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6.Jesus in Samarien.C. 1 — 42. |
6.Jesus in Samaria.C. 1 – 42. |
88 | Der Evangelist strengt sich an und läßt sich keine Mühe verdrießen, um das Hin- und Herziehen seines Meisters aus Judäa nach Galiläa und von hier nach Judäa zurück pragmatisch zu begründen, überhaupt die einzelnen Begebenheiten durch die anschaulichsten Uebergänge in Verbindung zu setzen: aber alle seine Mühe ist umsonst und wenn derUebergang über seine Brücken versucht wird, brechen sie alsbald zusammen. | The evangelist exerts himself and spares no effort in pragmatically explaining his master’s journey back and forth from Judea to Galilee and back from there to Judea, generally connecting the individual incidents by the most vivid transitions: but all his efforts are in vain and when the transition over his bridges is attempted, they soon collapse. |
88/89 | Diesesmal zieht Jesus nach Galiläa, weil die Pharisäer aufmerksam darauf geworden waren, daß er durch die Taufe mehr Jünger erwerbe als der Täufer, diese Aufmerksamkeit mußte demnach, wenn Jesus es für gut hielt, ihr und ihren Folgen auszuweichen, mit feindlicher Gesinnung verbunden und dem Leser, wenn er den Zurückzug Jesu begreiflich finden sollte, in der That so bekannt seyn, wie der Vierte es voraussetzt, wenn er mit der rückwärts zeigenden Partikel „also”*), „da also Jesu erfuhr”, den Rückzug des Herrn mit dem Vorhergehenden in Verbindung setzt. Der Evangelist glaubt, die Brücke richtig zu schlagen, lebt der Meinung, daß sie hüben, auf dem Ufer, wo er sie zu schlagen beginnt, fest und sicher ruhe, und doch haben – wir Nichts von feindlichen und gefahrdrohenden Aeußerungen der Pharisäer gehört — um es nicht zu erwähnen, daß der Vierte kein Wort darüber gesagt hat, wie dem Herrn die Kunde von diesem Herannahen eines Sturms geworden sey. Ja, die Möglichkeit einer Gefahr, die ihm von Seiten der Pharisäer drohte, war sogar durch den vorhergehenden Bericht abgeschnitten, da das Einzige, woran der Evangelist anknüpfen könnte, der Streit war zwischen den Juden und den Johannesjüngern über „Reinigung”, die Taufe, dieser Streit aber von den letzteren, nicht von den Juden ausgegangen war und die Aeußerungen und Behauptungen, welche diesen allein zugeschrieben werden könnten, da sie die Jünger des Täufers zur Ahndung treiben sollen, daß der Sache ihres Meisters der Untergang drohe, für Nichts weniger als für eine feindliche Aufmerksamkeit der jüdischen Parthei auf das Thun Jesu zeugen. | This time Jesus moves to Galilee because the Pharisees had become aware that he had acquired more disciples through baptism than the Baptist; this attention, if Jesus thought it good to avoid it and its consequences, must therefore be connected with a hostile attitude and must be known to the reader, if he should find Jesus’ withdrawal understandable, must indeed be as familiar as the Fourth presupposes when he connects the Lord’s withdrawal with the preceding with the backward pointing particle “thus “*), “since thus Jesus learned”. The evangelist believes that the bridge is properly built, that it rests firmly and securely on the shore where he begins to build it, and yet – we have heard nothing of hostile and threatening remarks of the Pharisees – not to mention that the Fourth did not say a word about how the news of this approach of a storm had come to the Lord. Yes, the possibility of danger threatening him on the part of the Pharisees was even cut off by the preceding account, since the only thing the evangelist could link to was the dispute between the Jews and the disciples of John about “purification,” baptism, but this dispute had come from the latter, and the statements and assertions, which could be attributed to them alone, since they should make the disciples of the Baptist realize that the cause of their Master was threatened with ruin, testify to nothing less than a hostile attention of the Jewish party to the doings of Jesus. |
88* | *) ουν. | *) ουν. |
89 | Hätte aber auch der Evangelist besser und geschickter gearbeitet und bei seinem pragmatischen Bemühen seine eigenen Voraussetzungen wirklich beachtet, — es hätte ihm doch Nichts geholfen und die Brücke würde dennoch zusammenbrechen, da von einem Ereigniß, welches der Wirklichkeit nicht angehört, von dem Streit über die Taufe zum Entschluß Jesu nach Galiläa aufzubrechen, kein haltbarer Uebergang möglich ist. | But even if the evangelist had worked better and more skillfully and had really considered his own presuppositions in his pragmatic effort, nothing would have helped him, and the bridge would still collapse, since no tenable transition is possible from an event that does not belong to reality, from the dispute about baptism to Jesus’ decision to set out for Galilee. |
89/90 | Nun — dann machen wir den leichten Sprung nach Samarien und ruhen wir uns mit dem Herrn des Vierten bei Sichem am Jakobsbrunnen aus, während die Jünger nach der Stadt gehen, um Lebensmittel zu kaufen. Es ist Mittag — die sechste Stunde*). Da kommt ein Weib zum Brunnen, um Wasser zu schöpfen — die geistige Schwester des Nikodemus. Wie der Herr den letzteren sogleich mit einer Forderung Überfalls, die mit der ersten Aeußerung des Pharisäers in einem für diesen unerklärlichen Zusammenhang steht und durch sein Mißverständniß ins sinnlich Platte herabgezogen wird, so spricht Jesus zu der fremden Frau, nachdem er sie um einen Trunk Wassers gebeten, sie sich aber gewundert hatte, daß er als Jude sie als eine Samariterin einer Bitte würdige, sogleich von dem göttlichen Geschenk, das ihr, ohne ihr Wissen, in diesem Augenblick zu Theil geworden, zeigt er ihr im Gegensatz zu seiner Bitte um einen Trunk natürlichen Wassers von fern die Gelegenheit, durch ihn lebendiges Wasser zu erhalten, und muß die Frau diese Eröffnung auch — mit einer unmöglichen Stumpfheit mißverstehen. | Well – then we make the easy leap to Samaria and rest with the Lord of the Fourth at Shechem at Jacob’s well, while the disciples go to the city to buy food. It is noon – the sixth hour*). There comes a woman to the well to draw water – the spiritual sister of Nicodemus. As the Lord immediately assaults the latter with a demand that is connected to the first statement of the Pharisee in a way that is inexplicable for him and is pulled down to the sensual plate by his misunderstanding, so Jesus speaks to the strange woman after he had asked her for a drink of water, but she had wondered, Jesus, after having asked her for a drink of water, but she was surprised that he, as a Jew, would dignify her with a request as a Samaritan woman, immediately spoke to her of the divine gift that had been given to her at that moment, without her knowledge; in contrast to his request for a drink of natural water, he showed her from afar the opportunity to receive living water through him, and the woman had to misunderstand this opening with an impossible bluntness. |
