280 |
9.Die vier Wunder. |
9.The Four Miracles. |
280 | Während es dabei bleibt, daß der Abschnitt, der die Wunderthätigkeit Jesu in ihrer ganzen colossalen Größe darstellt, nur im Marcusevangelium das richtige Verhältniß zu seiner Umgebung hat und zugleich selber richtig gebaut ist, tritt doch auch hier wieder die eigenthümliche Erscheinung ein, daß einzelne Detailbestimmungen der Ursprünglichkeit des Ganzm widersprechen und eine spätere Hand verrathen. | While it remains the case that the section depicting the miraculous activity of Jesus in all its colossal greatness is only in the Gospel of Mark in the right relationship to its surroundings and at the same time is itself correctly constructed, here too the peculiar phenomenon occurs that individual details contradict the originality of the whole and betray a later hand. |
281/282 | Zu diesen verrätherischen Zügen ist die Angabe, daß Jesus, als die Jünger über den Sturm sich ängstigten, ״im Hintertheil des Schiffes auf einem Kissen” schlief (Marc. 4, 38), nicht zu rechnen. Die Geschichte von der Stillung des Sturmes ist nämsich der Schilderung des 107.Psalms (V. 24 — 30) und der Geschichte des Jonas wörtlich nachgebildet. Die Schiffer des Psalms erfahren die Wunder des Herrn auf dem Meere, wie er einen Sturmwind erregt, der die Wellen erhebt, daß sie gen Himmel fahren und in den Abgrund fahren und ihre Seele vor Angst verzagt, wie er aber auch wieder das Ungewitter stillt, daß die Wellen sich legen, als sie zu ihm in ihrer Noth aufschrieen. Jonas ferner war in den Bauch des Schiffes hin- untergegangen, hatte sich niedergelegt und schlief, als tJonas 1, 4—6) ein großer Sturm entstand und das Schiff Gefahr lief zerbrochen zu werden: — während der Schöpfer des Urberichts dem Psalm die Beschreibung der menschlichenNoth und der göttlichen Allmacht überhaupt entlehnt, hat er der Geschichte des Jonas den Contrast, daß derjenige, von dem die Rettung kommen sollte, nicht nur im Augenblick der Gefahr schlief, sondern auch fern von denen lag, die mit dem Sturm kämpften, nachgebildet. Die ursprüngliche Abhängigkeit vom A. T. ist auch noch in der Dar- stellung des Marcus enthalten, wenn die Jünger Jesum wecken und zu ihm sprechen: Meister, kümmerts dich nicht, daß wir umkommen? — die Jünger Jesu handeln und sprechen nämlich wie der Schiffsherr, der zum Jonas tritt und zu ihm spricht: was schläfst du? Stehe auf und rufe deinen Gott an, da- mit er uns errette und wir nicht umkommen! In der Schrift des Marcus ist uns endlich auch die ursprüngliche Uebereinstim- mung der Schlußbemerkung mit dem alttestamentlichen Original erhalten, da die Jünger Jesu sich gleich gewaltig über die Stillung des Sturms entsetzten wie die Schiffsleute über die Beruhigung des Meers, die iynen Jonas verschasste *) | The statement that Jesus, when the disciples were worried about the storm, slept “in the back of the ship on a pillow” (Mark 4, 38), is not to be counted among these treacherous features. The story of the calming of the storm is literally modelled on the description of the 107th Psalm (v. 24-30) and the story of Jonah. The mariners of the Psalm experience the miracles of the Lord on the sea, how he stirs up a storm wind that raises the waves so that they go up to heaven and into the abyss and their souls despair of fear, but how he also calms the storm again so that the waves subside when they cry out to him in their distress. Jonah had also gone down into the belly of the ship, lay down and slept, when a great storm arose and the ship was in danger of being broken up: – While the creator of the original account borrowed from the Psalm the description of human distress and of divine omnipotence in general, he copied from the story of Jonah the contrast that the one from whom salvation was to come was not only asleep at the moment of danger, but also lay far from those who were struggling with the storm.The original dependence on the A. T. is also still contained in the account of Mark when the disciples awaken Jesus and speak to him: Master, do you not care that we perish? – The disciples of Jesus act and speak like the master of the ship who comes to Jonah and says to him: Why are you asleep? Arise, and call upon thy God, that he may save us, and that we perish not. In the writing of Mark we finally also have the original correspondence of the concluding remark with the Old Testament original, since the disciples of Jesus were as terrified about the calming of the storm as the shipmen were about the calming of the sea, which engulfed Jonah *). |
282* | *) Marc. 4, 41 καὶ ἐφοβήθησαν φόβον μέγαν καὶ . . . .
