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2.Die Kindheitsgeschichte des Lukas. |
2.The childhood story of Luke. |
269 | Wenn die Menschheit einmal durch ein neues Pn’ncip ausgerüttelt ist und ihren Gewohnheiten sowohl wie dem Schatz ihrer ueberlieferungen Gefahr droht, tritt immer der Gegenschlag des Alten gegen das Neue ein und haben sich sehr bald die Satzungen und ueberlieferungen, die durch das neue Princip bereits gestürzt zu seyn schienen, demselben vielmehr aufgedrungen und sich ihm sogar werth und theuer gemacht.
Dieser umschwung darf nicht nur als Rückschritt, oder als restaurirte Herrschaft des Alten gefaßt werden. Was gewöhnlich als Reaction gilt, ist im Grunde nur die Vermischung der neuen revolutionären Kraft mit dem Bestehenden und dessen Besitz — der scheinbare Sieg der alten Satzung ist am Ende doch nur ihre Verwendung als Material zur Befestigung des neuen Princips und vielmehr der Beweis, daß die neue Kraft, soweit sie es überhaupt im Stande war, des Besitzstandes der alten Welt Herr geworden sey. |
When mankind is once shaken by a new principle and its habits as well as the treasure of its traditions are threatened, the counter-attack of the old against the new always occurs and very soon the rules and traditions, which seemed to be already overthrown by the new principle, have rather imposed themselves on it and even made themselves valuable and dear to it.
This turnaround must not be understood merely as a step backward or as a restored rule of the old. What is usually regarded as a reaction is basically only the mingling of the new revolutionary force with the existing and its possession – the apparent victory of the old constitution is in the end only its use as material for the fortification of the new principle and rather the proof that the new force, as far as it was able to do so at all, had become master of the possession of the old world. |
269/270 | Die neue revolutionäre Kraft tritt nur aus ihrer ersten isolir- ten Stellung heraus, orientirt sich in der Welt, die sie anfangs verachtete und schlechtweg nur stürzen wollte, sucht sich das Verwandte aus ihr heraus, bildet die Satzungen und die Disciplin des Alten zu Stützen ihrer Herrschaft, gleichsam zum Knochengerüst ihrer neuen Organisation um — während es der gewöhnlichen Betrachtung so scheint, als habe die Gewohnheit und Ueberlieferung wieder einen ihrer Siege über die Neuerung und die fortschreitende Entwicklung gefeiert. | The new revolutionary force only emerges from its first isolated position, orients itself in the world which at first it despised and badly only wanted to overthrow, seeks out the relative from it, transforms the statutes and discipline of the old into the supports of its rule, as it were into the skeleton of its new organization – while to the ordinary observer it seems as if habit and tradition had again celebrated one of their victories over innovation and progressive development. |
270 | Zu diesen Versuchen des christlichen Princips, in der Vergangenheit sich zu orientiren und das Verwandte sich anzueignen, gehören die Vorgeschichten, die wir in dem Lukas- und Matthäusevangelium finden. Jn der Geburt und Kindheit des Herrn hat die christliche Anschauung ihren eigenen Ursprung, ihre Geschichte, ihren Zusammenhang mit der Vergangenheit dargestellt — im Namen des Kindes hat sie von der Welt, so weit sie dieselbe mit sich verwandt fühlte und zu umspannen vermochte, Besitz ergriffen — hat sie endlich auch in den Himmel ihre Wurzeln eingeschlagen. | To these attempts of the Christian principle to orientate itself in the past and to appropriate the related belong the prehistories, which we find in the gospels of Luke and Matthew. In the birth and infancy of the Lord, the Christian view has represented its own origin, its history, its connection with the past – in the name of the child, it has taken possession of the world, as far as it felt related to it and was able to encompass it – it has finally also taken root in heaven |
270/271 | Als Erfüllung der Weissagung wußte sich zwar die christliche Anschauung von vorn herein mit der Vergangenheit in Einheit und enthielt sie sogar in dieser Voraussetzung die Gefahr, daß sie für eine bloße Wiederholung der Vergangenheit gehalten werden konnte, in ihrer ersten ursprünglichkeit war sie aber doch so kühn, daß sie den Bürgen der neuen Seligkeit als den verheißenen Sohn Davids betrachtete, trotz dem, daß man nicht anders wußte, als daß die Person, in der man die Verheißung der Propheten erfüllt sah, nicht davidischer Abkunft sey. Das Bedürfniß, den Zusammenhang mit der Vergangenheit an einen besonders bevorzugten Punkt anzuknüpfen, und die kühne unbekümmertheit um die positive und juristische Nichtigkeit der Art und Weise, in der man diesen Zusammenhang im königlichen Titel des Messias realisirte, — Beides war anfangs unbefangen vereint, als die prosaische, mithin größere Macht siegte aber mit der Zeit das Bedürfniß, erhielt es die Oberhand, machte es jener kühnen unbekümmertheit ein Ende und hielt es sich erst für befriedigt, als der Zusammen« Hang mit der Vergangenheit in einer genealogischen Linie seinen Ausdruck erhalten hatte und Jesus in juristischem Sinne als der Sohn Davids bezeugt war. | As a fulfillment of prophecy, the Christian view knew itself from the outset to be in unity with the past, and even in this presupposition it contained the danger that it could be taken for a mere repetition of the past, but in its first originality it was so bold that it regarded the guarantor of the new blessedness as the promised son of David, in spite of the fact that one did not know otherwise than that the person in whom one saw the promise of the prophets fulfilled was not of Davidic origin. The need to link the connection with the past to a particularly privileged point, and the bold unconcern for the positive and juridical nullity of the way in which this connection was realized in the royal title of the Messiah, – both were at first unabashedly united, as the prosaic, In the course of time, however, the need prevailed, got the upper hand, put an end to that bold unconcern and considered itself satisfied only when the “connection” with the past had received its expression in a genealogical line and Jesus had been attested in a juridical sense as the son of David. |
271 | Dasselbe Bedürfniß und dieselbe Kühnheit waren anfangs noch unbefangen mit einander verbunden, als die christliche Anschauung, um die Neuheit ihres eignen Gehalts zu erklären, ihren Ursprung in den Himmel verlegte und einen Mann, von dem man wiederum nicht anders wußte, als daß er der Sohn seiner Eltern war wie seine Geschwister, als den Sohn des lebendigen Gottes dem Einfluß und der Einwirkung der geschicht- . lichen Ursachen entrückte, deren Vereinigung sonst die Voraussetzung für das Auftreten der epochemachenden Helden ist. Aber auch dieses Bedürfniß fand die Kühnheit, mit der es sich anfangs befriedigt hatte, allmählig nicht mehr kühn genug und ließ dem Glauben keine Nuhe, bis er nicht die himmlische Welt sich ganz zu eigen gemacht und die Kühnheit seiner ursprünglichen Annahme durch den geschichtlichen Beweis, daß Jesus wirklich durch die Kraft der Gottheit gezeugt sey, gerechtfertigt hatte.
Wenn aber der Himmlische in dieser Welt doch auch seine Voraussetzungen, sein Werk in der Geschichte ihre Keime hatte — wird der Glaube diese Vergangenheit unberührt und der Welt als Erzeugniß ihrer eignen Schöpferkraft lassen? unmöglich! Was dem Himmlischen als Vorbereitung diente, muß gleichfalls himmlischen Ursprungs seyn, was in der Vergangenheit zu ihm gehört, ist kein Menschenwerk — selbst die Keime, die sein Werk in der Vergangenheit hatte, standen unter dem Einfluß des Himmlischen und sind nur durch ihn belebt und angeregt. |
The same need and the same boldness were at first still unabashedly connected with each other, when the Christian view, in order to explain the novelty of its own content, transferred its origin to heaven and removed a man, of whom again one did not know anything else than that he was the son of his parents like his brothers and sisters, as the son of the living God from the influence and the effect of the historical causes, whose union is otherwise the prerequisite for the appearance of the epoch-making heroes. But also this need found the boldness, with which it had satisfied itself at the beginning, gradually no longer bold enough and left no rest for the faith, until it had made the heavenly world completely its own and had justified the boldness of its original assumption by the historical proof that Jesus was really begotten by the power of the Godhead.
But if the heavenly One in this world also had his preconditions, his work in history its germs – will faith leave this past untouched and to the world as a product of its own creative power? impossible! What served as preparation for the heavenly must also be of heavenly origin, what belongs to it in the past is not man’s work – even the germs that its work had in the past were under the influence of the heavenly and are only animated and stimulated by it. |
271/272 | Als dieser Repräsentant der Vergangenheit, als die Fülle der Kräfte, die sie enthielt und dem Dienst des Himmlischen darbieten konnte, ist auch der Täufer in den wunderbaren Proceß, durch welchen die Persönlichkeit Jesu gesetzt wird, in der Vorgeschichte des Lukasevangeliums ausgenommen. Ein und derselbe Engel, der der Jungfrau die Botschaft bringt, daß sie von der Kraft des Höchsten den Erlöser seines Volks empfangen werde, meldet auch dem Vater des Täufers, daß ihm wider Erwarten ein Sohn werden solle, der in der Kraft und im Geiste des Elias dem Herrn vorangehen und ihm für seine Ankunft das Volk vorbereiten werde. Ist der Herr kraft seiner messianischen Prärogative unmittelbar der Sohn des Höchsten, so lag die Geburt des Täufers wenigstens außerhalb aller Gränzen der menschlichen Berechnung und konnte das Kind der greisen Eltern nur ein göttliches Geschenk seyn. Der Zusammenhang zwischen dem Vorläufer und dem Herrn offenbarte sich endlich in der Verwandtschaft ihrer Mütter — die ueber- legenheit des Spätern in der Huldigung, die ihm der Vorläufer schon in seiner Mutter Leibe darbrachte. | As this representative of the past, as the fullness of the powers which it contained and could offer to the service of the heavenly, also the Baptist is excluded in the miraculous process by which the personality of Jesus is set, in the prehistory of the Gospel of Luke. One and the same angel who brings the message to the virgin that she will receive the redeemer of his people from the power of the Most High, also informs the father of the Baptist that, contrary to expectation, a son is to be born to him, who will precede the Lord in the power and spirit of Elijah and prepare the people for his coming. If the Lord, by virtue of his messianic prerogative, is directly the Son of the Most High, then the birth of the Baptist was at least beyond all limits of human calculation and the child of the aged parents could only be a divine gift. The connection between the forerunner and the Lord was finally revealed in the relationship of their mothers – the superiority of the later in the homage which the forerunner already offered him in his mother’s womb. |
272 | Ist es also nicht klar, daß der Herr der Gebieter der gesammten Geisterwelt ist? Nur durch ihn empfing die Vergangenheit ihr Leben — die Geschichte hatte nur Einen Zweck — ihn — und ist diese Einheit nicht gewiß und über allen Zweifel erhaben, wenn Ein und derselbe Himmelsbote, derselbe Engel, der schon den Auserwählten der Vergangenheit die Offenbarungen des Himmels überbrachte, geschäftig auf umd nieder fährt, um seine und seines Vorläufers Geburt zu verkündigen? Ist seine Einzigkeit und Herrlichkeit nicht bewiesen, wenn die Geisterwelt des Himmels sich um seine Wiege schaart und ihm als dem Meister und Vollender huldigt?