89* | *) Der genaue Geschichtschreiber, der es richtig herauSgerechnet, daß Reisende zur Mittagszeit auszuruhen und sich zu stärken Pflegen, zählt hier nach hebräischer Weise. | *) The exact historian, who correctly calculates that travelers rest and fortify themselves at noon, counts here according to the Hebrew way. |
90/91 | Der Evangelist wollte seinen Herrn wieder als den Erhabenen hinstellen, indem er die Bewußtlosigkeit und Stumpfheit der Andern zu seiner Himmelsweisheit in Gegensatz brächte; — er hat aber dießmal noch mehr geleistet, hat dem Bilde noch eine praktischere Bedeutung gegeben — er hat die erhabene Haltung des Herrn zu einer leeren Ostentation gemacht, indem er ihn der Frau jene Gelegenheit, das Wunderwasser zu erhalten, von ferne zeigen und zugleich voraussetzen läßt, daß sie dieselbe doch nicht begreifen und benutzen würde, da sie das Geschenk Gottes, das ihr zu Theil geworden, nicht kenne; — ja noch mehr, für den Fall, daß die Frau Jesum besser verstanden hätte, als sie ihn wirklich verstehen soll, hätte der Evangelist die Ostentation zu gezierter Eitelkeit gemacht, indem der Herr zu der Frau so spricht, daß er seine Gabe des lebendigen Wassers nicht etwa zu dem, was jeder Brunnen bietet, sondern zu einer Bitte, die er so eben ausgesprochen, in Gegensatz stellt und an dem Unverhältnißmäßigen seiner win-zigen Bitte und der Kraft, unendlich Höheres zu gehen, sich ergötzt. | The evangelist wanted to present his Lord again as the sublime one, contrasting the unconsciousness and dullness of the others with his celestial wisdom; – But this time he has done even more, he has given the image a more practical meaning – he has turned the Lord’s exalted attitude into an empty ostentation by having him show the woman from a distance the opportunity to receive the miraculous water and at the same time presuppose that she would not understand and use it, since she did not know the gift of God that had been given to her; – Even more, in the event that the woman had understood Jesus better than she really should have understood him, the evangelist would have turned the ostentation into conceited vanity, in that the Lord speaks to the woman in such a way that he contrasts his gift of living water not with what every well offers, but with a request he has just made, and delights in the disproportion of his tiny request and the power to go infinitely higher. |
91 | Wie Nikodemus die Forderung der Wiedergeburt mißverstehen muß, indem er das Geforderte nur sinnlich fassen, somit auch nur für unmöglich erklären kann, so muß auch die Sama- riterin das Anerbieten des Wunderwassers mißverstehen und für unausführbar erklären, indem sie das lebendige Wasser vom natürlichen, wirklichen Wasser versteht und (V. 11.) Jesum fragt, woher er denn das lebendige Wasser habe, da er ihr doch aus diesem Brunnen, bei der Tiefe desselben und da er keinen Schöpfeimer habe, kein Wasser könne geben wollen, und ob er etwa größer sey als Jakob, der den Ihrigen diesen Brunnen gegeben habe. | Just as Nicodemus must misunderstand the demand for rebirth, since he can only grasp what is demanded sensually and thus declare it impossible, the Samaritan woman must also misunderstand the offer of the miraculous water and declare it impossible, since she understands the living water from the natural, real water and (v. 11) asks Jesus where he got the living water, since he could not give her water from this well, because of its depth and because he had no bailer, and whether he was greater than Jacob, who had given her this well. |
91 | Wie endlich der gelehrte Pharisäer und Lehrer Israels unverständig bleibt und von der Bedeutung der einfachsten, populärsten Gegensätze Nichts ahndet, als ihm der Herr den Gegensatz der Geburt aus dem Geiste und der natürlichen aus dem Fleische hingestellt hatte, — so muß der Herr auch jetzt dasselbe Unglück, nach der Ansicht des Evangelisten dasselbe Glück oder vielmehr die Ehre haben, daß die Samariterin in ihrem Unverstand nicht ahndet, was er meint, als er ihr die vorübergehende Wirkung dieses Wassers, d. h. des Wassers aus diesem Brunnen, und die bleibende seines Wassers auseinandersetzt; — sie meint immer noch (V. 15), es sei vom sinnlichen Wasser die Rede und bittet nur um dieses Wunderwosser, damit sie künftig der Mühe des Wasserholens überhoben sey. | As finally the learned Pharisee and teacher of Israel remains unintelligent and has no idea of the meaning of the simplest, most popular contrasts, when the Lord had presented to him the contrast of the birth from the spirit and the natural from the flesh, – so also now the Lord must have the same misfortune, according to the view of the evangelist the same luck or rather the honor that the Samaritan woman in her lack of understanding does not realize what he means when he tells her about the temporary effect of this water, i.e. the water from this well. She still thinks (v. 15) that he is talking about sensual water and only asks for this miraculous water, so that she will be spared the trouble of fetching water in the future. |
91/92 | Nach einem Mißverständniß dieser Art hätte das Gespräch eigentlich zu Ende seyn müssen, da es jede gemeinsame Beziehung zwischen beiden, dem Weib und ihrem unglücklichen Lehrer abschnitt, und Jesus, falls er durchaus noch Manches auf dem Herzen hatte, hätte seine Sprüche eben so nur in die Luft spre chen können, wie er den Strom seiner Rede über den passiven Nikodemus sich fortwälzen ließ, wenn er sich in Judäa befände, wo es allenfalls Nichts schadete, wenn eine Collision sich in die Lust verlief oder in der Mitte plötzlich aufhörte, da er auf dem gewöhnlichen Schauplatz seiner Wirksamkeit sicher war, Gelegenheiten genug zu erhalten, eine ähnliche Collision weiter oder zu Ende zu führen, wenigstens die Gelegenheit, seine Anerkennung auch dem Unverstand und der geistigen Unfähigkeit gegenüber zu sichern- Hier aber, in Samarien sollte er nur Einmal auftreten und sogleich einen glänzenden Sieg feiern, —- einen Sieg, der die Erfolge seiner Apostel auf derselben Stätte im Voraus abbildete — er durfte daher die Frau nicht loslassen, da sie das einzige Mittelglied war, welches diesen Sieg möglich machen konnte. | After a misunderstanding of this kind, the conversation should have ended, since it cut off any common relationship between the woman and her unfortunate teacher, and Jesus, if he still had a few things on his mind, could have spoken his sayings into the air just as he had let the stream of his speech roll over the passive Nicodemus, if he were in Judea, where it did no harm at all if a collision turned into lust or suddenly stopped in the middle, since he was sure to get enough opportunities to continue or to finish a similar collision in the usual arena of his activity, at least the opportunity to secure his recognition even in the face of ignorance and spiritual incapacity- But here, in Samaria, he was to appear only once and immediately celebrate a brilliant victory, — a victory that would picture in advance the successes of his apostles in the same place – he was therefore not allowed to let go of the woman, since she was the only middle link that could make this victory possible. |