Jon. 1, 16: καὶ ἐφοβήθησαν φόβῳ μεγάλῳ καὶ . . . . |
*) Mark 4, 41 καὶ ἐφοβήθησαν φόβον μέγαν καὶ . . . .
Jonah 1:16 καὶ ἐφοβήθησαν φόβῳ μεγάλῳ καὶ . . . . |
282/283 | Auch die Breite und Ausführlichkeit, mit der Marcus (C. 5, 3—5) das gefährliche Wesen des Besessenen von Gadara schildert, ist nicht nothwendig die Zuthat eines spätern Schriftstellers, der einen gegebenen Bericht überarbeitet und durch die übermäßige Erweiterung einzelner Züge das Ebenmaaß des Ganzen verdirbt. Es ist wahr, die Darstellung des Marcus ist nicht nur sebr breit, sondern hält auch ihrer Weitschweifigkeit wegen den Zug der Erzählung viel zu sehr auf, da es nun viel zu lange dauert, ehe wir hören, was der Besessene that, als er Jesum erblickte (V. 6) — Lukas aber, der allein noch in Betracht kommen kann, da Matthäus wegen der Zweizahl semer Besessenen nur eine oberflächliche Beschreibung ihres Wesens geben kann, — Lukas, der das Benehmen seines Besessenen (C. 8, 27) zuerst nur kurz beschreibt, um ihn nicht zu spät mit dem Herrn Zusammentreffen zu lassen, und der nachher erst, nachdem er (V. 28) dieß Zusammentreffen geschildert hat, die entschliche Qual des Unglücklichen ausmalt (V. 29), hat den Zug der Erzählung vielmehr unterbrochen, wo er schlechterdings nicht unterbrochen werden durfte, und in die wildeste Verwirrung gebracht, da augenblicklich darauf, wenn das Ganze einmal so weit in Bewegung gesetzt ist, daß der Besessene Jesum wirklich anruft, auch sogleich folgen muß, was dieser that. Lukas hat die Darstellung zugleich wirklich überfüllt, wenn er sogleich im Anfang (V. 27) bemerkt, daß der Besessene keine Kleider an sich duldete, während Marcus, wenn er nachher erst die Landsleute des Geheilten sich darüber verwundern läßt, als sie ihn bekleidet erblickten, darauf rechnet, daß der Leser von selbst die Anschauung von dem früheren Zustand des Besessenen sich ausfüllen werde. Der Beweis gegen Lukas wird endlich vollendet, wenn wir bei ihm lesen, daß der Besessene, der Jesu beim landen begegnete, ״aus der Stadt” kam, obwohl er in demselben Augenblicke (V. 27) berichtet, daß der Unglückliche draußen in den Grabstätten wohnte. | Also the breadth and detail with which Marcus (C. 5, 3-5) describes the dangerous nature of the possessed man of Gadara is not necessarily the attribute of a later writer who reworks a given account and spoils the even measure of the whole by the excessive expansion of individual features. It is true that the account of Mark is not only very broad, but also holds up the narrative too much because of its prolixity, since it takes much too long before we hear what the possessed man did when he saw Jesus (v. 6) – Luke, however, who alone can still be considered, since Matthew can only give a superficial description of their nature because of the number of possessed men, – Luke, who at first only briefly describes the behaviour of his possessed man (C. 8, 27) only briefly at first, so as not to let him meet the Lord too late, and who only afterwards, after he has described (v. 28) the meeting, describes the terrible torment of the wretch (v. 29). 29), has rather interrupted the train of the narrative where it absolutely should not be interrupted, and has brought it into the wildest confusion, since once the whole thing has been set in motion to such an extent that the possessed man really calls upon Jesus, it must immediately be followed by what he did. Luke has at the same time really overfilled the account when he remarks immediately at the beginning (v. 27) that the possessed man did not tolerate any clothes on him, while Mark, when he afterwards lets the compatriots of the healed man marvel at this when they saw him clothed, counts on the reader filling in the idea of the former state of the possessed man by himself.The proof against Luke is finally completed when we read that the possessed man who met Jesus on the landing came ״from the city’, although at the same moment (v. 27) he reports that the unfortunate man lived outside in the tombs. |