Ja, für die religiöse Anschauung ist Alles das bewiesen. |
Is it not clear then that the Lord is the master of the whole spirit world? Only through him the past received its life – history had only one purpose – him – and is this unity not certain and beyond all doubt, when one and the same messenger of heaven, the same angel, who already delivered the revelations of heaven to the elect of the past, busily goes up and down to announce his and his forerunner’s birth? Is not his uniqueness and glory proven when the spirit world of heaven gathers around his cradle and pays homage to him as the master and perfector?
Yes, for the religious view all this is proved. |
273 | Weil das religiöse Selbstbewußtseyn weder die Einheit seiner innern Welt noch den Gang der Geschichte kannte, die zu ihm führte, so wirft es die Einheit aus sich heraus in den göttlichen Ratbschluß und läßt es denselben durch Einen und denselben Engel vollziehen.
Der Glaube fühlte sich als die Vollendung des Alterthums, wußte es wohl, daß die Geister, die zerrissen von ihren bisherigen Arbeiten Ruhe in der Lösung des Räthsels gesucht, daß die Volksgeister des Alterthums, die Geister der alten Religionen, die des Zukünftigen geharrt hatten, sich um seine Wiege drängten und die Frucht ihrer Kämpfe begrüßten — aber der Glaube wußte es auch nicht, da er die mühseligen Vorbereitungen und Vermittlungen seiner selbst im Reichthum der wirklichen Geschichte nicht aufzufinden vermag — die Geister, die die Geburtsstunde der Vollendung feiern, holt er daher von droben, aus der jenseitigen Lichtregion, die von den Kämpfen der geschichtlichen Heroen nicht berührt wird. Seine geschichtliche Geburt hat der Glaube in der evangelischen Vorgeschichte dargestellt — aber auch zugleich seine Unwissenheit über seine wirkliche Geschichte ausgedrückt. Doch er will nicht nur unwissend seyn, sondern behauptet geradezu, indem er seine Geschichte aufsucht und niederschrcibt, daß er der wirklichen Geschichte nicht entsprossen sey. |
Because the religious self-consciousness knew neither the unity of its inner world nor the course of history that led to it, it threw the unity out of itself into the divine counsel and let it execute the same through one and the same angel.
Faith felt itself to be the completion of antiquity, knew it well that the spirits, torn by their previous work, sought rest in the solution of the riddle, that the popular spirits of antiquity, the spirits of the old religions, which had been waiting for the future, crowded around its cradle and welcomed the fruit of their struggles – but faith did not know it either, since it could not find the laborious preparations and mediations of itself in the wealth of real history – therefore it fetches the spirits that celebrate the hour of birth of perfection from above, from the region of light beyond, which is not touched by the struggles of the historical heroes. The faith has represented its historical birth in the evangelical prehistory – but also expressed at the same time its ignorance about its real history. However, he does not only want to be ignorant, but he actually claims, by looking up his history and writing it down, that he has not sprouted from the real history. |
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273/274 |
Die Geburt des Täufers. Die religiöse Anschauung schließt nämlich die geschichtliche Vermittlung ihrer selbst auch ausdrücklich aus und verwebt in ihre Werke die Betheurung und den Beweis, daß sie kraft ihres himmlischen Ursprungs üher diese Vermittlung erhaben sey. So ist der Täufer als Spätgeborner ein Geschenk der göttlichen Macht und Gnade — nicht der Kraft und dem gewöhnlichen Verlauf der Natur hat er seinen llrsprung zu verdanken, sondern Gott hat seine Eltern gesegnet und begnadigt und ohne den Segen dieser Gnade wäre die Natur unfähig gewesen, ihn hervorzubringen. Jn dieser unfähigkeit der Natur wird aber der religiösen Anschauung die unfähigkeit der Geschichte klar und gewiß. |
The birth of the Baptist. The religious view explicitly excludes the historical mediation of itself and interweaves into its works the assumption and the proof that it is superior to this mediation by virtue of its heavenly origin. Thus the Baptist as a late-born is a gift of divine power and grace – he did not owe his origin to the power and the ordinary course of nature, but God blessed and pardoned his parents and without the blessing of this grace nature would have been incapable of bringing him forth. In this incapacity of nature, however, the incapacity of history becomes clear and certain to the religious view. |
274/275 | Wenn Gott wirken soll, muß die Natur ihre zeugende Kraft verloren haben, — wenn die Heilssonne aufgehen soll, muß die Geschichte ersterben seyn, damit es nicht geläügnet werden kann, daß sie aus dem Dunkel ihres Todes das Licht der Welt nicht erzeugen konnte. Jn den Epochen, in welchen die Geschichte alle Zeugungsfähigkeit verloren zu haben scheint und trotz der allgemeinen Erschlaffung auf einmal die Kraft eines neuen Princips aufsteht und Helden schafft, vermag die religiöse Anschauung nicht das geheime Band zwischen der scheinbaren Erschlaffung und dem Hervorgang der neuen Kraft zu erkennen; da ihr die geheime Werkstätte der Geschichte verschlossen ist, so ist eS ihr auch undenkbar, daß die scheinbare Abgestorbenheit der Schlaf ist, in welchem sich die neuen Kräfte sammeln und stärken, bis sie die Bande der Erstarrung zersprengen — statt die Erschlaffung zu erkennen, läßt sie dieselbe vielmehr als eine willkommene Voraussetzung bestehen und hat sie ihre Freude daran, der weltlichen Erschöpfung die Allmacht des Himmels entgegenzusetzen, der auf dem Gebiet des weltlichen Todes sein ewiges Reich gründet. Mit plastischem Jnstinct hat die religiöse Anschauung in der Geburt des Täufers diesen Gegensatz der geschichtlichen Abgestorbenheit und der belebenden Kraft des Himmels dargestellt: — seine Person ist die Gränzmarke zwischen der Erschlaffung der vorhergehenden Jahrhunderte und dem Aufgang der Heilssonne, mit seiner Geburt tritt das Leben in den geschichtlichen Tod ein und der innere Gegensatz der Geschichte so wie die geheime Arbeit derselben wird nun in der Kümmer- niß eines greisen Ehepaares und dessen später Begnadigung mit dem Sohne, der im Geist des Elias wirken soll, ans Licht gezogen und gedeutet. | If God is to work, nature must have lost its generative power, – if the sun of salvation is to rise, history must have died, so that it cannot be lied that it could not produce the light of the world out of the darkness of its death. In the epochs in which history seems to have lost all procreative capacity and, despite the general slackening, the power of a new principle suddenly arises and creates heroes, the religious view is not able to recognize the secret bond between the apparent slackening and the emergence of the new power; Since the secret workshop of history is closed to it, it is also inconceivable to it that the apparent slackening is the sleep in which the new forces gather and strengthen themselves until they break the bonds of torpor – instead of recognizing the slackening, it rather lets it exist as a welcome condition and takes pleasure in opposing the worldly exhaustion with the omnipotence of heaven, which founds its eternal kingdom on the field of worldly death. In the birth of the Baptist, the religious view has vividly portrayed this contrast between the historical deadness and the invigorating power of heaven: – His person is the boundary mark between the slackening of the preceding centuries and the rising of the sun of salvation, with his birth life enters into the historical death and the inner contrast of history as well as the secret work of it is now drawn to light and interpreted in the care of an aged married couple and their later pardon with the son who is to work in the spirit of Elijah. |
275/276 | Wenn es aber bedeutsam ist, daß der Täufer der Spätgeborene eines greisen Ehepaares ist, so ist es wenigstens fraglich, ob die Notiz, daß er der Sohn eines Priesters ist, das Einzige, was von dem Bericht als geschichtlich übrig bliebe, in dieser kahlen Bedeutungslosigkeit der Geschichte angehört und nicht auch der Kunst der religiösen Anschauung entsprungen ist. Wenn es nothwendig ist, daß er ein Kind der göttlichen Gnade war, so ist es mehr als fraglich, ob er nur einem Zufall seine Abstammung von einem Priester verdankte. Wenn alle übrigen Bestandtheile deö Berichts, wenn Jdee und Detail der Ausführung das Werk der religiösen Kunst sind, so ist es mehr als wahrscheinlich, daß die Bedeutung seiner priesterlichen Stellung ihm einen Priester als Vater verschaffte. Er hat das Volk zu seinem Messias geführt, — er ist die Blüthe des Priesterthums in Israel, er trat auf, als die priesterliche Vermittlung in Jsrael erschlafft und für die Erzeugung eines neuen Lebens kraftlos zu seyn schien
— durch göttliche Huld ward er einem bejahrten Priester geschenkt, der nach menschlicher Ansicht auf einen Nachkömmling nicht mehr hoffen durfte — sein Vater, das Abbild der gesunkenen Priesterschaft Jsraels muß seinem Stande soweit treu bleiben, daß er in dem unglauben, mit dem er die Botschaft des Engels aufnimmt, auch die unempfängliche darstellt, die die theokratische Obrigkeit dem Neuen und der Erfüllung der Weissagung entgegensetzte — Alles also, was von seinem Vater berichtet wird, ist bedeutend und nur um dieser Bedeutung willen vorhanden — was sein Vater ist, was er thut und was ihm geschieht, dient nur dazu, seine Stellung in der Geschichte des Reiches Gottes zu erklären — somit kann es kaum noch zweifelhaft seyn, daß sein Vater auch nur um seinetwillen Priester ist und daß er derselben Kunst der Anschauung, die ihm greife Eltern schenkte und seinen Vater straucheln ließ, auch seine Abstammung von einem Stande verdankte, dessen Blüthe und Ende er war. |
