he who prepared the collision, also had it follow himself – he who set up the riddle, will also have given the solution. |
69/70 | So sicher und nothwendig dieß Ergebniß ist, so gewiß ist es, daß in dem Bericht eine Menge fremdartiger Interessen sich durchkreuzen und Elemente, die ursprünglich anderwärts ihre Heimath haben, mechanisch miteinander verbunden sind. Zuerst ist es klar, daß der Spruch von der Heimath des Propheten (V. 24), der an sich schon die Lösung einer Collision ist und das Schicksal des Propheten vollkommen erklärt, den Zusam-menhang unterbricht, das Todesurtheil über das jüdische Volk (V. 25—27) von seiner Vorbereitung (V. 23) abreißt. Der Spruch über das Schicksal des Propheten in seiner Heimath und die Ankündigung, daß das Heil den Juden versagt, den Heiden dagegen geschenkt werden solle, sind zwei selbststän-dige Großen, sind beide die eigenthümliche und vollständige Lösung einer gleich eigenthümlichen und in sich ab gesetzlos-senen Collision — ihre Verschlingung und Combination verursacht demnach eine Ueberfülle, die nur zur Folge haben kann, daß keiner von beiden Sprüchen seine reine und eigenthümliche Wirkung hat- Der eine Spruch erklärt das Schicksal des Propheten in seiner Heimath, der andere ist eine Androhung — die Nutze jener Erklärung und Deutung wird aber aufgehoben, wenn unmittelbar vorher (V. 23) der Donner des Gerichts grollt und den Augenblick nachher (V. 25 — 27) schmetternd niederfährt, und die Furchtbarkeit dieses Gerichts wird geschwächt, wenn es durch jene ruhige Erklärung unterbrochen wird. | As certain and necessary this result is, as certain it is that in the report a lot of strange interests cross each other and elements, which originally have their home elsewhere, are mechanically connected with each other.First of all, it is clear that the saying about the prophet’s home (v. 24), which in itself is the solution of a collision and perfectly explains the fate of the prophet, interrupts the context, detaches the death sentence on the Jewish people (vv. 25-27) from its preparation (v. 23). The sentence about the fate of the prophet in his homeland and the announcement that salvation shall be denied to the Jews, but given to the Gentiles, are two independent great things, both are the peculiar and complete solution of an equally peculiar and in itself lawless collision – their intertwining and combination therefore causes an overabundance, The one spell declares the fate of the prophet in his home, the other is a threat – but the usefulness of that declaration and interpretation is cancelled when immediately before (v. 23) the thunder of judgment rumbles. 23) and the moment after (vv. 25-27), and the fearfulness of this judgment is weakened when it is interrupted by that calm declaration. |
70 | Beiden Sprüchen, sowohl jener Erklärung, als dieser Drohung, fehlt aber sogar aller Anlaß. Die Nazarethaner, sagt der Evangelist V. 22, ״zeugten ihm”, d. h. gaben dem Herrn, als er ihnen das Schriftwort gedeutet und die Erfüllung in seiner Person gezeigt hatte, das Zeugniß ihrer Anerkennung und erstaunten über die Worte der Huld, die aus seinem Munde kamen — aber war das ein Grund, ihnen mit dem Gericht der Verwerfung zu antworten? War das die Stimmung, in der es ihnen möglich war, an seiner Person Anstoß zu nehmen und zu fragen: ״ist das nicht Josevhs Sohn?” Wenn sie ihm das Zeugniß ihrer Anerkennung gaben, konnte dann Jesus auf den Gedanken kommen, daß sie — in einer Absicht, die die fürchterlichste Zurückweisung verdiente — vorher dieselben Wunderthaten sehen wollten, die er in Kapernaum verrichtet habe? | Both sayings, however, both that explanation and this threat, even lack all cause. The Nazarethans, says the evangelist v. 22, ״witnessed him’, i.e. gave the Lord, when he had interpreted the scriptural word to