283 | Wohl aber kann es nicht mehr die ursprüngliche Anordnung des Berichts seyn, wenn Marcus (C. 5, 8) — eine Erklärung, die sich auch in der Schrift des Lukas findet (C. 8, 29) — die Anrede, mit der der Dämon dem Herrn entgegentrat, nach- trä glich aus dem Umstände erklärt, daß ihm Jesus geboten habe, von dem Menschen auszufahren. Sagt doch Marcus selbst, als der Besessene Jesum erst von weitem*) sah, sey er sogleich hinzugelaufen und habe er ihm mit lauter Stimme zugerufen: ״was habe ich mit dir zu schaffen, Jesu, du Sohn Gottes, des Allerhöchsten!” So allein ist es recht: wie es seinen teuflischen Genossen sonst (Marc. 1, 24) eigen ist, muß der Dämon Jesum von vornherein kennen und sogleich, wie er ihn sieht, die Gewißheit haben, daß der Herr zu seinem Verderben gekommen sey. Jesus darf das vorhergehende Gebot nicht aussprechen; der Urbericht kannte es nicht; nachher erst erfolgt das Wort, welches den Besessenen von der dämonischen Macht befreit. | But it cannot be the original order of the report when Mark (C. 5, 8) – an explanation that is also found in Luke’s writing (C. 8, 29) – explains the address with which the demon approached the Lord from the circumstance that Jesus commanded him to depart from the man. Mark himself says that when the possessed man saw Jesus from afar*), he immediately ran to him and called out to him in a loud voice: ״What have I to do with thee, Jesus, thou Son of God, the Son of God, the Most High!” This alone is right: as is usual with his devilish comrades (Mark 1, 24), the demon must know Jesus from the beginning and immediately, as soon as he sees him, have the certainty that the Lord has come to his destruction. Jesus is not allowed to speak the previous commandment; the original report did not know it; only afterwards does the word take place which frees the possessed from the demonic power. |
283* | *) μακρόθεν (B. 6) | *) μακρόθεν (v. 6) |
283/284 | Matthäus kann bei der Vergleichung dieser Berichte nicht in Betracht kommen. Nachdem die Zweizahl seiner Besessenen ihn schon gezwungen hatte, Mittelglieder auszulassen, die die folgende Katastrophe erklären, nöthigt sie ihn noch, den Schluß, den er in seinen Quellen las, zu verstümmeln und das Ganze mit einer ungelösten Dissonanz zu schließen. Er weiß Nichts davon, daß die Landsleute des Besessenen, als sie zu dem Herrn hinauskamen, ihn zu den Füßen desselben ruhig und gefaßt sitzen sahen — natürlich! die Zweizahl der Besessenen hätte die Scene viel zu sehr überfüllt. Er weiß auch Nichts davon, daß der Besessene, als seine Landsleute den Herrn zur Rückkehr zwan- gen, seinen Wohlthäter um die Erlaubniß bat, ihm folgen zu dürfen, und daß ihm Jesus vielmehr den Auftrag gab, sich zu den Seinen zu begeben und in seiner Heimath das Wunderwerk des Herrn zu verkünden — natürlich! da es zu unwahrschein- lich gewesen wä ׳׳ e, daß zwei Leute zu gleicher Zeit den Wunsch, Jesus möge sie mitnehmen, hegen und aussprechen sollten. | Matthew cannot be considered in the comparison of these accounts. After the two numbers of his possessed had already forced him to omit middle links that explain the following catastrophe, it still compels him to mutilate the ending that he read in his sources and to close the whole with an unresolved dissonance. He knows nothing of the fact that the compatriots of the possessed man, when they came out to the gentleman, saw him sitting calmly and composedly at his feet – of course! the number of two possessed men would have crowded the scene far too much. He also knows nothing about the fact that the possessed man, when his compatriots forced the Lord to return, asked his benefactor for permission to follow him, and that Jesus rather gave him the order to go to his own and to proclaim the miraculous work of the Lord in his home – of course! since it would have been too improbable that two people at the same time would have expressed the wish that Jesus should take them along, Jesus to take them with him. |