But if it is significant that the Baptist is the late-born of an old married couple, then it is at least questionable whether the note that he is the son of a priest, the only thing that would remain of the report as historical, in this bare insignificance belongs to history and has not also sprung from the art of the religious view. If it is necessary that he was a child of divine grace, then it is more than questionable whether he owed his descent from a priest only to a coincidence. If all the other components of the report, if idea and detail of the execution are the work of the religious art, then it is more than probable that the meaning of his priestly position provided him a priest as a father. He led the people to their Messiah, – he is the blossom of the priesthood in Israel, he appeared when the priestly mediation in Israel seemed to slacken and to be powerless for the generation of a new life – by divine grace he was given to an aged priest, who, according to human opinion, could no longer hope for an offspring – his father, the image of the sunken priesthood of Israel, must remain faithful to his status so far that in the incredible with which he receives the message of the angel, he also represents the unresponsive one, which the theocratic authorities opposed to the new and the fulfillment of the prophecy – So everything that is reported about his father is significant and only exists for the sake of this significance – what his father is, what he does and what happens to him only serves this purpose, Thus, it can hardly be doubted that his father is also a priest only for his sake and that he owed his descent from a state whose bloom and end he was to the same art of perception that gave him grasping parents and made his father stumble. |
276/277 | Nur um des Täufers willen muß sein Vater die himmlische Botschaft mit Zweifel aufnehmen und während Maria, die nicht weniger beim Empfang der Engelbotschaft an der Möglichkeit des Erfolgs zweifelte, und Abraham für eine ähnliche Verschuldung straflos blieben, während Gideon’s aufdringliche Zumuthung, daß er nicht nur wie Zacharias Ein Zeichen als Bestätigung der Wahrheit der Engelsbotschaft, sondern als Bewährung und Gegenprobe für das erste noch ein zweites Zeichen forderte, keinen Tadel fand, — muß Zacharias mit Stumm- heit, bis der Erfolg das unrecht seines Zweifels beweisen würde, bestraft werden, damit der von dem Engel vorgeschriebene Name des Kindes ein Geheimniß bleibe und die Vorausbestimmung desselben um so gewisser werde, wenn die Mutter am Tage der Beschneidung dem Kinde denselben Namen geben will, ohne von dem Gebot des Engels Etwas gehört zu haben. Der Vater des Täufers muß straucheln und dafür büßen, damit der Name seines Sohnes als ein von Gott geordneter offenbar werde. Wenn nämlich der Name weltgeschichtlicher Männer mit ihrer Person allmählig so sehr verwächst, daß Beides endlich Eins scheint und der Volksglaube es für unmöglich hält, daß sie unter einem andern hätten existiren können, so hat der religiöse Glaube für diese Nothwendigkeit des Zusammenhangs zwischen der Person seiner Helden und ihrem Namen — eines Zusam-menhangs, an dem er gleichfalls festhält — die Lösung bereit, die ihm alle Räthsel löst — die göttliche Fügung. | Only for the sake of the Baptist must his father receive the heavenly message with doubt, and while Mary, who no less doubted the possibility of success when receiving the angel’s message, and Abraham remained unpunished for a similar indebtedness, while Gideon’s insistent insistence that he not only demanded, like Zacharias, a sign as confirmation of the truth of the angel’s message, Zacharias must be punished with silence until success would prove the wrongness of his doubt, so that the name of the child prescribed by the angel would remain a secret and the predetermination of the child would become all the more certain if the mother wants to give the child the same name on the day of circumcision without having heard anything about the command of the angel. The father of the Baptist must stumble and atone for it, so that the name of his son is revealed as one ordered by God. If the name of world-historical men gradually grows together with their person to such an extent that both finally seem to be one and the popular faith considers it impossible that they could have existed under another, then the religious faith has ready for this necessity of the connection between the person of its heroes and their name – a connection to which it likewise clings – the solution which solves all riddles for it – the divine providence. |
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277/278 |
Die übernatürliche Erzeugung Jesu. Die Werke der religiösen Anschauung, selbst wenn sie das Göttliche in einer schöpferischen Macht darstellen, vor der die Menschheit sich als schlechthin ohnmächtig bekennen muß, sind nur möglich, wenn der geschichtliche Geist wirklich die Macht in sich empfunden hat, die er als religiöses Bewußtseyn der Gottheit als ausschließliches Eigenthum zuschreibt. Jn den wüsten Kämpfen seiner Wollust, die es von dem strengen Einheitspunkte seines gesetzlichen Bewußtseyns abwandte und in die Genüsse des Naturdienstes hineinzog, war das hebräische Volk nie dahin gekommen, daß es sich als wirkliches Gemeinwesen, als gegenwärtige geschichtliche Macht oder — religiös ausgedrückt — als die Wohnung des göttlichen Geistes hätte fassen können. Es rang, kämpfte, strebte, den gesetzlichen Gegensatz aufzuheben und die Gerechtigkeit, die das Privilegium des göttlichen Willens bildete und im Gesetz verschlossen war, in sein Jnneres zu verlegen und zum eignen Lebensquell umzu- wandeln — allein es kämpfte und strebte nur und gelangte nicht zum Genuß des Gelingens. Seine höchsten Anschauungen vom Messias, in denen es seine innern Erlebnisse, Hoffnungen und Forderungen darstellte, bringen es trotz aller Ansätze und Anstrengungen doch nie zu einer vollendeten Einheit des Getrennten und ihre schwankende Haltung, ihre verschwelende Natur, ihr Auseinandersallen in eine Menge Versuche, die sich nicht zu einem einzigen Bilde zusammenfügen wollten — Alles das hatte zur Folge, daß sie auch noch nicht an die Spitze des Volkö-leben- treten, dasselbe beherrschen und die ganze Welt des Bewußtseyns sich unterwerfen konnten. Den ueberwinder des gesetzlichen Gegensatzes konnte das hebräische Volk noch nicht zu seinem Haupte machen, weil es selbst mit dem Gegensatz noch rang — die Einheit konnte es sich nicht zur Anschauung bringen, weil es sie selbst noch nicht fühlte und im innern Besitz hatte — mit dem ueberwinder des allumfassenden Gegensatzes an der Spitze konnte es sich noch nicht als die weltbe- herrschende Gemeinde offen hinstellen, weil es noch nicht die Kraft hatte, den Gegensatz seines Lebens selbst zu umfassen und in der Einheit des Selbstbewußtseyns aufzulösen. |
The supernatural generation of Jesus. The works of religious contemplation, even if they represent the divine in a creative power before which mankind must confess to be absolutely powerless, are only possible if the historical spirit has really felt the power in itself, which it ascribes as religious consciousness to the divinity as its exclusive property. In the desolate struggles of its lust, which turned it away from the strict point of unity of its legal consciousness and drew it into the pleasures of the service of nature, the Hebrew people had never come to the point that it could have grasped itself as a real community, as a present historical power or – religiously expressed – as the dwelling of the divine spirit. It struggled, fought, strove to abolish the legal opposition and to transfer justice, which was the privilege of the divine will and was closed in the law, into its inner being and to transform it into its own source of life – but it only struggled and strove and did not attain the enjoyment of success. Its highest views of the Messiah, in which it presented its inner experiences, hopes and demands, never brought it, in spite of all attempts and efforts, to a complete unity of what was separated, and its wavering attitude, its fading nature, its falling into a multitude of attempts that did not want to unite into a single picture – all this had the consequence that it could not yet step to the top of the people’s life, dominate it and subjugate the whole world of consciousness to itself. The Hebrew people could not yet make the overcomer of the legal opposition its head, because it was still struggling with the opposition itself – it could not bring the unity to its view, because it did not yet feel it and had it in its inner possession – with the overcomer of the all-embracing opposition at the head it could not yet openly present itself as the world-dominating community, because it did not yet have the power to embrace the opposition of its life itself and to dissolve it in the unity of self-consciousness. |
278 | Erst die christliche Gemeinde fühlte sich als die Einheit des tiefsten Gegensatzes und trug über den gesetzlichen Standpunkt den Sieg davon — ein Erfolg, der ihr freilich nur durch das schwerste Opfer, — dadurch möglich wurde, daß sie die menschliche Seite ausopferte. Durch die Erfahrungen und vergeblichen Anstrengungen des hebräischen Volks belehrt, gab sie es auf, die Gerechtigkeit, diese Prärogative des göttlichen Willens durch die endlose Gesetzeserfüllung zu gewinnen — der Trotz und Eigensinn des Menschlichen, welches auf dem gesetzlichen Standpunkte dem Göttlichen gegenüber noch seine Eigenheit behauptete und am Ende doch noch die Unendlichkeit der Gebote zu erfüllen hoffte, war durch die Schläge der Erfahrung widerlegt und gebrochen und die Gemeinde zog es nun vor, den Gegensatz dadurch aufzuheben, daß sie ihn als nichtig und unberechtigt anerkannte und das Menschliche überhaupt als sündhaft und ohnmächtig preisgab, um dafür die Kraft Gottes zu gewinnen. | Only the Christian community felt itself to be the unity of the deepest opposition and won the victory over the legal point of view – a success, of course, which became possible for it only through the most difficult sacrifice, – by sacrificing the human side. Taught by the experiences and futile efforts of the Hebrew people, it gave up trying to win justice, this prerogative of the divine will, by the endless fulfillment of the law – the defiance and obstinacy of the human side, which on the legal standpoint still asserted its peculiarity to the divine and in the end still hoped to fulfill the infinity of the commandments, had been refuted and broken by the blows of experience, and the congregation now preferred to abolish the opposition by recognizing it as void and unjustified and by abandoning the human in general as sinful and impotent in order to gain the power of God for it. |