92/93 | Der Herr warf demnach, als das Gespräch eigentlich zu Ende war, einen neuen Faden aus: „geh, sagt er zur Frau (V. 16) unmittelbar nach ihrer unverständigen Bitte, rufe deinen Mann und komm hierher!” Aber was soll der Mann? Wollte Jesus erst im Beiseyn desselben das Gespräch fortsetzen? Hoffte er, daß die Unterredung, wenn der Mann empfänglicher war, auch gedeihlicher werden würde? Aber abgesehen davon, daß es gefährlich war, auf den Zufall zu bauen, daß der Mann der Samariterin empfänglicher war, — abgesehen davon, daß der Herr mit keinem Wort darauf hindeutet, daß seinem wunderbaren Wissen die Empfänglichkeit desselben kein Geheimniß sey, ist in der Folge von ihm nicht mehr die Rede, die Frau holt ihn nicht, spricht mit dem Herrn weiter, als wäre die Aufforderung, ihn zu holen, gar nicht an sie geschehen, auch nachher, als sie endlich in die Stadt geht und den Leuten die Botschaft vom Messias bringt, ist von ihrem Mann nicht die Rede und seiner wird auch zuletzt nicht gedacht, als der Glaube der Bürger von Sichem gerühmt wird. | Accordingly, when the conversation was actually over, the Lord threw out a new thread: “go, he says to the woman (v. 16) immediately after her unintelligent request, call your husband and come here!” But what is the man to do? Did Jesus want to continue the conversation only in the presence of the same? Did he hope that if the man was more receptive, the conversation would be more prosperous? But apart from the fact that it was dangerous to rely on the coincidence that the Samaritan woman’s husband was more receptive, – apart from the fact that the Lord does not indicate with a word that the man’s receptivity is not a secret to his miraculous knowledge, there is no more talk about him, the woman does not fetch him, Even afterwards, when she finally goes into the city and brings the message of the Messiah to the people, there is no mention of her husband, and he is not remembered at the end, when the faith of the citizens of Shechem is praised. |
93 | Dann war der Zweck des Herrn vielleicht ein anderer? Als die Frau auf seine Aufforderung erwidert, sie habe keinen Mann, antwortet ihr Jesus, sie habe ganz richtig gesprochen, der aber, den sie jetzt habe, sey nicht ihr Mann — wollte er also auf einem Umwege zu ihrem Herzen Vordringen? Das Gewissen der Frau, das Gefühl der Sünde in ihr erwecken und sie durch ihre Zerknirschung für seine Weisheit empfänglicher machen? In einer Schrift, deren Verfasser auf natürlichen Zusammenhang kein Gewicht legt, würde der Umstand, daß das Mißverständniß der Frau durchaus nicht als Folge ihres unreinen Willens, sondern nur als Beweis ihrer schwachen Fassungskraft, zumal als Beweis des Schwachsinns erscheint, der ihr mit allen Menschenkindern dem Herrn gegenüber gemeinsam ist, diese Absicht allerdings nicht nusschließen, aber dadurch wird sie beseitigt, daß der Evangelist mit keinem Wort auf sie hindeutet und sie sogar ausschließt, da er diesen Beweis des wunderbaren Wissens Jesu zu einem ganz andern Zweck dienen läßt. | Then perhaps the Lord’s purpose was different? When the woman replies to his invitation that she has no husband, Jesus answers that she has spoken correctly, but that the one she has now is not her husband – did he want to reach her heart in a roundabout way? To awaken the woman’s conscience, the feeling of sin in her, and make her more receptive to his wisdom through her contrition? In a scripture whose author does not attach any importance to the natural context, the fact that the woman’s misunderstanding does not at all appear as a consequence of her impure will, but only as a proof of her weak comprehension, especially as a proof of the imbecility, which she has in common with all children of men towards the Lord, would not exclude this intention, but it is eliminated by the fact that the evangelist does not refer to it with a word and even excludes it, since he lets this proof of Jesus’ miraculous knowledge serve a completely different purpose. |
93 | Was ihm nämlich im freien Gespräch und auf dem Wege der Belehrung nicht entgegenkommen wollte, das soll der Herr mit einem Gewaltstreich und durch äußern Zwang hervorrufen; — bisher hatte er der Frau seine Himmelskraft von ferne gezeigt, aber sie wollte nicht sehen und nicht erkennen, darum muß sie nun dieser Beweis des wunderbaren Wissens dazu bringen, daß sie Jesum als Propheten anerkennt und ihm dadurch Gelegenheit gibt, ihr endlich geradezu zu sagen, daß er vielmehr der Messias sey. | For what he did not want to meet in free conversation and on the way of instruction, the Lord is to cause by a stroke of force and by external coercion; – up to now he had shown the woman his heavenly power from afar, but she did not want to see and not recognize, therefore this proof of the miraculous knowledge must now bring her to recognize Jesus as prophet and thereby gives him the opportunity to finally tell her straight that he rather is the Messiah. |
93/94 | Alle diese Züge sollen also nur der Hand und Berechnung des Evangelisten ihren Ursprung verdanken? Unmöglich! Was sollte es denn nun bedeuten, wenn Jesus in jener Eröffnung seines wunderbaren Wissens um die ehelichen Verhältnisse der Samariterin sagt, sie hatte fünf Männer gehabt und der, den sie jetzt habe, sey nicht ihr Mann? | So all these features are supposed to owe their origin only to the hand and calculation of the evangelist? Impossible! What should it mean, then, when Jesus, in that opening of his wonderful knowledge of the marital circumstances of the Samaritan woman, says that she had had five husbands and that the one she now has is not her husband? |
94 | Der Jesus des Vierten erklärt es selbst, wenn er nachher sagt (V. 22), ihr, Samariter, wisset nicht, was ihr anbetet, wir, — wir Juden, wissen aber, was wir anbeten: d. h. unser Gott ist uns wirklich zu eigen und er hat in ordentlicher Weise um uns gefreit, ihr aber, die ihr euch gleichfalls rühmt, dem Gott der Juden ehelich verbunden zu seyn, gehört eigentlich den Götzen an, die eure Vorfahren aus ihrer heidnischen Heimath mit nach Samaria brachten. Die Samariterin repräsentirt ihr Volk, welches nach der jüdischen Sage von den Assyrern in das Land der hinweggeführten zehn Stämme versetzt war und neben Jehova die fünf Gottheiten seiner Heimath verehrte.*) | The Jesus of the fourth explains it himself, when he says afterwards (v. 22), you, Samaritans, do not know what you worship, but we, we Jews, know what we worship: i.e. our God is really our own and he has properly freed us, but you, who also boast of being conjugally united to the God of the Jews, actually belong to the idols that your ancestors brought with them from their pagan homeland to Samaria. The Samaritan woman represents her people, who, according to the Jewish legend, were transferred by the Assyrians to the land of the carried away ten tribes and worshipped besides Jehovah the five deities of their homeland.*) |
94* | *) 2. Könige 17, 23-34. | *) 2 Kings 17:23-34. |