them and shown the fulfillment in his person, the testimony of their recognition and were astonished at the words of grace that came out of his mouth – but was that a reason to answer them with the judgment of rejection? Was that the mood in which it was possible for them to take offense at his person and ask, ״Is not this the son of Joseph?” If they gave him the testimony of their approval, could Jesus have thought that they -with an intention that deserved the most fearful rejection- wanted to see beforehand the same miraculous deeds that he had performed in Capernaum? |
70/71 | Auch diese Unterstellung hat also keinen Anlaß, ist ungeschickt herbeigefützrt und das Ungeschick ihrer Motivirung bleibt gleich groß, wenn sich nun auch zeigt, daß sie die sinnlosen Dissonanzen, die den ganzen Bericht auseinander reißen, zum Theil herbeigeführt hat. Indem der Verfasser nämlich dem Herrn jene Unterstellung möglich machen wollte, fühlte er dunkel die Noth-wendigkeit Einer Bedingung, die vorangehen mußte: die Leute mußten ihm zu gestehen, daß er Großes vollbringen könne, mußten es an erkennen, daß er anderwärts sich in der That als den Gewaltigen bewiesen habe, und nun bloß nach dem un-mittelbaren Anblick seiner Großthaten verlangen — dieser An-klang der Anerkennung und des Wohlgefallens an der Offen-barung seiner Größe schwebte dem Verfasser dunkel vor, er brauchte ihn, um jene Unterstellung in der Antwort Jesu her-beizuführen, aber er konnte ihn nicht richtig verarbeiten, weil er zu gleicher Zeit von einem fremden Bericht — um nicht sogleich zu sagen, von mehreren Berichten — sclavisch abhängig war. Er verlegte ihn in den Anfang eines Berichts, der vielmehr den Propheten in ein schneidendes Zerwürfniß mit seiner Heimath versetzte, und ließ die Bürger von Nazareth Jesus das Zeugniß ihrer Anerkennung geben und die Huld seiner Worte bewundern, wahrend er doch selbst dem Bericht, den er benutzt, die Aeußerung des Anstoßes nachschrieb, den die Leute an der bekannten und geringen Abkunft Jesu nahmen — wäh-rend er sogar zu dem Spruch Jesu, der die Mißliebigkeit seiner Heimath als etwas Natürliches erklärt, noch das Ge-Witter der Vernichtung fügte, welches über das ganze jü-dische Volk sich entladen sollte. | This insinuation, too, has no reason, is clumsily fabricated, and the clumsiness of its motivation remains the same, even if it now turns out that it has partly caused the senseless dissonances that tear the whole report apart. For in wanting to make that imputation possible for the Lord, the author darkly felt the necessity of a condition that had to precede it: People had to admit to him that he could accomplish great things, had to recognize that he had proven himself to be the mighty one elsewhere, and now only demand the direct sight of his great deeds – this sound of recognition and pleasure at the revelation of his greatness was darkly in the mind of the author, He needed it to bring about that insinuation in Jesus’ answer, but he could not process it properly, because he was at the same time slavishly dependent on a foreign report – not to say immediately on several reports. He placed it in the beginning of a report that rather put the prophet in a cutting discord with his home, and let the citizens of Nazareth give Jesus the testimony of their approval and admire the grace of his words, while he himself gave the report he used the expression of offense, the expression of the offence which the people took at the known and lowly origin of Jesus – while he even added to the saying of Jesus, which declares the dislike of his home as something natural, the storm of destruction, which should be unloaded over the whole Jewish people. |
71/72 | Am allerwenigsten gehörte die Collision des Propheten mit seiner Heimath hierher, in den Anfang der Wirksamkeit Jesu.