278/279 | Die Gemeinde fühlte sich als die Einheit, die der Welt Meister werden und alle untergeordneten Gegensätze sich unterwerfen mußte — als die Allgemeinheit, die alle geschicht lichen Gestaltungen des Alterthums verzehren und die Privilegien der Völker stürzen würde; kam es aber nun darauf an, zu bestimmen, wie sie entstanden und zu ihren Ansprüchen auf die Weltherrschaft gelangt sey, so war es ihr unmöglich, sich als Resultat der geschichtlichen Entwicklung des Selbstbewußtseyns zu begreifen, ihren Sieg als Verzweiflung des Alterthums, ihre Einzigkeit als den Verfall aller besondern Privilegien, ihre Zukunft als die eigne Auflösung der Volksgeister zu erkennen, ihre Allgemeinheit als die Flucht des Geistes aus der Masse der einzelnen Satzungen, die ihm nicht mehr genügten, ihren Kampf mit dem Weltreich als die letzte Kriegslist der zerschlagenen Geister, die der Herrschaft des Gewaltigen zu Rom ihren besten Theil entzogen, ihm das Jrdische ließen und im Himmelreich eine Kriegsschaar sammelten, die dem Herrn der Welt zuletzt auch sein Ende bereiten würde: — nach ihrer Anschauung ist sie nicht aus eigner Kraft, noch auch durch den eignen Verlauf der Geschichte entstanden, denn das Menschliche gilt ihr als schlechthin ohnmächtig — sie ist vielmehr ein Werk, das ohne menschliches Zuthun rein und allein von Gott gesetzt ist. | The congregation felt itself to be the unity that had to become master of the world and subjugate all subordinate opposites – as the generality that would consume all historical forms of antiquity and overthrow the privileges of the nations; But if it now came to determine how it had come into being and arrived at its claims to world dominion, it was impossible for it to conceive of itself as the result of the historical development of self-consciousness, to recognize its victory as the despair of antiquity, its uniqueness as the decay of all special privileges, its future as the proper dissolution of the spirits of the people, its generality as the flight of the spirit from the mass of individual statutes that were no longer sufficient for it, its struggle with the world empire as the last stratagem of the shattered spirits who took their best part from the rule of the mighty one at Rome, left him what was earthly and gathered in the kingdom of heaven a war band that would finally also bring about the end of the lord of the world: – According to their view, it did not come into being by its own power, nor even by its own course of history, for the human being is considered by them to be absolutely powerless – it is rather a work that is purely and solely set by God without human intervention. |
279 | Wenn sie aber nicht weiß, wie sie entstanden und aus welchem Auflösungsprozeß sie hervorgegangen ist — wer bürgt ihr dann dafür, daß sie wirklich göttliche Stiftung ist? Wer steht ihr dafür, daß der gesetzliche Gegensatz wirklich aufgehoben ist? Eine Thatsache, die ihr fremd und doch auch zugehörig ist — eine Begebenheit, die ohne ihr Zuthun sich zuträgt und doch nur darum für sie Werth hat, weil sie der Zweck derselben ist. Diese Bürgschast ihres eignen Werths und Wesens hat die Gemeinde in der Anschauung von der übernatürlichen Erzeugung Jesu erhalten. | But if it does not know how it came into being and from which process of dissolution it emerged – who vouches for it that it is really divine foundation? Who vouches for it that the legal opposition is really abolished? A fact that is foreign to it and yet also belongs to it – an event that takes place without its doing and yet has value for it only because it is the purpose of it. The church received this guarantee of its own value and essence in the view of the supernatural generation of Jesus. |
279/280 | Weder jüdische Zeitvorstellungen, noch einzelne Ahndungen des Alten Testaments konnten das Werk dieser Anschauung hervorbringen: — nur das neue Selbstgefühl der Gemeinde, nur ihr eigner innerer Gehalt, der ihre universalistische und epochemachende Bedeutung begründete, war im Stande, ihren plastischen Jnstinct zu reizen und ihr zugleich das Material, welches zur Ausführung dieses Werks erforderlich war, zu unterwerfen. Dieß Material lag aber nicht nur in den alttestament- lichen Anschauungen von dem Gesalbten, den Jehova Einmal — Psalm 2, 7 — mit dem Titel seines Sohns beehrt, nicht in der verschwebenden Anschauung des Jesaias (C. 7,14) von dem Sohn der Jungfrau: — um die Sprödigkeit des alttestament- lichen Gegensatzes, der aller Anstrengungen der Propheten spottet und selbst in ihrer Voraussetzung, daß die Person des Messias bereits selbstständig für sich gegeben ist, ehe der Geist Je- hova’s ihm mitgetheilt wird, seine Anerkennung erzwingt, — um diesen Gegensatz vollkommen aufzulösen, dazu bedurfte es, äußer jenem Selbstgefühl der Gemeinde, noch der Mitwirkung der heidnischen Anschauung von der Vertrautheit des Göttlichen und Menschlichen, die in der Vorstellung von der unmittelbaren Erzeugung der Heroen durch die Götter enthalten ist. Erst die Verbreitung des Christenthums in der heidnischen Welt und die Berührung mit deren Anschauungen konnten die Kühnheit erzeugen, die dazu gehörte, daß der göttliche Ursprung Jesu in jener Weise, wie er in den Evangelien des Lukas und Matthäus dargestellt wird, für möglich und gewiß gehalten wurde. | Neither Jewish conceptions of time, nor individual premonitions of the Old Testament could produce the work of this view: – only the new self-feeling of the congregation, only its own inner content, which established its universalistic and epoch-making importance, was able to stimulate its plastic instinct and at the same time to subject it to the material, which was necessary for the execution of this work. But this material was not only in the Old Testament views of the anointed one, whom Jehovah once – Psalm 2, 7 – honored with the title of his son, not in the floating view of Isaiah (ch. 7, 14) of the son of the virgin: – to the brittleness of the Old Testament contrast, which mocks all efforts of the prophets and forces its recognition even in their presupposition that the person of the Messiah is already given independently before the spirit of Jehovah is communicated to him, – In order to completely dissolve this opposition, it still required, apart from that self-feeling of the community, the participation of the pagan view of the intimacy of the divine and the human, which is contained in the idea of the direct generation of the heroes by the gods. Only the spread of Christianity in the pagan world and the contact with their views could produce the boldness that was necessary for the divine origin of Jesus to be considered possible and certain in the way it is presented in the Gospels of Luke and Matthew. |
280/282 | Daß diese Anschauung von der unmittelbaren Erzeugung Jesu durch die Kraft des Höchsten erst später entstanden ist, beweist die Unbefangenheit, mit der der Verfasser des Marcus- evangeliums nicht nur der Geschwister des Herrn gedenkt, sondern auch berichtet, wie seine Mutter an ihm so irre wurde, daß sie ihn (C. 3, 21. 31) für verrückt hielt und mit ihren andern Söhnen ausgegangen war, um ihn einzufangen. Wenn LukaS und Matthäus von dieser Absicht der Mutter Nichts berichten, so folgten sie dem richtigen Gefühl, welches ihnen sagte, daß diejenige, die den Gottgezeugten unter dem Herzen getragen, durch die Beweise seiner Macht nicht zum Zweifel an der Festigkeit seines Verstandes gebracht werden konnte — sonst aber beweist die Lückenhaftigkeit und Haltlosigkeit ihrer Darstellung, daß sie jenen iinbericht, dessen Motivirung ihnen anstößig war, vor Augen hatten: sie lassen gleichfalls die Mutter Jesu sammt seinen Brüdern einmal nach ihm ausgehen, aber sagen dem Leser nicht, in welcher Absicht es geschah, sie theilen darauf gleichfalls das streng abweisende Wort Jesu über seine wahre Mutter und seine wahren Brüder mit, ohne zu sagen, wie der Herr zu dieser Lossagung von seinem Familienzusammenhange kam — sie konnten es nicht über sich bringen, den Bericht ganz fallen zu lassen, weil ihnen der Spruch über diejenigen, die die wahre Familie de’s Herrn bilden, zu bedeutend war, als daß sie ihn hätten aufopfern können, und sie halfen sich damit, daß sie den Bericht einfach verkürzten, d. h. sinnlos und unverständlich machten. Aber sie”) bedachten auch nicht, was sie thaten, als sie durch die Macht dieses Spruches angezogen, die Brüder Jesu erwähnten — sie dachten nicht daran, daß nach der Voraussetzung ihrer Kindheitsgeschichte Geschwister Jesu eigentlich eine Unmöglichkeit seyn mußten, da das Grauen vor dem Wunderbaren, wenn Maria wirklich den Gottgezeugten geboren hätte, es bewirkt haben mußte, daß Joseph derjenigen, die als Jung-stau unmittelbar von der Kraft des Höchsten berührt worden war und die der Höchste ihm selbst entzogen hatte, nachher nicht ehelich beiwohnte. Aber sie konnten nicht anders, da die Nachricht von den Geschwistern Jesu als zuverlässig bereits feststand und in einem Evangelium bereits niedergeschrieben war, das sie benutzten, ausschrieben und dem sie auch den Spruch Jesu über seine Brüder wegen der Bedeutsamkeit desselben entlehnten. Der Buchstabe, der es bezeugte, daß eS Geschwister Jesu gab, hatte für sie bereits so große uebermacht erhalten, daß sie ihn sogar in ihrer Weise weiter bildeten, Lukas die Maria Jesum als ihren Erstgeborenen gebären (C. 2, 7), Matthäus den Joseph nachher, nachdem die Gottbegnadigte von ihrem Erstgebornen entbunden, (C. 1,25) in seine ehelichen Rechte eintreten läßt. | That this view of the direct generation of Jesus by the power of the Most High arose only later, is proven by the impartiality with which the author of the Gospel of Mark not only remembers the brothers and sisters of the Lord, but also reports how his mother became so mad about him that she thought him to be crazy (ch. 3, 21. 