284 | Im Urbericht war dagegen die Dissonanz, mit der der Bericht des Matthäus schließt, in einer wohlthätig spannenden Weise gelöst. Für einen Augenblick war Jesus in einem Lande erschienen, wo Lausende von unreinen Geistern zu finden sind und Menschen Hausen, die selbst dem Unreinen angehören und denen der Sieger über alles Teuflische nur Grauen einflößt — nachdem er im Entsetzen und in der Erschütterung, die seine Hoheit in den dumpfen und verschlossenen Geistern hervorbringt, im Grauen, die seine Geistesmacht selbst den Gegnern einflößt, seine Majestät offenbart hat, läßt er den Geheilten mit dem Bekenntniß seines Glaubens als den Zeugen seiner Macht und Gnade in dem finstern Lande zurück. Die Hoheit des Herrn und das Grauen der Unreinen, die Zeugenschaft des Geheilten und die Dumpfheit seiner Landsleute — Alles das gehört zusammen und bildete den ursprünglichen Contrast. | In the original account, on the other hand, the dissonance with which Matthew’s account concludes was resolved in a beneficially exciting way. For a moment, Jesus had appeared in a land where lurkers of unclean spirits are to be found and people live in houses that themselves belong to the unclean and to whom the victor over everything devilish only inspires horror, and in the shock which his majesty produces in the dull and closed spirits, in the horror which his spiritual power instils even in his opponents, he leaves the healed man with the confession of his faith as the witness of his power and grace in the dark land. The majesty of the Lord and the horror of the unclean, the testimony of the healed and the dullness of his countrymen – all this belongs together and formed the original contrast. |
284/286 | Noch Einen Zug haben wir aus der Darstellung des Marcus hervorzuheben, der höchst wahrscheinlich ein später Zusatz zum Urbericht ist. Er betrifft die Heilung des blutflüssigen Weibes. Selbst Matthäus, obwohl er Alles ausläßt, was die beiden Andern erzählen, um es recht gewiß zu machen, daß die Heilung eme unwillkührliche gewesen sey, kann dieses Interesse des Berichts nicht verläugnen, nimmt es sogar ausdrücklich in seine Darstellung mit auf, wenn er sagt, der Herr habe sich, als ihn das Weib berührt hatte, umgedreht, und da er sie erblickte, ihr zugerufen: sey getrost, Tochter, dein Glaube hat dir geholfen (Matth. 9, 20—22). Marcus sagt es uns (C. 5, 30), wie Jesus, der sich in diesem Augenblicke im Volksgedränge befand, zu dem Schlüsse kam, es müsse ihn Jemand berührt haben: — er merkte nämlich, daß eine Kraft von ihm ausgegangen sey (Marc. 5, 30); Lukas verwandelt diesen Schluß in eine Rede Jesu: ״es hat mich Jemand angerührt, denn ich merkte, daß eine Kraft von mir ausging” (Luk. 8, 46) — nach der Darstellung des Marcus gerieth die Frau, als Jesus nach dem- jenigen fragte, der ihn angerührt habe, in Furcht, ״denn sie wußte, was an ihr geschehen war” (Marc. 4, 33), und Lukas treibt die Sache so weit, daß er die Frau, als sie vor Furcht Jesu zu Füßen fiel, ihm vor allem Volk berichten läßt, aus welchem Grunde sie ihn angerührt habe und daß sie auf der Stelle geheilt sey — die Heilung ist also geschehen, ohne daß der Wille Jesu dazwischen getreten war, die Gnadenkraft Jesu hat gewirkt, ohne daß er wußte, wen ihre Wohlthat treffe. Wenn daher Jesus, wie es in der Darstellung des Lukas geschieht, der erschrockenen und zitternden Frau zuruft: ״sey getröst, Tochter, dein Glaube hat dir geholfen, gehe hin in Frieden!” so war das genug und Alles gesagt, was nach den Voraussetzungen des Berichts gesagt werden konnte; — wenn er dagegen in der Schrift des Marcus noch hinzufügt: ״und sey gesund von deiner Plage”, so tritt der Wille doch noch dazwischen, erhält die Sache den Anschein, als ob es dieser nachtrag liehen Bestätigung durch den Willen bedurft habe, um das Wunder zu vollenden — d. h. der Urheber dieses Zusatzes nahm schon an der Voraussetzung des Berichts, daß die Heilung eine unwillkührliche gewesen sey, Anstoß und ließ den Willen hineinspielen, nachdem die Heilung in der That schon vollendet war. Die Voraussetzung des Berichts weist aber diesen Zusatz zurück. | There