94 | Wenn aber der Evangelist diese symbolische Parallele wirklich beabsichtigte, dann hätte er sie doch plastisch herausarbeiten oder mit einem prosaisch hervortretenden Bewußtseyn durchführen, erklären, hätte er seinem Herrn wenigstens die Aufgabe übertragen müssen, der Frau seine Andeutung auszutegen und ihr etwa zu sagen: betrachte dein persönliches Verhältniß einmal genau und erkenne in ihm das Abbild vom religiösen Verhältniß deines Volks — sieh, wie prächtig deine persönlichen Verhältnisse mit den religiösen deines Volks übereinstimmen! | But if the evangelist really intended this symbolic parallel, then he would have had to elaborate it vividly or to carry it out with a prosaically emerging consciousness, he would have had to explain, he would have had to give his master at least the task to express his suggestion to the woman and to say to her: look at your personal relationship once exactly and recognize in it the image of the religious relationship of your people – see, how splendidly your personal relationships correspond with the religious relationships of your people! |
94/95 | Ja, das hätte er vielleicht gethan, wenn er wirkliche Gestalten zu schaffen vermöchte und die Wesen, die er ins Leben ruft, nicht bloß mechanische Mittel wären, die dem Herrn zur Offenbarung seiner himmlischen Erhabenheit dienen müssen! Ihm ist es genug, dem Gespräch die Wendung zu geben, daß der Herr sein wunderbares Wissen beweisen kann; ob die Personen, mit denen er spricht, diesen Beweis verstehen, ist eine Sorge, die ihn nicht quält, nicht einmal berührt. Er hat nur Einen Zweck, die Offenbarung der Herrlichkeit Jesu und diesmal glaubt er, daß seine Leser die symbolische Andeutung verstehen würden, weil er die jüdische Ueberlieferung von den fünf Gottheiten als bekannt genug voraussegte und außerdem darauf rechnete, daß man den folgenden Spruch von der Bewußtlosigkeit der sama- ritischen Gottesverehrung als Erklärung des vorhergehenden Symbols betrachten und auf dasselbe zurückbeziehen würde. | Yes, he might have done so, if he were able to create real figures and if the beings he calls into being were not merely mechanical means which must serve the Lord for the revelation of his heavenly majesty! It is enough for him to give to the conversation the turn that the Lord can prove his marvelous knowledge; whether the persons with whom he speaks understand this proof is a concern that does not torment him, does not even touch him. He has only one purpose, the revelation of the glory of Jesus, and this time he believes that his readers would understand the symbolic suggestion, because he foresaw the Jewish tradition of the five deities as well known enough and, moreover, counted on the fact that the following saying of the unconsciousness of the Samaritan worship of God would be regarded as an explanation of the preceding symbol and would be referred back to the same. |
95 | Als die einzige Absicht Jesu bei der Offenbarung seines wunderbaren Wissens läßt er aber doch zu deutlich nur die hindurch scheinen, daß er Glauben erwecken wollte; — nach seiner Darstellung hat der Herr Alles erreicht, was er wollte, als die Frau, die sich weder durch die Erinnerung an ihre ungeordneten ehelichen Verhältnisse irren läßt, noch daran denkt, daß ihr Leben das Symbol der Religionsgeschichte ihres Volkes ist, dem Propheten, den sie zu ihrer freudigen Bestürzung vor sich sieht, sogleich eine Frage vorlegt, die den Streit der Samariter mit den Juden betrifft, — konnte er also bei dieser Beschränkung seines Blicks auf das Wunder allein und auf das Wunder als solches in der That noch eine Symbolik beabsichtigen, die doch auch einer weitern Ausführung werth war? | As the only intention of Jesus in the revelation of his miraculous knowledge, however, he lets shine through too clearly only that he wanted to awaken faith; – According to his account, the Lord achieved everything he wanted when the woman, who is not misled by the memory of her disordered marital relations, nor does she remember that her life is the symbol of the religious history of her people, immediately puts a question to the prophet whom she sees before her, to her joyful consternation, immediately puts before the prophet a question concerning the dispute of the Samaritans with the Jews, – could he, then, with this restriction of his view to the miracle alone and to the miracle as such, in fact still intend a symbolism which was worthy of further elaboration? |
95/96 | Allerdings konnte es ein Evangelist, für den Alles, was geschieht, Alles, was sein Herr spricht, nur das mechanische Mittel ist, welches die Offenbarung der Herrlichkeit des Einen bewirkt — und ohnehin führt die Frage der Frau zu den Erklärungen Jesu, in denen das Symbol seine Deutung findet. Ob die Frau diese Deutung versteht, die Beziehung des Folgenden auf die vorhergehende Symbolik durchführen kann, das kümmert einen Schriftsteller nicht, der sich an den Mißverständnissen und an der Stumpfheit der Zuhörer seines Herrn sonst immer ergötzt und der dießmal dem Punkte zustrebte, wo Jesus der Frau sich geradezu als den Messias präsentirte. | However, it could be an evangelist for whom everything that happens, everything that his Lord speaks, is only the mechanical means that causes the revelation of the glory of the One – and anyway the question of the woman leads to the explanations of Jesus, in which the symbol finds its interpretation. Whether the woman understands this interpretation, can carry out the relation of the following to the preceding symbolism, this does not concern a writer, who otherwise always delights in the misunderstandings and in the dullness of the listeners of his Lord and who this time headed for the point where Jesus presented himself to the woman as the Messiah. |
96 | Was kann ihn eine Frau persönlich interessiren, was kann ihm die wirtliche Belehrung einer Frau am Herzen liegen, die es offen ausspricht, daß die erhabenen Ausschlüsse, die ihr der Herr auf ihre ausdrückliche Frage nach der richtigen Gottesverehrung über den wahren Gottesdienst gibt, an sie verschwendet seyen und daß sie mit denselben Nichts anzufangen wisse? Die Gelegenheit, daß sie einen Propheten vor sich sieht, benutzt sie sogleich dazu, ihm die Streitfrage, die zwischen ihrem Volk und den Juden über den rechtmäßigen Ort der Gottesverehrung schwebte, vorzulegen; — Jesus erklärt darauf, es würde die Zeit kommen, wo man den Vater weder auf diesem Berge Ga- rizim noch in Jerusalem verehren werde, spricht sodann über die Bewußtlosigkeit des samaritischen Cultus und über das reife und vollendete Bewußtseyn, auf welchem das religiöse Leben des Ju- denthums ruhe, er theilt der Frau endlich mit, daß die Stunde komme und jetzt schon sey, wo die wahrhaftigen Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten d. h. die Anbetung widmen werden, die Gott als einem Geist gebühre — und alle diese Ausschlüsse mit ihren mühseligen Antithesen -sind so unnütz «und verschwendet, daß die Frau sie für jetzt alle liegen läßt und sich auf die Ankunft des Messias vertröstet, der ihr und ihrem Volke Alles auseinandersetzen werde! | What can he be interested in a woman personally, what can