Wenn Jesus die Collision mit dem Spruch: ״kein Prophet ist angenehm in seinem Vaterlande”, erklärt und zugleich löst, so weist die Voraussetzung, die dem Spruch zu Grunde liegt, auf eine bei weitem spätere Zeit hin, da Jesus schon längere Zeit gewirkt und viele Erfahrungen gesammelt haben muß, wenn er den Gegensatz der Fremde und Heimath übersetzen und auch in seinen Schicksalen die Wahrheit des Spruchs bestätigt finden sollte. |
The collision of the prophet with his homeland belonged least of all here, in the beginning of the effectiveness of Jesus. If Jesus explains and at the same time solves the collision with the saying: ״no prophet is pleasant in his fatherland’, then the premise, which is the basis of the saying, points to a much later time, since Jesus must have already worked for a longer time and gained many experiences, if he should translate the contrast of foreign country and home and also find the truth of the saying confirmed in his fate. |
72 | Diese richtige Stellung hat der Bericht von dem Zerwürf-niß Jesu mit seiner Heimattz in der Schrift des Marcus (C. 6, 1 — 6), hier hat er auch die Ausdehnung und die innere Pro-Portion, die der Gang der Collision erfordert — hier bildet er endlich, wie wir später sehen werden, ein wesentliches Glied einer Gruppe von Erlebnissen und Begebenheiten, in denen eine ganz bestimmte Seite vom geschichtlichen Charakter Jesu an den Tag kam. | This is the correct position of the report of Jesus’ falling apart with his homeland in the writing of Mark (C. 6, 1-6), here it also has the extension and the inner proportion that the course of the collision requires – here it finally forms, as we will see later, an essential member of a group of experiences and incidents, in which a very specific side of the historical character of Jesus came to light. |
72/73 | Wenn es nun gewiß ist, daß der Verfasser jener Schrift, die den Kern des Lukasevangeliums bildet, die Collision Jesu mit seiner Heimath und den Spruch über die ungünstige Auf-nähme, die der Prophet in seinem Vaterlande findet, einem Be-richt entlehnt hat, der mit dem des Marcus wörtlich überein-stimmte, hat er nun seinen Spruch über die Verwerfung Israels, so wie den geschichtlichen Eingang seines Berichts — das Wun-der, welches dem Herrn gerade jene Stelle der Schrift des Jesaias darbot, die ihm Gelegenheit gab, auf die Erfüllung der Prophetie tzinzuweisen, selbst gebildet oder einer andern Schrift, vielleicht mehreren andern Schriften entlehnt? Es ist bei wei-tem das Wahrscheinlichere, daß er auch für diese Parthieen sei-nes Berichts von fremden Schriften abhängig war, da ein Schriftsteller, der Schöpfungskrast genug besaß, um jenen be-deutungsvollen Spruch über die Wendung im Schicksal des Volkes Israel zu bilden, auch die Kraft haben mußte, einen natürlichen Anlaß dazu zu schaffen, und im Augenblick dieser Schöpfung noch weniger auf den Gedanken kommen konnte, sein neues Produkt durch die gewaltsame Einfügung eines fremdar-tigen Bestandtheiles, jenes Spruchs über das Schicksal des Propheten, zu einer Mißgeburt zu machen. Eben so wenig ist es Wahrscheinlich, daß ein Schriftsteller, der auf den glücklichen Gedanken kam, die erste Predigt Jesu zu einer Predigt über die Weissagung des Propheten Jesaias zu machen und in den Worten: ״heute ist diese Schrift erfüllet vor euren Ohren”, das Gegenstück zu jenem Spruch zu bilden, mit dem Jesus in der Schrift des Marcus sein erstes Auftreten bezeichnete, — zu dem Spruch (Marcus 1, 15): ״die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes herbeigekommen”, — daß ein so glücklicher Schriftsteller zugleich so ungeschickt und unglücklich war, durch diesen Spruch eine Collision herbeizuführen, die zu ihm in gar keinem Verhältniß steht. | If it is certain that the author of that writing, which forms the core of the Gospel of Luke, borrowed the collision of Jesus with his homeland and the saying about the unfavorable reception, which the prophet finds in his fatherland, from a report, which literally corresponded to that of Mark, Did he himself create his saying about the rejection of Israel, as well as the historical entrance of his report – the miracle, which presented to the Lord just that passage of the Scripture of Isaiah, which gave him the opportunity to point to the fulfillment of the prophecy – or did he borrow it from another Scripture, perhaps from several other Scriptures? It is by far the more probable that he was also dependent on foreign writings for these parts of his report, since a writer who possessed enough creative power to form that meaningful saying about the turn in the destiny of the people of Israel must also have had the strength to create a natural occasion for it, and at the moment of this creation even less could think of making his new product a freak by forcibly inserting a foreign component, that saying about the fate of the prophet. It is just as unlikely that a writer who had the happy thought to make the first sermon of Jesus a sermon about the prophecy of the prophet Isaiah and to form in the words: ״Today this scripture is fulfilled in your ears’, the counterpart to that saying with which Jesus described His first appearance in the scripture of Mark, – to the saying (Mark 1, 15): ״The time is fulfilled and the kingdom of God is at hand’, – that such a happy writer was at the same time so clumsy and unhappy to bring about a collision by this saying, which has no relation to him at all. |