is one more feature to be emphasised in the account of Mark, which is most probably a later addition to the original account. It concerns the healing of the woman with the issue of blood. Even Matthew, although he omits everything that the two others relate in order to make it quite certain that the healing was involuntary, cannot deny this interest of the report and even includes it explicitly in his account when he says that the Lord, when the woman had touched him, turned around and when he saw her, called out to her: “Be of good cheer, daughter, your faith Mark tells us (C. 5, 30) how Jesus, who was in the crowd at that moment, came to the conclusion that someone must have touched him: for he noticed that a force had gone out from him (Mark 5, 30); Luke transforms this conclusion into a speech of Jesus: ״someone touched me, for I perceived that a power procked out of me’ (Luk. 8, 46) – according to the account of Marcus, when Jesus asked about the one who had touched him, the womras terrified, ״because she knew what had happened to her’ (Mark 4, 33), and Luke takes the matter so far that he has the woman, when she fell at Jesus’ feet in fear, tell him in front of all the people for what reason she had touched him and that she was healed on the spot – the healing therefore happened without Jesus’ will intervening, the power of grace of Jesus worked without him knowing who was affected by her benefit.Therefore, when Jesus, as it happens in Luke’s account, calls out to the frightened and trembling woman: ״be comforted, daughter, thy faith hath helped thee, go in peace!’ then that was enough and all was said that could be said according to the premises of the report; – if, on the other hand, in the writing of Mark, he adds: ״and be well from thy plague’, then the will still intervenes, the matter receives the appearance as if this supplementary confirmation by the will was needed to complete the miracle – i.e., the author of this addition took away the will. That is, the author of this addition already took offence at the presupposition of the report that the healing was involuntary, and allowed the will to play a part after the healing had in fact already been completed. The presupposition of the report, however, rejects this addition. |
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286 | Die Steigerung, mit der der Abschnitt die Wunderthätigkeit Jesu sich entwickeln läßt, ist bereits oben nachgewiesen. Die Natur wird bekämpft, ihr Eigenwille gebrochen, — sie wird der Macht des Geistes unterworfen. Vergebens braust sie in ihrer Eigenmacht auf, vergebens gibt sie sich dem Teuflischen zum Organ hin, will sie mit ihrer Unreinheit den Geist Plagen, ihn endlich dem Tod als Beute preisgeben — es hilft ihr Nichts — sie hat am Messias ihren Meister gesunden.
Die Natur ist der Feind des Gläubigen und sie verfolgt ihn, bis sie im Tode den Triumph genießt, daß sie ihn zwingt, ihrem Gesetz sich zu unterwerfen. Als diesen Feind des Gläubigen muß der Messias die Natur bekämpfen und sie wiederum zwingen, vor seiner Oberhoheit ihre Ohnmacht zu bekennen, — ein an sich selbst schon höchst werthvollcr und bedeutungsvoller Kampf, dessen Bedeutung aber noch mehr hervortreten wird, wenn wir darauf achten, wie der Christ in ihm das Abbild seiner geschichtlichen Kämpfe, in den Triumphen des Herrn die Bürgschaft für die Siege, die er in den Kämpfen dieser Welt über den Widerstand des Bösen davontragen soll, anschaut und wie er dazu gekommen ist, nach diesem Abbild zu verlangen und diese Bürgschaft sich zu verschaffen. |
The intensification with which the passage allows the miraculous activity of Jesus to develop has already been demonstrated above. Nature is fought, its self-will broken, – it is subjected to the power of the spirit. In vain does it roar in its own power, in vain does it give itself up to the devil as an organ, does it want to plague the spirit with its impurity, to finally abandon it to death as a prey – it is of no use to it – it has found its Master in the Messiah.