he care about the economic instruction of a woman who openly says that the sublime exclusions which the Lord gives her on her explicit question about the right worship of God about the true worship of God are wasted on her and that she does not know what to do with them? She immediately uses the opportunity of seeing a prophet before her to bring before him the controversy that was pending between her people and the Jews about the rightful place of worship; – Jesus then declares that the time will come when the Father will not be worshipped either on this mountain of Galilee or in Jerusalem, then speaks of the unconsciousness of the Samaritan cult and of the mature and perfected consciousness on which the religious life of Judaism rests, finally informing the woman that the hour is coming and is already now when the true worshippers will worship the Father in spirit and in truth, i.e. devote themselves to the worship of the Father. All these exclusions with their laborious antitheses are so useless and wasted that the woman leaves them all for now and looks forward to the coming of the Messiah, who will sort everything out for her and her people! |
96/98 | In Einer Beziehung that aber der Evangelist recht daran, daß er sich durch alle Bemühungen Jesu, sich verständlich zu machen und die Frau zu belehren, von seiner feststehenden Ansicht, daß die erhabene Weisheit seines Herrn nicht verstanden oder nur mißverstanden werden konnte, nicht abbringen ließ, denn diese Worte, die Jesus zur Samariterin sprechen soll, hätte sie auch dann nicht vernehmen können, wenn sie wirklich existirt und ihm leibhaftig gegenübergestanden hätte. Die Formel: „es kommt die Stunde und ist schon jetzt”, gehört dem Evangelisten und jenem spätern Standpunkt an, dessen gebildete Reflexion an der Voraussetzung, daß die vollkommene Wahrheit Und Krisis in der Zukunft liege, Anstoß nahm und diesen Anstoß damit beseitigte, daß er die Bethätigung der Wahrheit schon als eine gegenwärtige annahm und nachwies — ein Nachweis, der im vorliegenden Fall dem Evangelisten auf seinem Standpunkt um so leichter war, als nach dem Fall Jerusalems die Anbetung im Tempel sich von selbst verbot. Ihm, dem Evangelisten gehört auch die Bestimmung der „wahren” Anbeter an, da seine Vorliebe für Antithesen ihn dazu treibt, das Angemessene durch den Hinblick auf das Unangemessene, die Vollendung durch den Vergleich mit dem Unvollkommenen zu bestimmen. Der Evangelist, der spätere Dogmatiker spricht endlich, wenn Jesus nicht nur reflectirt, sondern auch die Reflexion zum Schluß und zum dogmatischen Beweis vollendet, indem er das Thema, welches von den wahren Anbetern handelte, durch den Satz begründet, daß Gott ein Geist ist und somit im Geiste verehrt seyn wolle. Er ist es wieder, der den Zwist der Samariter und Juden damit löst, daß er den Cultus Jener bewußtlos nennt, diesen das reife Bewußtseyn der religiösen Idee zuschreibt — nur er, für den das Heil, der Messias Gegenstand ist und der bereits die Ausführung des Heilswerks in der Geschichte übersieht, konnte die Reife des jüdischen Bewußtseyns darein setzen, daß von ihm das Heil ausgeht — nur er endlich, dem der Messias und die Erlösung ein vor ihm flehendes Object der reflectirenden Betrachtung ist und der sich in die Reihe der streitenden Juden einschließt, nur einer dieser spätern Glaubensboten, die das Bedürfniß hatten, sich über das Verhältniß der Samariter und der Juden zu dem messianischen Werk aufzuklären, konnte sagen: wir wissen, was wir anbeten. | In one respect, however, the evangelist was right not to let all the efforts of Jesus to make himself understood and to instruct the woman dissuade him from his firm opinion that the sublime wisdom of his Lord could not be understood or could only be misunderstood, because these words that Jesus is supposed to speak to the Samaritan woman could not have been heard by her even if she had really existed and had stood face to face with him in the flesh. The formula: “the hour is coming and is already now” belongs to the evangelist and to that later point of view, whose educated reflection took offense at the presupposition that the perfect truth and crisis lay in the future and eliminated this offense by assuming and proving that the truth was already present – a proof that was all the easier for the evangelist in his point of view in the present case, because after the fall of Jerusalem the worship in the temple forbade itself. To him, the evangelist also belongs the determination of the “true” worshippers, since his predilection for antitheses drives him to determine the adequate by looking at the inadequate, the perfection by comparing it with the imperfect. The evangelist, the later dogmatist, finally speaks, when Jesus not only reflects, but also completes the reflection to the end and to the dogmatic proof, by substantiating the theme, which was about the true worshippers, by the proposition that God is a spirit and thus wants to be worshipped in the spirit. It is he again who solves the dispute between the Samaritans and the Jews by calling the cult of the latter unconscious, attributing to them the mature consciousness of the religious idea – only he, for whom salvation, the Messiah is the object and who already overlooks the execution of the work of salvation in history, could put the maturity of the Jewish consciousness into it, Only he, finally, for whom the Messiah and salvation is an object of reflective contemplation pleading before him, and who includes himself in the ranks of the contending Jews, only one of these later messengers of the faith, who had the need to clarify the relationship of the Samaritans and the Jews to the Messianic work, could say: we know what we worship. |
98 | In dem Augenblick, in dem das Gespräch bis zu seiner Spitze gelangt, bricht es endlich vollends zusammen. Als die Frau, nachdem sie vom Herrn die bisherigen Aufschlüsse erhalten, sich der Ankunft des Messias vertröstete, der das Alles auseinandersetzen werde, hat der Herr Nichts Eiligeres zu thun, als sich ihr als den Messias zu entdecken und ihr mit so aufdringlicher Voreiligkeit zu sagen: „ich bin es, der mit dir spricht!” daß sich der Ursprung der vorhergehenden Bemerkung der Frau nicht verdecken kann: — sie ist vom Evangelisten gemacht, um die Eröffnung Jesu, daß er der Messias sey, recht schlagend und überraschend herbeizuführen — ihr Ursprung aus dem Pragmatismus des Verfassers beweist sich aber auch aus dem Umstände, daß die Samariter nie einen Messias erwartet haben*). | At the moment when the conversation reaches its peak, it finally breaks down completely. When the woman, after having received from the Lord the previous enlightenments, put off to the arrival of the Messiah, who will sort it all out, the Lord has nothing more urgent to do than to discover himself to her as the Messiah and to say to her with such importunate forwardness: “it is I who speak with you! “The origin of the woman’s previous remark cannot be concealed: it is made by the evangelist in order to bring about Jesus’ announcement that he is the Messiah in a rather striking and surprising way – but its origin from the pragmatism of the author is also proved by the circumstance that the Samaritans never expected a Messiah*). |