73/74 | Urlukas hat fremde Elemente benutzt, die Erzeugnisse fremder Schöpfungskraft in derselben unglücklichen Weise, mit der wir ihn noch öfter verfahren sehen werden, zusammengehäuft. Er hat sich nicht nur darin versehen, daß er das Gewitter, welches sich über dem Volke Israel entladet, mit der Trennung Jesu von seiner Heimath in Verbindung gesetzt — sondern auch darin, daß er es sogleich in die Ouvertüre seines Werks ge– bracht hat. Die Schroffheit, mit der sein Jesus von vornherein dem Judenthum als einem verworfenen Wesen entgegen-tritt, und die Voraussetzung, daß das Verhältniß Jesu zum Volk schon im ersten Augenblick entschieden war und die Feindseligkeit des Volks sogleich im ersten Anfänge sich in .Mordversuchen äußerte, — Beides widerspricht übrigens der Voraussetzung einer großen Gruppe der folgenden Berichte, die auf ein ganz anderes Verhältniß Jesu zum Volk schließen, die vielmehr die Feindseligkeit der privilegirten Classen all-mählig entstehen lassen, die mit gründlich er Allmähligkeit den Bruch mit dem Judenthum vorbereiten und — wiederum! — nur in der Schrift des Marcus ihre ursprüngliche Bestimmung erfüllen — Beides bildet den Uebergang zu jener leblosen Anschauung, die im vierten Evangelium das Drama der evangelischen Geschichte zerstört und den blutigen Schluß sinnlos und unnöthig gemacht hat, da sie ihn schon im Anfänge als fertig voraussetzt. Der Vierte hat die Schrift des Lukas nicht umsonst gelesen — hat er es doch nur aus ihr gelernt, wie er es an stellen mußte, wenn er seinen Herrn unversehrt aus den empörten Volkshaufen herausschaffen wollte. Wörtlich hat er es ihm nämlich nachgeschrieben, daß Jesus — durch eine höhere Gewalt und den Eindruck seiner Majestät geschützt — ״mitten durch die Haufen hinwegging”*) — er hat nur noch die wei-tere Voraussetzung hinzugebildet, daß Jesus in wunderbarer Weise unsichtbar und das Auge seiner Feinde mit Blindheit ge-schlagen wurde. | Urluke He has not only been ingenious in that he has connected the thunderstorm that unloads itself over the people of Israel with the separation of Jesus from his home – but also in that he has immediately brought it into the overture of his work. The abruptness with which his Jesus confronts Judaism as a rejected being from the beginning, and the condition that Jesus’ relationship to the people was already decided at the first moment and the hostility of the people expressed itself in the first attempts to murder him, – Beethoven’s work is not only a work of the same kind, but also a work of the same kind. Both, by the way, contradict the presupposition of a large group of the following reports, which conclude a completely different relationship of Jesus to the people, which rather let the hostility of the privileged classes gradually develop, which prepare with thorough gradualness the break with Judaism and – again! – Both form the transition to that lifeless view, which in the fourth gospel destroyed the drama of the evangelical history and made the bloody conclusion senseless and unnecessary, since it presupposes it as finished already in the beginning. The fourth evangelist did not read Luke’s writing in vain – after all, he only learned from it how he had to go about it if he wanted to get his Lord out of the outraged mobs unharmed.Literally he has copied him, that Jesus – protected by a higher power and the impression of his majesty – ״walked through the midst of the heaps “*) – he has only added the further condition, that Jesus became invisible in a miraculous way and the eye of his enemies was struck with blindness. |
74* | *) Luk. 4, 30 αυτος δε διελθων δια μεσου αυτων επορευετο
Joh. 8, 59 ιησους δε εκρυβη και εξηλθεν εκ του ιερου διελθων δια μεσου αυτων Bgl. Joh. 10, 39 και εξηλθεν εκ της χειρος αυτων. |
*) Luke 4:30 But he passing through the midst of them went his way
John 8:59 And Jesus went out and departed from the temple through them. cf. John 10:39 but he escaped out of their hand. |