31) and went out with her other sons to catch him. When Luke and Matthew report nothing of this intention of the mother, they followed the right feeling, which told them that the one who carried the God-begotten under the heart could not be made to doubt the firmness of his mind by the proofs of his power – but otherwise the incompleteness and groundlessness of their account proves that they had in mind that account whose motive was objectionable to them: they also let the mother of Jesus and his brothers go out after him once, but do not tell the reader with what intention it happened, they also tell the strictly rejecting word of Jesus about his true mother and his true brothers, without saying how the Lord came to this renunciation of his family connection — , They could not bring themselves to drop the report altogether, because the saying about those who form the true family of the Lord was too important for them to be able to sacrifice it, and they helped themselves by simply shortening the report, i.e., making it meaningless and incomprehensible. But they”) also did not consider what they did when they mentioned the brothers of Jesus, attracted by the power of this saying – they did not think of the fact that, according to the premise of their childhood history, brothers and sisters of Jesus actually had to be an impossibility, since the horror of the miraculous, if Mary had really given birth to the God-begotten, must have caused Joseph not to marry the one who, as a young child, had been directly touched by the power of the Most High and whom the Most High himself had withdrawn from him. But they could not do otherwise, since the news of the brothers and sisters of Jesus was already established as reliable and was already written down in a gospel, which they used, wrote out and from which they also borrowed the saying of Jesus about his brothers because of the significance of the same. The letter, which testified that there were siblings of Jesus, had already received such great authority for them that they even continued to form it in their own way, Luke having Mary give birth to Jesus as her firstborn (C. 2, 7), Matthew having Joseph enter into his conjugal rights after the pardoned one had given birth to her firstborn (C. 1,25). |
281* | *) Lukas gilt uns hier als derjenige, von dem das Lukas evangelium in seiner jetzigen Form herrschet. War in einer Quelle, die er be- benutzte, der Bericht des MarcuS auch schon verstümmelt, so wird erst später, wenn sich diese Verstümmelung als eine vom Lukas bereits Vorgefundene ausweist, der Grund derselben bestimmt werden können. | *) Luke is considered here as the one who wrote the Gospel of Luke in its present form. If in a source, which he used, the report of Mark was already mutilated, then only later, if this mutilation proves to be one already found by Luke, the reason of it can be determined. |
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282/283 |
Das Messiaskind. Im Messias hatte das gesammte Alterthum seinen Erlöser und Befreier geboren, aber den religiösen Befreier, der ihm zugleich die unbedingte Selbstverläugnung zur Pflicht machte. Die Befreiung und die unterwerfung unter das härteste Joch — die Erhebung der Volksgeister und ihrer getheilten Bestrebungen zu Einem gemeinsamen Bewußtseyn und die Wegwerfung des Selbstbewußtseyns — die Geburt des Einheitspunktes und das Bekenntniß, daß die Menschheit unfähig sey, sich selber zu helfen und aus den mißlungenen Arbeiten des Alterthums sich in einen neuen Sammelpunkt zu vereinigen — das Alles war Ein Act. Die Menschheit hatte sich aus der Verzweiflung des untergehenden Alterthums gerettet und in einer geistigen Gemeinschaft wieder gewonnen, aber ihr Gewinn war zugleich ihr Selbst-Verlust und ihr ohne ihren Willen, ja auf Kosten ihres Willens und der eignen Schöpferkraft zu Theil geworden. |
The Messiah Child. In the Messiah the entire antiquity had born its redeemer and liberator, but the religious liberator, who at the same time made the unconditional self-denial his duty. The liberation and the submission under the hardest yoke – the elevation of the people’s spirits and their divided aspirations to a common consciousness and the throwing away of self-consciousness – the birth of the point of unity and the confession that mankind is incapable of helping itself and of uniting from the failed works of antiquity into a new rallying point – all this was one act. Mankind had rescued itself from the despair of the declining antiquity and had regained itself in a spiritual community, but its gain was at the same time its loss of self and had been bestowed upon it without its will, even at the expense of its will and its own creative power. |
283 | Die neue Freiheit, die die geknechtete Menschheit sich erworben — sie ist ihr von oben geschenkt worden, weil sie in ihrer Ohnmacht rettungslos darniederlag. Der geistige Ersatz, den das Alterthum für die untergegangene Pracht seiner politischen Schöpfungen, für seine ersterbende Kunstbegeisterung — den es, nachdem die Menge seiner philosophischen Systeme es irre gemacht und in der Natur nicht mehr die Götter sich ihm offenbaren wollten, in der einfachen Sammlung seines Jnnern fand — er ist ein himmlisches Gnadengeschenk, das ihm ohne sein Zuthun, ja, wider Verdienst zu Theil ward.
Vor der Hilfe, die die Menschheit in sich selber gefunden, aber freilich erst gesunden, nachdem sie zerschlagen und fast aufgerieben an der Rettung verzweifelt hatte, wirft sie sich in ihrer religiösen Zerknirschung wie vor dem allergrößtsten Wunder nieder und sie betet dieselbe in dem Heiland, dem Gottgezeugten an. Sie selbst war hilflos, — aber von oben ist die Hilfe geworden; sie war rettungslos verloren — aber Gott hat ihr das Heil bereitet; sie liegt zu Boden — aber der Herr steht zur rechten Zeit da. Schon um dieses Gegensatzes willen ist die Hilflosigkeit dem religiösen Bewußtseyn von außerordentlichem Werth. Sie gehört zum Heil als sein Gegensatz — als der Wendepunkt, wo die Macht des Göttlichen, nachdem die Menschheit ihre Ohnmacht eingestanden hat, eintritt, — als der wahre Boden, auf dem die Gottheit sich offenbart — als der strafende Kontrast gegen die ganze übrige Welt, die im Vertrauen auf ihre Selbstmacht noch im Gedanken steht, daß sie den Quell der Hilfe in sich selber trage. |
The new freedom that the oppressed humanity acquired – it was given to it from above, because it lay helpless in its powerlessness. The spiritual substitute that antiquity found for the vanished splendor of its political creations, for its dying enthusiasm for art – that it found, after the multitude of its philosophical systems had driven it astray and the gods no longer wanted to reveal themselves to it in nature, in the simple collection of its people – it is a heavenly gift of grace that was bestowed upon it without its doing, indeed, against its merit.
Before the help that mankind found in itself, but of course only recovered after it had despaired of salvation, shattered and almost worn out, it prostrates itself in its religious contrition as before the greatest miracle and worships it in the Savior, the God-begotten. She herself was helpless, – but help has come from above; she was hopelessly lost – but God has prepared salvation for her; she lies on the ground – but the Lord is there in due time. For the sake of this contrast alone, helplessness is of extraordinary value to religious consciousness. It belongs to salvation as its opposite – as the turning point where the power of the divine enters after mankind has admitted its powerlessness, – as the true ground on which the divinity reveals itself – as the punishing contrast against the whole rest of the world, which, trusting in its own power, still thinks that it carries the source of help in itself. |
283/284 | Aber der Werth der Hilflosigkeit steigt noch höher. Sie gehört nicht nur zum Heil, sondern sie ist schon sein Anfang, sie ist es selbst, — sie ist es zur Strafe für das weltliche Selbstvertrauen auf die eigne Macht und Herrlichkeit. Um diese Strafe schon bei seinem Eintritt in die Welt zu vollziehen und von vornherein die umkehrung des Hohen und Niedrigen zu bewirken, nimmt die göttliche Allmacht selbst die Gestalt der Hilflosigkeit an und bewährt sie sich gerade, wenn sie im Gesäß der Niedrigkeit und Verlassenheit sich zur Erscheinung bringt. Wenn der Erlöser als Kind schon sich als mächtig beweist, als den Herrn der Geschichte bewährt — dann erst ist die Hilflosigkeit der Welt vollständig an das Licht gezogen und zugleich verklärt. Wie schwach und elend muß die Welt seyn, wenn ein neugeborenes Kind in der Krippe eines Stalls schon die Geister anzieht und ihnen der Bürge der Erlösung ist — wie mächtig muß aber auch das Elend seyn, welche Kraft muß der Hilflosigkeit innewohnen, wenn dieses Kind in die Nacht der Welt das unvergängliche Licht bringt. Wenn die Gemeinde sich vor diesem Kinde niederwarf, mußte die Menschheit freilich vom Gefühl ihrer Hilflosigkeit niedergebeugt seyn — aber in dem hilflosen Neugeborenen feierte sie zugleich ihre Hilflosigkeit als ihre wahre Macht und als den Quell ihrer Wiedergeburt. | But the value of helplessness rises even higher. It is not only part of salvation, but it is already its beginning, it is it itself, – it is it as a punishment for the worldly self-confidence in one’s own power and glory. In order to carry out this punishment already at his entrance into the world and to cause the reversal of the high and low from the beginning, the divine omnipotence itself takes the form of helplessness and proves itself just when it makes its appearance in the buttocks of lowliness and abandonment. When the Redeemer as a child already proves himself as powerful, proves himself as the Lord of history – only then the helplessness of the world is completely drawn to the light and at the same time transfigured. How weak and miserable the world must be, if a newborn child in the manger of a stable already attracts the spirits and is the guarantor of redemption for them — but how powerful the misery must be, what strength must be inherent in the helplessness, if this child brings the imperishable light into the night of the world. When the congregation prostrated itself before this child, mankind must have been bowed down by the feeling of its helplessness – but in the helpless newborn it celebrated at the same time its helplessness as its true power and as the source of its rebirth. |