98* | *) Siehe den Beweis: Kritik der evangelischen Geschichte des Johannes von B. Bauer. Bremen 1840. Beilage p. 415—435 | *) See the proof: Kritik der evangelischen Geschichte des Johannes by B. Bauer. Bremen 1840. supplement p. 415-435 |
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98 | Endlich kommt auch an die Jünger die Reihe. Wenn Alles, was mit dem Himmlischen in Berührung kommt, mit stumpfer Unfähigkeit seine Weisheit und Erhabenheit anstaunen muß, so ist es auch zu erwarten, daß die Jünger vor der Un- ergründlichkeit seiner Worte ihre Unfähigkeit bekennen müssen. | Finally, it is also the turn of the disciples. If everything that comes in contact with the heavenly must marvel at his wisdom and majesty with dull incompetence, it is also to be expected that the disciples must confess their incompetence before the unfathomability of his words. |
98/99 | Sie kamen (V. 27) eben aus der Stadt zurück, als das Gespräch seinen Zweck erreicht und Jesus vor der Samariterin sich als Messias entdeckt hatte; die Frau begibt sich in die Stadt zurück, um die Leute auf den Mann aufmerksam zu machen, der ihr ganzes Leben kenne und wohl der Messias seyn müsse; sogleich darauf bieten die Jünger ihrem Meister die Lebensmittel an, die sie aus der Stadt geholt hatten, werden von ihm aber mit Worten zurückgewiesen, die sie völlig mißverstehen. | They had just returned (v. 27) from the city when the conversation had reached its purpose and Jesus had discovered himself as the Messiah before the Samaritan woman; the woman goes back to the city to draw the people’s attention to the man who knew her whole life and must be the Messiah; immediately afterwards, the disciples offer their Master the food they had fetched from the city, but are rejected by him with words they completely misunderstand. |
99 | Mit einem wegwerfenden Hinblick auf die leibliche Speise sagt er zu ihnen: ich habe eine Speise, die ihr nicht kennt, und indem er die geistige Speise meint, von der er sogleich darauf (V. 34) spricht und die in der Erfüllung des göttlichen Willens besteht, freut er sich im Stillen der Erhabenheit, die die Jünger irre macht und auf die ungeschicktesten Vermuthungen bringt. | With a dismissive glance at the bodily food he says to them: I have food that you do not know, and by referring to the spiritual food of which he speaks immediately afterwards (v. 34) and which consists in the fulfillment of the divine will, he silently rejoices in the sublimity that misleads the disciples and leads them to the most clumsy assumptions. |
99/100 | Nachdem so eben die Samariterin den Herrn mißverstanden hatte, als er den unendlichen Abstand zwischen seiner winzigen Bitte um einen Trunk Wassers zu dem ewigen Wasser, das in seiner Macht stehe, angedeutet hatte, muß die Speise, die die Jünger aus der Stadt bringen, der Anlaß dazu werden, daß durch den Abstand gegen ihren irdischen, beschränkten Sinn die Hoheit des Herrn und seine Erhabenheit über der gewöhnlichen Bedürftigkeit in ihr wahres Licht trete. Ja, sie muß — muß dazu dienen, obwohl selbst für den Fall, daß Jesus jene Worte gesprochen und sich durch die Rücksicht auf den Schatz seiner innern Nahrung zu einer gezierten und verächtlichen Behandlung des natürlich Nothwendigen hätte forttreiben lassen, das Mißverständniß der Jünger immer noch unmöglich wäre, da der Sinn seiner Worte, daß er eine von der gewöhnlichen unterschiedene Speise in Besitz habe*), d. h. persönlich in seiner Gewalt habe, zu deutlich offen liegt. Wenn der Vierte seinen Herrn erhaben sprechen läßt, so müssen ihn Andere mißverstehen. Ein Geist, der verstanden wird und seine Umgebung durch die Kraft seiner Worte zu ergreifen weiß, ist ihm ein gemeiner Geist. | After the Samaritan woman had misunderstood the Lord when he had indicated the infinite distance between his tiny request for a drink of water and the eternal water that is in his power, the food that the disciples bring from the city must become the occasion that through the distance against their earthly, limited sense the majesty of the Lord and his sublimity above the ordinary neediness come into their true light. Yes, it must serve this purpose, although even in the event that Jesus had spoken those words and had allowed himself to be driven by the consideration of the treasure of his inner nourishment to a fussy and contemptuous treatment of what is naturally necessary, the misunderstanding of the disciples would still be impossible, since the meaning of his words, that he had in his possession*), i.e. had personally in his power, a food that was different from the ordinary food, is too clearly evident. If the Fourth makes his Lord speak exaltedly, others must misunderstand him. A spirit, which is understood and knows to seize his surroundings by the strength of his words, is a common spirit to him. |
99* | *) “εχω. | *) “εχω. |
100 | Als der Evangelist den Unverstand der Jünger bildete, bedachte er nicht, daß er ihnen unmittelbar darauf eine Aufgabe setzt, deren Auffassung und Verständniß ihnen bei ihrem beschränkten, irdischen Sinn unmöglich hätte seyn müssen; — nachdem nämlich Jesus (V. 34) die Erfüllung des göttlichen Willens als seine Speise bezeichnet, zeigt er an dem vorliegenden Falle, wie er den Willen und das Werk seines Vaters vollbringe, zeigt er ihnen das Feld, das andere bearbeitet haben, das zur Erndte reif ist und dessen Ertrag sie einerndten sollen (V. 38) — aber mochte es dem Evangelisten sonst noch so festflehen, daß die Jünger durch die spätere Mittheilung des Geistes zu Erndteleuten umgeschaffen werden sollten, so bleibt es doch dabei, daß er sie jetzt, in diesem Augenblick vor eine Aufgabe stellt, die sie nach dem Beweis, den sie so eben von ihrem Schwachsinn gegeben haben, nicht einmal oberflächlich Verstehen konnten.
Der Spruch: „sehet die Felder, wie sie reif zur Erndte sind,” steht nicht an seinem Ort, wenn er an diese Jünger gericht ist. Hier, am Jakobsbrunnen bei Sichem hat er aber auch überhaupt nicht seine Heimath. |
When the evangelist depicted the disciples’ lack of understanding, he did not take into account that he immediately sets them a task, the comprehension and understanding of which would have been impossible for them with their limited, earthly mind; – after Jesus (v. 34) describes the fulfillment of the divine will as his food, he shows in the present case how he accomplishes the will and the work of his father, he shows them the field that others have worked, which is ripe for harvesting and the yield of which they are to reap (v. 38). 38) – but even if the evangelist might otherwise plead that the disciples should be transformed into harvesting people by the later impartation of the spirit, it remains the case that he now, at this moment, confronts them with a task that they could not even superficially understand after the proof they had just given of their imbecility.