74/75 | Auch darin bildet Urlukas den Uebergang zum Vierten, daß er die ursprüngliche Vorgeschichte, die die vorberei-tende Wirksamkeit des Täufers, die Taufe und Versuchung Zesu enthielt, fallen ließ und sogleich mit dem wirklichen und voll-endeten Anfang des Heilwerks begann — den Herrn sogleich in voller Majestät austreten ließ. Sonst aber muß er es doch noch verrathen, daß er eine Schrift benutzt hat, die vor dem Bericht, den er ihr entlehnte und in den Anfang setzte, von dem Herrn schon Mehreres erzählt und ihn namentlich in eine Localität versetzt hatte, die jetzt, in diesem Augenblicke, wo er seine öffentliche Laufbahn betrat, mit einer andern vertauscht ward. Wenn nämlich Urlukas seine Schrift mit den Worten begann: ״Jesus kam nach Kapernaum, einer Stadt Gali-läa’s herab”, so erhält dieser müßige Zusatz, daß Kapernaum in Galiläa lag, erst seine richtige Erklärung, wenn wir ihn aus der Abhängigheit von einer Schrift ableiten, in welcher Jesus unmittelbar vorher in einem andern Theil des gelobten Landes geweilt hattte und jetzt nach Galiläa zurückkehrte, d. h. von einer Schrift, in welcher diese Erwähnung Galiläa’s eben so natürlich und durch den Zusammenhang geboten war wie in der des Marcus (C. 1, 14). Nur aus einer solchen Schrift — einer Schrift, die wörtlich mit der des Marcus übereinstimmte, hat endlich Urlukas, der sonst (C. 4, 41) die Dämonen Jesu entgegenrufen läßt: ״du bist der Christus, der Sohn Gottes!” den Ausruf des Dämonischen von Kapernaum: ״du bist der Heilige Gottes!”*) | In this, too, Urlukas forms the transition to the fourth, in that he dropped the original prehistory, which contained the preparatory activity of the Baptist, the baptism and temptation of Jesus, and immediately began with the real and completed beginning of the work of salvation – immediately letting the Lord come forth in full majesty. Otherwise, however, he must still betray the fact that he used a scripture which, before the report he borrowed from it and placed in the beginning, had already told several things about the Lord and had especially placed him in a locality which now, at this moment when he entered his public career, was exchanged for another. When Urluke began his writing with the words: ״Jesus came down to Capernaum, a city of Galilee’, this idle addition, that Capernaum lay in Galilee, only receives its correct explanation when we derive it from the dependence on a writing in which Jesus had immediately before dwelt in another part of the promised land and now returned to Galilee, i.e. from a writing in which Jesus had been in another part of the promised land. i.e. from a scripture in which this mention of Galilee was just as natural and required by the context as in that of Mark (C. 1, 14). Only from such a scripture – a scripture that literally corresponded to that of Mark – did Urluke, who otherwise (C. 4, 41) has the demons call out to Jesus: ״you are the Christ, the Son of God!’, finally take the exclamation of the demon of Capernaum: ״You are the Holy One of God!*) |
75* | *) Dieser kunstreich gebaute Ausruf C. 4, 34: εα τι ημιν και σοι ιησου ναζαρηνε ηλθες απολεσαι ημας οιδα σε τις ει ο αγιος του θεου, stimmt wörtlich mit Marc. 1, 24 überein | *) This artfully constructed exclamation ch. 4:34 Let us alone; what have we to do with thee, thou Jesus of Nazareth? art thou come to destroy us? I know thee who thou art; the Holy One of God, literally agrees with Mark 1:24 |
75 | So wären wir denn bei Urlukas und seiner Schrift an-gelangt. Der Kürze halber werden wir ihn von jetzt an nur Lukas nennen und denjenigen, der seine Schrift nicht nur mit dem historischen Eingang C. 1—4, 14 sondern auch mit mehre-ren Interpolationen bereicherte, von ihm als den Compilator des jetzigen Lukasevangeliums unterscheiden. Zum Schluß der obigen Untersuchung bemerken wir nur noch, daß der spätere Compilator sich dadurch bewogen fühlte, die beiden Berichte über die Vorfälle zu Kapernaum und Nazareth umzustellen, weil die Worte Jesu in der Synagoge der letzter» Stadt: ״heute ist diese Schrift vor euch erfüllt”, als erste Ankündigung des Heil-Werks nach seiner Ansicht für den Bericht, in dem sie vorkamen, den Vorrang zu verlangen schienen. | So we have arrived at Urluke For the sake of brevity, from now on we will only call him Luke and distinguish the one who enriched his writing not only with the historical entrance C. 1-4, 14 but also with several interpolations from him as the compiler of the present Gospel of Luke. At the end of the above investigation we only note that the later compiler felt moved to rearrange the two accounts of the incidents at Capernaum and Nazareth, because the words of Jesus in the synagogue of the latter” city: ״today this scripture is fulfilled before you”, as the first announcement of the work of salvation, seemed in his view to demand precedence for the account in which they occurred. |
76 | Marcus steht nun also mit der Einfachheit seiner Notiz, daß Jesus mit der Predigt, die Zeit sey erfüllt und das Him-melreich gekommen, aufgetreten sey, allein.