284/285 | Jn der Feier dieses Kindes geht die religiöse Anschauung soweit, daß sie es schon vor seiner Geburt die Keime der Vergangenheit beleben und durch das Vorgefühl seiner Nähe in Bewegung setzen läßt. Als nämlich Maria von dem Engel, der ihr meldete, daß die Kraft des Höchsten sie überschatten würde, zugleich erfuhr, daß ihre Verwandte Elisabeth trotz ihres Alters auch mit einem Sohne schwanger sey und jetzt im sechsten Monat gehe, machte sie sich auf, um dieselbe zu besuchen. Elisabeth wußte nicht, daß Maria zur Mutter des Messias erkoren sey, — aber durch das außerordentliche Wunder, daß beim Gruß derselben das Kind vor Freude in ihrem Leibe aufhöpfte, und indem sie zu gleicher Zeit vom heiligen Geist voll ward und die Bedeutung dieser wunderbaren Bewegung ihres Kindes erkannte, erfuhr sie, wer ihr Haus betritt und bringt sie wie ihr Kind der Mutter des Messias ihre Huldigung dar. | In the celebration of this child the religious view goes so far that it lets it already animate the germs of the past before its birth and set it in motion by the anticipation of its nearness. When Mary heard from the angel, who told her that the power of the Most High would overshadow her, that her relative Elizabeth, despite her age, was also pregnant with a son and was now in her sixth month, she set out to visit her. Elizabeth did not know that Mary had been chosen as the mother of the Messiah, but through the extraordinary miracle that at her greeting the child leapt up with joy in her womb, and by being filled with the Holy Spirit at the same time and recognizing the significance of this miraculous movement of her child, she learned who was entering her house and, like her child, offered her homage to the mother of the Messiah. |
285 | Jn der Mutter wird natürlich der Sohn, in der Gebenedeiten der Frauen der, um deffentwillen sie gebenedeit ist, gefeiert. Die göttliche Allmacht zwar hat den welken Schooß der Elisabeth mit neuem Leben beschenkt — aber warum? Nur um des Messias willen, damit derselbe seinen Vorläufer habe und wenn er kommt, seine Wege bereitet finde. Der Spätere ist der Zweck, der Vorgänger nur der Diener — der Größere, der einzig Große die Lichtsonne, deren Strahlen die Geschichte erleuchten und die auch vor ihrem Aufgange den Sternen, die ihre Nähe ankündigten, ihr Licht geliehen hat. Diejenige Auffassung vom Verhältniß der geschichtlichen Unterordnung, der der Niedere in der Geschichte von dem Höheren, auch wenn dieser folgt, insofern als bedingt gilt, als die Jdee, an der Beide arbeiteten, durch den Spätern erst zu ihrer vollen Klarheit entwickelt wurde und diese Entwicklung es eigentlich war, was den Früheren erweckte, reizte, trieb und zu seiner Arbeit begeisterte — diese an sich selbst schon bildliche Betrachtungsweise führt die religiöse Anschauung soweit in das Plastische fort, daß sie den Früheren unter den persönlichen Einfluß des Spätern stellt und die ueberlegenheit desselben von vorn herein anerkennen läßt. | In the mother, of course, the son is celebrated, in the most blessed of women the one for whose sake she is blessed. The divine omnipotence has endowed the withered womb of Elizabeth with new life – but why? Only for the sake of the Messiah, so that he may have his forerunner and find his ways prepared when he comes. The later is the purpose, the predecessor only the servant – the greater, the only great one the sun of light, whose rays illuminate history and which also lent its light before its rise to the stars, which announced its proximity. The conception of the relation of historical subordination, to which the lower in history is subordinated by the higher, even if the latter follows, is considered conditional insofar as the idea on which both worked was only developed to its full clarity by the later and it was actually this development, This in itself already figurative way of looking at things leads the religious view so far into the plastic that it places the earlier under the personal influence of the later and lets the superiority of the latter be acknowledged from the beginning. |
285/286 | Der Spätere wirkt nach der religiösen Anschauung im Voraus, ehe er selbst auftritt — er wirkt in seiner Mutter Leibe — die Nähe seiner Erscheinung ist es, was die Keime der Vergangenheit, die geistigen Gestaltungen, die im Schooß des geschichtlichen Geistes liegen, erregt und zum Aufgehen bringt. Er selbst ist es, der diese Keime weckt und um dessent-willen sie aufgehen, und Alles, was vor ihm Bedeutendes und Lebenskräftiges aufgetreten, es hat nur durch ihn seine Bedeutung und Lebenskraft erhalten: — diese allgemeine Beziehung auf die Vergangenheit liegt wenigstens der Anschauung von der wunderbaren Erregung des Täufers zu Grunde, da er ihr nicht nur als der unverhoffte Sproß des abgelebten Priesterthums, sondern überhaupt als die letzte und abschließende Frucht der Vergangenheit als das Größte gilt, was die ganze Zeit vor dem Herrn erzeugen konnte. | The later, according to the religious view, works in advance, before he himself appears – he works in his mother’s body – the nearness of his appearance is what arouses the germs of the past, the spiritual formations, which lie in the womb of the historical spirit, and brings them to emerge. It is he himself who awakens these germs and for whose sake they come to life, and everything that was significant and vital before him has received its significance and vitality only through him: – this general relationship to the past lies at least at the basis of the view of the marvelous excitement of the Baptist, since he is regarded by it not only as the unexpected offspring of the departed priesthood, but in general as the last and concluding fruit of the past, as the greatest thing that the whole time before the Lord could produce. |
286/287 | Es war ein richtiger Tact, was die religiöse Anschauung, als sie diesen persönlichen Zusammenhang des Täufers und des Messias darstellen wollte, bewog, ihre Begegnung in die Zeit zu verlegen, wo sie noch nicht zu ihrer geschichtlichen Selbst- ständigkeit auseinander getreten waren, und ihre Berührung unter dem Zusammentreffen ihrer Mütter zu verdecken. Wenn jene Abhängigkeit deS Früheren vom Späteren, des Niederen vom Höheren, die vorauswirkende Begeisterung des Vorläufers durch den Vollender in Etwas Anderem gesucht wird, als in der Einheit des geschichtlichen Geistes und seiner Bestrebungen, oder im Zusammenhang der geschichtlichen Entwicklung, so wird ein Zusammenhang, der nur an sich und erst für die spätere Betrachtung da ist, ins Mystische gezogen, — für die gewöhnliche Vorstellung erscheint er als ein Geheimniß, welches nur der Vorsehung klar ist — für die religiöse Anschauung ist er eine Gewißheit, die in der Einheit des göttlichen Willens und in der vorauswirkenden Wunderkrast des Spätern ihre Bürgschaft besitzt — aber das Geheimniß jenes Verhältnisses behält auch die religiöse Anschauung in ihrer Plastik soweit noch bei, daß sie die Berührung des Früheren durch den Späteren, des Vorläufers durch die Vollender in die Zeit verlegt, wo Beide noch im Mutterschooß verschlossen waren. Jhr Zusammenhang machte sich in der geheimen Werkstatt der Geschichte. | It was a correct act, which moved the religious view, when it wanted to represent this personal connection of the Baptist and the Messiah, to transfer their meeting into the time, where they had not yet stepped apart to their historical independence, and to cover their contact under the meeting of their mothers. If the dependence of the earlier on the later, of the lower on the higher, the precursory enthusiasm of the forerunner by the perfector is sought in something other than the unity of the historical spirit and its aspirations, or in the connection of the historical development, then a connection that is only there in itself and only for later observation is drawn into the mystical, – for the ordinary imagination it appears as a mystery, For the religious view it is a certainty, which has its guarantee in the unity of the divine will and in the miracle-working miracle of the later – but the religious view still keeps the secret of that relation in its plastic so far, that it transfers the contact of the earlier by the later, of the forerunner by the perfecter into the time, where both were still locked in the womb. Their connection made itself in the secret workshop of the history. |
287 | Sobald jedoch das Messiaskind das Licht der Welt erblickt hat, weicht das Geheimniß der offenbaren Nothwendigkeit. Schon dem Kinde gehört die Welt huldigen seine Diener — schickt die Welt ihre Boten entgegen, um zu zeigen, daß sie für seinen Empfang vorbereitet ist. Die Empfänglichkeit der Welt ist der religiösen Anschauung erst klar und gewiß, wenn bei der Geburt deS Messias Alles fertig ist — die weltgeschichtliche Bedeutung ihres Meisters kann sie sich nicht anders als so vorstellen, das sie um das Kind schon alle Elemente gruppirt, welche die Gemeinde erst im Namen des Mannes als Beute ihrer schweren Kämpfe zusammenbrachte und um das ausgearbeitete Princip versammelte.
So erfahren die Hirten auf dem Felde von den Engeln, daß ihnen der Heiland geboren sey, und als verstände eS sich von selbst, daß es so ist, gehen sie hin in die Davidsstadt und finden den Messias in der Krippe. Als die Zeit der gesetzlichen Neinigung gekommen und die Eltern mit dem Kinde nach Jerusalem gezogen waren, um im Tempel das vorgeschriebene Opfer zu bringen, hatte der Geist, da sie den Tempel betraten, den greisen Simeon, der die Erlösung Jsraels erwartete und dem es offenbart war, er würde den Tod nicht sehen, bis er nicht den Gesalbten des Herrn gesehen hätte, ebendaselbst hingeführt; als daher die Eltern das Kind in den Tempel brachten, nahm er es ohne Weiteres auf seine Arme und lobte Gott, daß er ihn vor seinem Tode noch das Licht der Heiden mit eignen Augen habe sehen lassen, und Anna, eine betagte Wittwe, die Gott mit Fasten und Beten, Tag und Nacht diente, trat auch hinzu, pries den Herrn und brächte Allen in Jerusalem, die auf die Erlösung warteten, die Botschaft von der Erfüllung. |
However, as soon as the Messiah child has seen the light of day, the mystery gives way to the obvious necessity. Already to the child the world belongs its servants – the world sends its messengers to show that it is prepared for his reception. The receptivity of the world is only clear and certain to the religious view when everything is ready at the birth of the Messiah – the world-historical meaning of its Master cannot be imagined otherwise than in such a way that it already groups around the child all the elements which the community only brought together in the name of the man as the spoils of its hard battles and gathered around the elaborated principle.