The saying: “See the fields, how they are ripe for harvesting,” is not in its place, if it is directed to these disciples. Here, at Jacob’s well near Shechem, it does not have its home at all. |
100/101 | Nach dem Zusammenhänge können nämlich die reifen Felder, die den Jüngern vor Augen liegen und in die sie als Schnitter eintreten sollen, nur die Schaar der gläubigen Siche- miten seyn, die so eben zu dem Herrn heranstrkmten; der Evangelist hat mit absichtlicher Berechnung seinen Bericht so angeordnet, daß das Herzuströmen der Sichemiten, die den Messias sehen wollten (V. 30), und ihre Ankunft beim Herrn das Ge-sprach desselben mit den Züngern einschließt, und ihre vorläufige Anmeldung hat nun die natürliche Folge, daß sie bereits in der Nähe sind, als Jesus auf das reife Saatfeld zu sprechen kommt, und den Jüngern in die Augen fallen, wenn sie auf die reifen Felder ihren Blick werfen sollen. | According to the context, the ripe fields that lie before the disciples and into which they are to enter as reapers can only be the crowd of believing Shechemites who have just come to the Lord; the evangelist has deliberately arranged his report in such a way that the outpouring of hearts of the Shechemites, who wanted to see the Messiah (v.30), and their arrival at the Lord’s house (v.30), can only be seen by the disciples. (v. 30), and their arrival at the Lord includes the conversation of the same with the disciples, and their preliminary registration has now the natural consequence that they are already near when Jesus comes to speak about the ripe seed field, and fall into the eyes of the disciples when they are to cast their glance on the ripe fields. |
101 | Diese Anschauung hat der Evangelist beabsichtigt — aber vergebens sich angestrengt, da sein Spruch doch keinen ausreichenden Hintergrund erhält.
Im synoptischen Geschichtskreise, wenn der Herr im Lande umherzieht und das Volk in seinem Gefolge sieht, da kann er zu den Jüngern sagen*): der Erndte ist viel! — da ist wirklich das große, unübersehbare Feld vorhanden, welches zur Erndte reif ist und für jene Worte vorausgesetzt werden muß — da wogt es wie das Meer der Getraidefelder — da ist wirklich der großartige Hintergrund vorhanden, den auch die Worte des vierten Evangelium — „sehet die Felder, wie sie zur Erndte reif sind” — voraussetzen, der ihnen aber fehlt, da die beschränkte Beziehung auf die Sichemiten für ihre Allgemeinheit nicht ausreicht. |
This view the evangelist has intended – but in vain exerted himself, since his saying nevertheless does not receive a sufficient background.
In the synoptic historical circle, when the Lord goes around in the country and sees the people in his retinue, he can say to the disciples*): the harvest is much! – There is really the great, immense field, which is ripe for harvest and must be presupposed for those words – there it surges like the sea of the grain fields – there is really the great background, which also the words of the fourth gospel – “see the fields as they are ripe for harvest” – presuppose, but which they lack, because the limited relation to the Shechemites is not sufficient for their generality. |
101* | *) Matth. 9, 37. ο θερισμος, πολύς. Luk. 10, 2. | *) Matth. 9, 37. ο θερισμος, πολύς. Luk. 10, 2. |
101/102 | Kurz, der Vierte hat einen Spruch, der nur im synoptischen Kreise heimisch ist und Bedeutung hat, an einen unrechten Ort versetzt. Wenn er ferner das Plagiat — dessen ursprünglichem Sinne gemäß — weiter ausbildet und den Herrn sagen läßt: „ihr erndtet, woran ihr eure Kräfte nicht gesetzt habt”, so liegt darin die Voraussetzung, daß das große Feld, auf welches sich der Spruch bezieht, von dem Herrn vielfach bearbeitet und vollständig bestellt ist — eine Voraussetzung, die im synoptischen Kreise begründet ist, aber nur hier nicht, auf dem Felde der Samariter nicht, wo der Herr noch nicht gearbeitet und nur mit einer einzelnen Frau ein Gespräch geführt hat, von dem er sich, wenn er nur einigermaaßen Menschenkenntnis besitzen sollte, keinen bleibenden und sichern Erfolg versprechen konnte, da die Samariterin sich völlig unverständig und unempfänglich bewiesen hatte, bis er sie mit seiner überraschenden Entdeckung, daß er der Messias sey, überfiel. Und selbst den Fall gesetzt, daß nicht nur die Bürgerschaft von Sichem, sondern das ganze Volk der Samariter zu ihm heranströmte, so hätte der Herr doch nicht von der reifen Erndte sprechen können, da er kurz zuvor den Cultus dieses Volks bewußtlos, das ganze Volk somit unreif genannt hatte. | In short, the fourth has transferred a saying, which is native and has meaning only in the synoptic circle, to an incorrect place. If he further develops the plagiarism – according to its original sense – and lets the Lord say: “you plundered what you did not put your strength to,” therein lies the presupposition that the great field to which the saying refers has been worked and completely tilled by the Lord many times over – a presupposition which is well founded in the synoptic circle, but only not here, not in the field of the Samaritans, where the Lord had not yet worked and had only had a conversation with a single woman, from which, if he had only some knowledge of human nature, he could not expect any lasting and certain success, since the Samaritan woman had proved to be completely unintelligent and unresponsive, until he surprised her with his discovery that he was the Messiah. And even in the case that not only the citizens of Shechem, but the whole people of the Samaritans flocked to him, the Lord could not have spoken of the ripe harvest, since he had just before called the cult of this people unconscious, the whole people thus immature. |
102 | Nach seinem ursprünglichen Sinne vertheilt der Spruch Saat und Erndte an verschiedene Zeiten und Subjecte und in diesem Sinne hat ihn der Vierte selbst in seiner gewöhnlichen Manier, indem er ihn durch Antithesen hindurchsührt (V. 36—38) erweitert — und doch widerspricht diesem Sinn die neue Umgebung, in die sich der Spruch versetzt sieht, da in derselben Saat und Erndte zusammenfällt, Jesus selbst die Erndte seiner Saat einsammelt, die Saat, die er in die Seele der Frau gelegt haben soll, bereits zur reifen Frucht aufgegangen ist und die Samariter durch die Frau erweckt zu ihm hinauseilen, um ihm als dem Messias zu huldigen. Ja, der Vierte hat den Widerspruch soweit selbst an die Oberfläche herausgetrieben, daß er den Herrn selbst (V. 35) darauf aufmerksam machen läßt, wie hier, während beides sonst getrennt ist, Saat- und Erndtezeit zusammenfalle — er hat sich soweit versehen, daß er die Ausführung eines fremden Gedankens (V. 36—38) mit einem Spruch einleitet und recht sicher stellen will, der mit dem fremden Gut in tödtlichem Widersprüche steht. | According to its original sense, the saying distributes seed and harvest to different times and subjects, and in this sense the Fourth himself has extended it in his usual manner, touching it through antitheses (v. 36-38) – and yet this sense is contradicted by the new environment into which the saying is placed, since in the same seed and harvest coincide, Jesus himself gathers the harvest of his seed, the seed he is said to have planted in the woman’s soul has already risen to ripe fruit, and the Samaritans, awakened by the woman, rush out to him to pay homage to him as the Messiah. Yes, the fourth has driven the contradiction so far to the surface that he lets the Lord himself (v. 35) point out how here, while both are otherwise separate, sowing and harvesting time coincide – he has provided himself so far that he introduces the execution of a foreign thought (v. 36-38) with a saying and wants to make it quite sure that it is in deadly contradiction with the foreign good. |