Doch nicht ganz allein. Derjenige, der sich die Freiheit nahm, jene Formel, mit der Jesus die Erfüllung der Zeit angekündigt haben soll, in die Gelegenheitspredigt über einen prophetischen Text zu verwandeln — Matthäus ferner, der die Formel: ״das Himmelreich ist gekommen, thut Buße”, zum Talisman machte, in dessen Besitz schon der Täufer war, der vom Täufer auf Jesum überging, von diesem an seine Jünger abgetreten wird, (Matth. 10, 7) — sie verlassen ihn doch nicht und bleiben an seiner Seite haften als die ältesten Repräsentanten des Zweifels an der steinernen Autenthicität jener Formel — nein! als un-willkürliche Zeugen von der Schöpferkraft, der jene Formel entsprungen ist. Sie nahmen sich mit der Formel diese Frei-heit, Matthäus entzieht seinem Herrn das Privilegium der ersten Erfindung, setzt die Formel, indem er sie auch dem Täufer zu-schreibt, zu einem Mittel seines Pragmatismus herab und be-nutzt sie, um die Einheit und den Zusammenhang der heiligen Geschichte recht deutlich hervortreten zu lassen — und wir sollen noch daran festhalten, daß Jesus beim Antritt seiner Laufbahn diese Formel vor sich hergerufen und in ihr seine Anschauung von der ihm übertragenen Ausgabe zusammengefaßt habe? Nein! derselbe historische Pragmatismus, der sie später variirte und endlich sogar aus den Standpunkt des Täufers zurücktrug, hat sie auch erzeugt und gleichsam als die allgemeinste Jnhaltszeige der gesammten Predigt Jesu vorangestellt, dem Herrn als sein erstes Wort in den Mund gelegt. |
Mark stands alone with the simplicity of his note that Jesus appeared with the sermon that the time was fulfilled and the kingdom of heaven had come.
But not completely alone. The one who took the liberty to transform that formula, with which Jesus is said to have announced the fulfillment of time, into the occasional sermon on a prophetic text – Matthew furthermore, who made the formula: ״The kingdom of heaven has come, repent’, a talisman, in whose possession was already the Baptist, which passed from the Baptist to Jesus, is ceded by the latter to his disciples, (Matth. 10, 7) – they do not leave him and remain at his side as the oldest representatives of the doubt about the stony autenticity of that formula – no! as un-voluntary witnesses of the creative power from which that formula has sprung. They took this liberty with the formula, Matthew deprives his Lord of the privilege of the first invention, degrades the formula, attributing it also to the Baptist, to a means of his pragmatism and uses it to let the unity and the connection of the holy history stand out quite clearly – and we are still supposed to hold on to the fact that Jesus, at the beginning of his career, called this formula before him and summarized in it his view of the issue entrusted to him? No! The same historical pragmatism, which later varied it and finally even carried it back from the point of view of the Baptist, also created it and, as it were, placed it in front of the entire sermon of Jesus as the most general indication of its content, put it into the mouth of the Lord as his first word. |
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Neil Godfrey
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