Thus the shepherds in the field hear from the angels that the Savior has been born to them, and as if it were self-evident that it is so, they go to the city of David and find the Messiah in the manger. When the time of the legal noon had come and the parents with the child had gone to Jerusalem to offer the prescribed sacrifice in the temple, the spirit, as they entered the temple, had led the aged Simeon, who was expecting the redemption of Israel and to whom it had been revealed that he would not see death until he had seen the Lord’s anointed, to the same place; When the parents brought the child into the temple, he took him in his arms without further ado and praised God for having let him see the light of the Gentiles with his own eyes before his death. Anna, an aged widow who served God by fasting and praying day and night, also joined in, praising the Lord and bringing the message of the fulfillment to all in Jerusalem who were waiting for the redemption. |
288 | Das Kind ist also bereits der Herr der Welt und bezeichnet den Anfang seiner Herrschaft mit einer umkehrung aller bisherigen geschichtlichen Verhältnisse. Seine Mutter wußte es, welche ungeheure. Hinwendung durch ihres Leibes Frucht herbeigeführt werden würde, als. sie in ihrer Erwiderung des Grußes, mit dem sie Elisabeth empfing, die Kraft des Höchsten feierte, der mit seinem starken Arm die H.offärtigen zerstreut und die Gewaltigen vom Stuhl herabwirft, und die Barmherzigkeit, mit der er sich der Schwachen annimmt, die Niedern erhebt und die Hungrigen sättigt.
Als die Hirten zuerst die Botschaft vom Heil erhielten, da zeigte es sich wirklich, daß die unmündigen und Geringen, nicht die Weisen und Verständigen der Gegenstand des göttlichen Wohlwollens seyen — als die Anna das Heil empfing, da bewies der Erfolg, daß die Bedürftigen, die sich in ihrer Verlassenheit abhärmen, des LohnS ihrer Entbehrungen gewiß seyn können- Vor der Krippe, in der der Messias liegt, führte sich schon die ilmkehrung des Hohen und Niedrigen, der Weisheit und Thorheit aus, jene Umkehrung, die der Stolz der Gemeinde war — ja, diese Krippe ist selbst der Beweis, daß das Göttliche nicht auf der Höhe des Menschlichen geboren wird, sondern durch die Niedrigkeit seiner Erscheinung seine innere Selbst- ständigkeit offenbart und die Einbildungen aller menschlichen Größe widerlegt — ist es doch sogar auch bedeutsam, daß die Geburt des Heils in der Nacht geschieht, der Lichtgtanz, in dem der Engel des Herrn den Hirten erscheint, sich gegen die Nacht abhebt, da das religiöse Bewußtseyn in diesem Gegensatze die Bestätigung des ewigen Gesetzes erhält, daß das Jrdische das wahre Licht nicht aus sich selber erzeugen kann und das Göttliche, wenn es die Erde heimsucht, sein eignes Licht mit sich bringen muß. |
The child is therefore already the master of the world and designates the beginning of its rule with a reversal of all past historical conditions. His mother knew it, how tremendous. In her response to the greeting with which she received Elizabeth, she celebrated the power of the Most High, who with his strong arm scatters the oppressors and throws down the mighty from the throne, and the mercy with which he takes care of the weak, lifts up the lowly and satisfies the hungry.
When the shepherds first received the message of salvation, it really showed that the underage and lowly, not the wise and understanding, were the object of divine benevolence – when Anna received salvation, the success proved that the needy, In front of the manger in which the Messiah lies, the inversion of the high and the low, of wisdom and foolishness, that inversion which was the pride of the church, was already taking place – yes, this manger is itself the proof, that the divine is not born on the height of the human, but through the lowliness of its appearance reveals its inner selfhood and refutes the conceits of all human greatness – it is even significant that the birth of salvation happens in the night, the dance of light, The dance of light in which the angel of the Lord appears to the shepherds stands out against the night, since the religious consciousness receives in this contrast the confirmation of the eternal law that the earthly cannot produce true light from itself and that the divine, when it haunts the earth, must bring its own light with it. |
289 | Wohl! der ursprünglichen religiösen Anschauung mag der Genuß bleiben, daß sie in allen diesen Ereignissen der evangelischen Vorgeschichte des Zusammenhangs des Heilswerks mit der Vergangenheit gewiß wird und Zeugnisse für die göttliche Anordnung sieht, wonach Jesus bei seinem Auftreten eine vollständig vorbereitete Welt fand — dem Alterthum, welches sich beim Scheitern seiner Bestrebungen, den Menschen zu sich selbst zu bringen und ihn zum Meister der Welt zu machen, so erbarmenswerth fühlte, daß eS sich vor einem hilflosen Kinde niederwarf und von ihm Barmherzigkeit erwartete, muß allerdings zugestanden werden, daß in diesem Kinde seine zerschlagenen Geister Trost, seine gebrochenen Privilegien vollends ihre Auflösung, alle von der herrschenden Aristokratie Ausgeschlossenen, von der römischen Weltmacht rücksichtslos geforderten Opfer die Genugthuung für ihre gesellschaftliche Erniedrigung und den Ersatz für ihre geschichtliche Leiden fanden — aber eben so sehr bleibt es dabei, daß die religiöse Anschauung ihre unbekanntschaft mit der wirklichen Geschichte verräth, wenn sie eine umkehrung aller Verhältnisse, die sich in einem ungeheuren und ausgebreiteten Proceß ausführte, in dem Einen Bilde des Gottes, der in der Krippe eines ‘ Stalls liegt, zusammenfaßt und der Erfüllung der Zeit durch die Huldigungen, die der Messias sogleich als neugeborenes Kind empfängt, gewiß wird. | Well! The original religious view may enjoy the fact that it becomes certain of the connection of the work of salvation with the past in all these events of the evangelical prehistory and sees testimonies for the divine order according to which Jesus found a completely prepared world at his appearance – the antiquity, which felt so pitiful at the failure of its efforts to bring man to itself and to make him master of the world that it prostrated itself before a helpless child and expected mercy from him, it must be admitted, however, that in this child its shattered spirits found consolation, his broken privileges found their complete dissolution, all the victims excluded by the ruling aristocracy and ruthlessly demanded by the Roman world power found the satisfaction for their social humiliation and the substitute for their historical sufferings – but it remains just as much the case, that the religious view betrays its unfamiliarity with real history, when it sums up a reversal of all relations, which was carried out in a tremendous and widespread process, in the one image of the God who lies in the manger of a stable and becomes certain of the fulfillment of time through the homage that the Messiah immediately receives as a newborn child. |
289/290 | Die Macht der Geschichte ist etwas ganz Anderes als die Allmacht dieses Kindes und um so viel größer, als sie sich im Kampf mit dem zähen Widerstand von Jnteressen bewährt, an deren Erhaltung der Bestand großer gesellschaftlicher Zustände und die Zukunft von Staaten geknüpft ist. Die Wirklichkeit ist im Vergleich mit dem Spiel jener evangelischen Jdylle grausam und fürchterlich ernst und duldet es nicht, daß das Große und Epochemachende sich anders als im Kampfe bilde und bewahre. Noch kein wirklich geschichtlicher Held ist zu früh und zur Unzeit aufgetreten, aber es hat auch noch keiner seine Welt anders als auf dem Wege der Eroberung gewonnen. Jeder Held findet seine Welt vor, aber er muß sie erst erkämpfen — jeder hat seine Vorläufer, aber er muß sie aufzufinden und in ihren Leistungen hinter der selbstständigen und abweichenden Erscheinung die geheime Prädisposition seines eignen Werks zu erkennen wissen — keinem entgeht die Schaar der Streiter, die seiner Anführung harren und unter seiner Fahne in die Zukunft vordringen, aber anfangs steht er allein und muß er die Sprödigkeit seiner isolirten Anschauung sowie die Starrheit der herrschenden Vorstellungen so lange bearbeiten, bis er die Einigung mit seiner Umgebung gewinnt. Eine schwer durchdringliche Masse, Jahre und die Kämpfe mit der eignen Sprödigkeit sowohl als mit dem widerspenstigen Stoff jener Masse wirft die Wirklichkeit zwischen die Heroen und diejenigen, mit denen sie in geschichtlichem Zusammenhangs stehen oder die sie endlich in den Bereich ihres Einflusses ziehen. | The power of history is something quite different from the omnipotence of this child, and it is all the greater because it proves itself in the struggle with the tenacious resistance of interests, to the preservation of which the existence of great social conditions and the future of states is tied. Compared with the game of that evangelical idyll, reality is cruel and terribly serious and does not tolerate that the great and epoch-making should be formed and preserved otherwise than in struggle. No truly historical hero has ever appeared too early and at an inopportune time, but no one has ever won his world in any other way than by conquest. Every hero finds his world, but he must first fight for it – everyone has his forerunners, but he must find them and know how to recognize the secret predisposition of his own work in their achievements behind the independent and deviating appearance – no one escapes the crowd of fighters, But at first he stands alone, and he must work on the brittleness of his isolated view as well as the rigidity of the prevailing ideas until he wins agreement with his surroundings. A hard to penetrate mass, years and the struggles with the own brittleness as well as with the unruly material of that mass throws reality between the heroes and those with whom they stand in historical connection or whom they finally draw into the sphere of their influence. |
290/291 | Das war ein ganz anderes Zusammentreffen des Täufers und Jesu — wenigstens des Jesus der Gemeinde — daß jener mit einer Anschauung auftrat, die, ohne daß er es wußte und beabsichtigte, den uebergangspunkt zu einer Krisis bildete, die er selbst noch nicht übersehen und von deren weitreichender Kraft er keine Ahndung haben konnte, und daß der Jesus der Gemeinde im Täufer und dessen Werke die Vorbereitung seiner höhern Aufgabe und Wirksamkeit erkannte — das war eine ganze andere Anreizung des Täufers durch die spätere Krisis, eine ganz andere Berührung der Gemeinde mit ihrer nächsten Vergangenheit als jene Maschinerie, mit der die Vorgeschichte des Lukas Jesum und den Vorläufer in Zusammenhang bringt. | That was a completely different meeting of the Baptist and Jesus – at least of the Jesus of the congregation – that the latter appeared with a view which, without his knowing and intending it, formed the transitional point to a crisis which he himself could not yet foresee and of whose far-reaching power he could have no inkling, and that the Jesus of the church recognized in the Baptist and his works the preparation of his higher task and effectiveness – that was a completely different stimulation of the Baptist by the later crisis, a completely different contact of the church with its nearest past than that machinery with which the prehistory of Luke connects Jesus and the forerunner. |
291 | Eben so hat der Jesus der Gemeinde die Armen, Schwachen und Bedürftigen ganz anders ergriffen, wenn er das Joch, welches die geschichtlichen Vorrechte und die gesetzlichen Satzungen ihnen aufgeladen hatten, erleichterte und durch seinen Kampf mit den verrotteten Privilegien sie befreite, als es geschehen wäre, wenn er als Kind in den Windeln der Krippe ihnen gezeigt wurde.