102/103 | Er hat dem synoptischen Geschichtskreise einen Spruch ent-lehnt und nicht bedacht, daß er in diesem Augenblick den großartigen Hintergrund desselben — das große Feld des Hilfs- und Heilsbedürftigen Volks in sein Werk nicht mit hinübernehmen konnte; — er hat den Spruch in seiner neuen Umgebung getödtet, in dem Grade rücksichtslos behandelt, daß wir es kaum noch zu erwähnen brauchen, wie er ihn einmal auch mit seiner schwebenden und hochfliegenden Manier in die Lust gestellt hat, indem er die sprüchwörtliche Allgemeinheit und die Bestimmtheit der Anwendung in einander wirrte. Er läßt nämlich den Herrn zum Schluß (V. 38) sagen: „ihr tretet in eine Arbeit ein, an welche Andere ihre Kräfte gesetzt haben” — während nach dem Zusammenhänge nur der Herr gearbeitet hat und an Andere außer ihm, etwa die Propheten des A. T., von denen vielmehr die Samariter nicht bearbeitet sind, nicht zu denken ist. | He borrowed a saying from the synoptic historical circle and did not consider that at this moment he could not take over the great background of it – the great field of the people in need of help and salvation – into his work; – He killed the saying in its new environment, treated it ruthlessly to such an extent that we hardly need to mention how he once put it into lust even with his soaring and soaring manner, by intertwining the proverbial generality and the definiteness of the application. He lets the Lord say at the end (v. 38): “you are entering into a work in which others have put their strength” – while according to the context only the Lord has worked and others besides him, for example the prophets of the OT, of whom rather the Samaritans are not worked, are not to be thought of. |
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103 | Es ist Zeit, daß wir endlich die Bürger von Sichem empfangen und wieder nach Hause zurückkehren lassen.
Viele von ihnen waren zum Glauben gelangt, weil sie von der Frau gehört hatten, wie Jesus ihr bewiesen habe, daß er Alles wisse, was ihre Lebensverhältnisse beträfe. Aber noch ,,viel mehr” kamen zum Glauben, als Jesus auf die Bitte der Ersteren noch zwei Tage zu Sichem blieb und zwar nicht um jenes Wunders willen, sondern weil sie aus der Predigt Jesu sahen, daß er wirklich der Heiland der Welt sey. |
It is time that we finally receive the citizens of Shechem and let them return home.
Many of them had come to believe because they had heard from the woman how Jesus had proved to her that he knew everything concerning their circumstances. But many more came to believe when Jesus, at the request of the former, stayed two more days in Shechem, not because of the miracle, but because they saw from Jesus’ preaching that he really was the Savior of the world. |
103/104 | Also zwei Steigerungen nebeneinander! Zu den ersten Gläubigen kamen noch viel mehr hinzu und erst in diesen Mehreren, in diesem Zuwachs findet die Steigerung des Glaubens statt — eine Steigerung, die vielmehr bei denen hätte stattfinden sollen, die vorher durch den Bericht der Frau zum Glauben gebracht waren und die nur deshalb leer ausgehen, weil der Verfasser nicht geschickter arbeiten und die Steigerungen nicht massiv genug nebeneinander aufthürmen konnte. | So two increases side by side! The first believers were joined by many more, and only in these multiples, in this increase, does the increase of faith take place – an increase that should have taken place in those who had been brought to faith by the woman’s report before, and who only go away empty-handed because the author could not work more skillfully and could not pile up the increases massively enough next to each other. |
104 | Die Ersten aber, die er dürftig und verlassen da stehen läßt, werden bald getröstet und zur Ruhe gebracht seyn, wenn wir bemerken, daß die Frau sie nicht einmal zu ihrem schwachen Glauben bringen konnte, da sie im Gespräch mit Jesu dem Beweis seines wunderharen Wissens durchaus nicht die Bedeutung beimißt, die sie ihm nachher zuschreiben soll, wenn sie ihn dazu benutzt und ihn allein benutzen kann, um ihre Landsleute zum Glauben an den Messias zu bringen. Sie selbst hatte aus diesem Beweis des wunderbaren Wissens nur den Schluß gezogen, daß Jesus ein Prophet seyn müsse; der Evangelist läßt also einen Umstand, dem er vorher nur eine geringere Kraft beimaaß, eine Wirksamkeit üben, die er selbst ausgeschlossen hatte.
Und die Andern, die Mehreren, die noch hinzukamen und so verächtlich auf den Autoritätsglauben herabsehen — so geziert, wie altkluge Kinder sprechen — mit der Vornehmheit des dogmatischen Lehrers reden? Run, sie sind eben keine wirklichen Wesen und nur deshalb so eilig bemüht, den Verdacht, sie könnten um einer äußern Autorität willen glauben, von sich abzu- wenden, weil der Evangelist, dem der Grundsatz feststand (C. 2, 23. 24), daß der Glaube um eines Zeichens willen ein unvollkommener sey, auch einmal Gläubige schildern wollte, wie sie seyn müssen. Warum mußten es aber Samariter seyn? Erst der Vergleich mit dem synoptischen Geschichtskreis wird die Antwort herbeiführen. Für jetzt ist genug, wenn der Vierte durch die Widersprüche und Haltlosigkeiten, aus denen er seine Arbeit bildete, dieselbe eigenhändig zertrümmert hat. |
The first ones, however, whom he leaves standing there poorly and abandoned, will soon be comforted and put to rest when we notice that the woman could not even bring them to their weak faith, since in the conversation with Jesus she does not at all attach to the proof of his miraculous knowledge the importance that she is to ascribe to it later, when she uses it for this purpose and can use it alone to bring her countrymen to faith in the Messiah. She herself had only drawn the conclusion from this proof of miraculous knowledge that Jesus must be a prophet; the evangelist thus lets a circumstance, to which he previously attributed only a lesser power, exercise an efficacy that he himself had excluded.
And the others, the more, who were added and who look down so contemptuously on the faith of authority – who speak so stiltedly, like precocious children – with the nobility of the dogmatic teacher? Run, they are not real beings and are only in such a hurry to avert the suspicion that they could believe for the sake of an external authority, because the evangelist, who was firmly convinced (C. 2, 23. 24) that faith is imperfect for the sake of a sign, also wanted to describe believers as they must be. But why did they have to be Samaritans? Only the comparison with the synoptic historical circle will bring about the answer. It is enough for now, if the fourth man has single-handedly destroyed his work by the contradictions and incoherencies from which he formed it. |
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Neil Godfrey
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