Die Gemeinde fand eine empfängliche Welt vor — aber wie bedeutend und folgenreich war diese Empfänglichkeit im Vergleich mit jener, mit der die Hirten ohne weiteres der Himmelsstimme folgten — von wie hohem Werth ist jene Empfänglichkeit der Welt, an der die ganze Geschichte des Alterthums gearbeitet hat, in Vergleich mit jener Bereitwilligkeit, mit der die Hirten der Weisung des Engels zur Krippe des Kindes folgten! Ja, es ist wahr, die Sehnsucht und Ahndung eilt den großen Epochen der Geschichte entgegen und die Erfüllung wird auch von Früheren im Voraus genossen — aber diese Voraus- nahme eines Princips genießt den Keim des Spätern in einer gehaltvolleren Weise, als es geschehen würde, wenn ein Paar Leute den Stifter der Gemeinde als neugeborneS Kind sehen oder auf die Arme nehmen — sie genießt das Spätere in Formen, die reicher und entwickelter sind als ein Kind, aus dessen Zügen noch nicht einmal die Ahndung des Geistes hervorleuchtet. Auch im Heidenthum, um dessen Kunst und Philosophie nicht zu erwähnen , schon in der Naturreligion ist dieß Spätere in höherer Weise genossen und empfunden, als es möglich gewesen wäre, wenn die Hirten von Bethlehem ein Kind, von dem die Mutter so eben erst entbunden ist, anstarren. |
In the same way, the Jesus of the church took hold of the poor, the weak and the needy in a completely different way when he eased the yoke which the historical privileges and the legal statutes had burdened them with and freed them through his struggle with the rotten privileges than it would have happened if he had been shown to them as a child in the swaddling clothes of the manger.
The church found a receptive world – but how significant and momentous was this receptivity in comparison with that with which the shepherds followed the voice of heaven without further ado – of how high value is that receptivity of the world, on which the whole history of antiquity has worked, in comparison with that readiness with which the shepherds followed the instruction of the angel to the manger of the child! Yes, it is true that the longing and anticipation hastens towards the great epochs of history and the fulfillment is also enjoyed in advance by the earlier ones – but this anticipation of a principle enjoys the germ of the later in a more substantial way than it would happen if a couple of people saw the founder of the church as a newborn child or took him in their arms – it enjoys the later in forms that are richer and more developed than a child from whose features not even the anticipation of the spirit shines out. Also in paganism, not to mention its art and philosophy, already in the natural religion the later is enjoyed and felt in a higher way than it would have been possible, if the shepherds of Bethlehem stare at a child, from which the mother is just delivered. |
292/293 | Wenn man die Gebilde der evangelischen Vorgeschichte den mühseligen und ausgedehnten Kämpfen der Wirklichkeit als ein Kunstwerk gegenüberstellen wollte, in welchem die getrennten Mächte der Geschichte durch eine magische Vertrautheit miteinander verbunden sind, der Held seinen Vorläufer begeistert, dieser jenem als seinem Meister huldigt und die Erstlinge der Gemeinde im Kinde schon ihren Herrn erkennen dürfen, so ist auch dieser Gegensatz nicht einmal richtig, denn der Ka mpf ist das eigentliche Element des Kunstwerks, die richtige Anlage der Collision die erste Bedingung zu seiner Ausführung und das Recht, welches der Held aus seinem Jnnern und aus der Gediegenheit seiner Kämpfe zieht, ist allein im Stande, dem Werk seinen innern Halt zu verschaffen, für den Helden das gerechte Jnteresse zu erwecken. Die Geschichte mit ihren Kämpfen, Collisionen, mit ihren bahnbrechenden und ringenden Helden — sie ist, sobald sie erkannt wird, wirklich ein Kunstwerk, das Bild eines Kindes dagegen, welches in seiner Mutter Schooß bereits seine Zeit ergreift und so eben erst geboren der Herr der Welt seyn will, gehört der Kunst nicht an, sondern der UNnatur. Die Malerei, die den Versuch wagte, den Widerspruch zur wirklichen Anschauung zu bringen, mußte daher scheitern und nicht einmal Raphael konnte es gelingen, die Unnatur der Vereinigung, daß das Kind mit der Miene des Weltherrschers in den Armen der Mutter ruht und aus seinen Zügen die Kämpfe des Mannes hindurchscheinen, zu überwinden. Er mußte sogar, als er seine Darstellungen des Jesuskindes versuchte und der Künstler, der er war, bleiben wollte, die biblische Anschauung in ihrer ursprünglichkeit aufgeben und während dieser das neu- göborne Kind mit seinen unentwickelten Zügen schon der Himmelskönig ist, die Züge erweitern und mit den Erfahrungen des Mannes bereichern, – allein vergeblich! Kämpfen und herrschen kann nur der Mann und nur der Glaube kann sich über die llnnatur seiner Gebilde täuschen, wie er auch allein im Stande ist, an der grotesken Symbolik der biblischen Darstellung ein ästhetisches Wohlgefallen zu empfinden. Der Glaube ist aber nicht der letzte Richter, weder über die Kunst noch über die Geschichte. | If one wanted to contrast the formations of the evangelical prehistory with the arduous and extended struggles of reality as a work of art, in which the separate powers of history are connected with each other by a magical intimacy, the hero inspires his forerunner, the latter pays homage to him as his master, and the firstlings of the community may already recognize their master in the child, Even this contrast is not correct, for the struggle is the actual element of the work of art, the correct arrangement of the collision is the first condition for its execution, and the right that the hero derives from his character and from the solidity of his struggles is alone capable of providing the work with its inner support, of arousing just interest for the hero. History with its battles, collisions, with its pioneering and struggling heroes – it is, as soon as it is recognized, really a work of art, the picture of a child, on the other hand, which in its mother’s womb already grasps its time and so just born wants to be the master of the world, does not belong to art, but to UNnature. The painting, which dared the attempt to bring the contradiction to the real view, had to fail therefore and not even Raphael could succeed in overcoming the unnature of the union that the child rests with the expression of the world ruler in the arms of the mother and from his features the struggles of the man shine through. He even had to abandon the biblical view in its originality when he tried his representations of the child Jesus and wanted to remain the artist that he was, and while this newborn child with its undeveloped features is already the king of heaven, he had to expand the features and enrich them with the experiences of the man, – alone in vain! Only the man can fight and rule and only the faith can deceive itself about the nature of its formations, just as it alone is able to feel an aesthetic pleasure in the grotesque symbolism of the biblical representation. But faith is not the final judge, neither over art nor over history. |
293/294 | Jm biblischen Bericht tritt endlich die unschönheit seiner Voraussetzung offen an den Tag und entwickelt sich das unschöne zum Häßlichen, wenn das Messiaskind den Widerspruch seiner Natur selber ausspricht. Es geschieht, als die Eltern das Kind des Höchsten zum erstenmale auf die Paschareise nach Jerusalem mitnehmen, auf der Rückreise, während sie es in der Caravane glauben, vermissen, in Jerusalem suchen und endlich im Tempel in der Unterredung mit den Lehrern finden. Jn seiner Antwort auf die Aeußerung der mütterlichen Besorg- niß: „Kind, was hast du uns gethan, sieh, dein Vater und ich, wir haben dich mit Schmerzen gesucht?” in seiner unverkennbaren Zurückweisung einer Rücksicht auf einen Vater, der es nicht wirklich sey: „was suchtet ihr mich denn? wisset ihr nicht, daß ich seyn muß in dem, das meines Vaters ist?” sieht zwar die ursprüngliche Anschauung, die den Bericht geschaffen, die erste Aeußerung der Macht des Mannes, der die engen umzäunungen der alten Welt, in der er geboren und erzogen ist, durchbrochen hat, sieht die Selbsttäuschung des jetzigen Glaubens weiter Nichts als die altkluge unterscheidung des himmlischen Vaters und seines unvollkommenen Abbildes im leiblichen Vater — in Wahrheit aber hat das Kind, indem es nicht nur die Ahndung, sondern auch die Gewißheit aussprechen soll, daß Joseph nicht sein Vater genannt werden könne und daß es selbst in seiner Familie nicht zu Hause sey, seine unnatur und seine Fremdlingschaft in der Ge-schichte selbst bekannt. Es hat gethan, was es als Kind thun konnte, und die Familie als einen Lebenskreis bezeichnet, der ihm fremd sey. Wer der Natur, der Wirklichkeit, der Geschichte fremd ist, steht natürlich auch zur Familie nicht in Beziehung. Seine Natur, seine Geschichte, seine Familie sind im Himmel. | In the biblical report, the unattractive nature of his precondition is finally revealed and the unattractive becomes ugly when the Messiah child himself expresses the contradiction of his nature. It happens when the parents take the child of the Most High for the first time on the Passover journey to Jerusalem, on the return journey, while they believe him in the caravan, miss him, look for him in Jerusalem and finally find him in the temple in the conversation with the teachers. In his answer to the expression of maternal concern: “Child, what have you done to us, look, your father and I, we have sought you with pain?” in his unmistakable rejection of a consideration of a father who is not really: “what have you sought me for? do you not know that I must be in that which is my father’s? “The child sees the original view that created the report, the first expression of the power of the man who broke through the narrow fences of the old world in which he was born and brought up, sees the self-deception of the present faith as nothing more than the precocious distinction between the heavenly Father and his imperfect image in the bodily father, But in truth, the child, by expressing not only the recognition but also the certainty that Joseph cannot be called his father and that he himself is not at home in his family, has confessed his unnature and his foreignness in history itself. He did what he could do as a child and called the family a circle of life that was foreign to him. He who is a stranger to nature, to reality, to history, is naturally not related to the family either. His nature, his history, his family are in heaven. |
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Neil Godfrey
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