Nature is the enemy of the believer and it pursues him until it enjoys the triumph in death of forcing him to submit to its law. As this enemy of the believer, the Messiah must fight nature and in turn force it to confess its impotence before his supremacy, – a struggle in itself already highly valuable and significant, the importance of which, however, will become even more apparent if we pay attention to it, The significance of this struggle will become even more apparent when we consider how the Christian sees in it the image of his historical struggles, in the triumphs of the Lord the guarantee of the victories he is to win in the struggles of this world over the resistance of evil, and how he has come to desire this image and to procure this guarantee for himself. |
287/288 | In den Schranken, die sich die geschichtliche Darstellung der Wirksamkeit des Messias ziehen mußte, hat derselbe nicht alle feindlichen Mächte, die dem Gläubigen drohen, bekämpfen — als der schlechthin sündlose Heiland hat er nicht einmal alle die innern Kämpfe, die der Gläubige zu bestehen hat, erfahren können — selbst wenn er mit den Partheien seiner Zeit wirklich in Kampf tritt und sich als Meister bewährt, so ist damit für das gegenwärtige und viel weiter reichende Interesse des Gläubigen noch lange nicht genug gethan, da diese Art der Bewährung gerade am persönlichsten, die eigene, zufällig-geschichtliche Angelegenheit Jesu und abgethan scheint, wenn den Schriftgelehrten und Pharisäern das ״Maul gestopft” ist — es fehlt daher immer noch Etwas, wenn in den geschichtlichen Erlebnissen dieser Einen Person die Ausgleichung aller, auch der allgemeinsten Kämpfe, Unruhen und Zerwürfnisse angeschaut werden soll und diese Erlebnisse doch nur aus zufälligen Verwicklungen mit Gegnern sich bilden, die nur ihrer Zeit und Umgebung angehören. Um alle diese Mängel auszufüllen und diese Widersprüche zu tilgen, schafft das religiöse Bewußtseyn die Welt des reinen Wunders — eine Welt, in der der Messias nicht mehr mit einzelnen Gegnern und Partheien kämpft, sondern die ewig gleiche, allen Zeiten bekannte und gegenwärtige Natur bändigt und zügelt, — dieselbe Natur, aus welcher der religiöse Geist am leichtesten und verständlichsten seine Collisionen bilden und die Symbole seiner geistigen und geschichtlichen Kämpfe entnehmen kann. Diese Welt des Wunders ist dem religiösen Geiste unmittelbar nahe und verwandt, denn er gerade ist gegen die natürlichen Schranken und Leiden am empfindlichsten — sie ist ihm zugleich die wahrhaft göttliche Geschichte, da er in ihr den Geist mit seiner schrankenlosen Allgemeinheit und als die unbedingte Macht des Universum wirken sieht; — nur hier meint der Gläubige den Herrn in persönlicher Spannung mit dem Bösen zu sehen, wenn er ihn den Tod, die Unreinheit und die Empörung der Natur bekämpfen lieht — nur in diesen Kämpfen endlich erblickt er die volle Bürgschaft für die weltgeschichtlichen Siege der Gemeinde, denn der Herr, der mit Einem Worte den Tod tödtet und den Sturm des Meeres stillt, der die unreinen Geister im Land des Grauens aufsucht und den Zeugen seines Triumphs auf dem Kampfplatz zurückläßt, der durch die Kraft seines innern Gehalts auch über die Sphäre seiner augenblicklichen Berechnung hinaus wirkt und die Ueberfülle seiner Kraft weit über die Gränze seines geschieht- lichen Wirkungskreises hinausströmt, — der in allen seinen Kämpfen ruhig und unerschüttert dasteht und vom Kampfplatz hinweggeht, ohne sich umzusehen und von der That Aufhebens zu machen, das ist der absolute Herr, der bis zum Ende der Weltgeschichte, bis zur Schöpfung einer neuen Natur den Seinigen beisteht. | In the limits that the historical representation of the Messiah’s activity had to draw for itself, he could not fight all the hostile powers that threaten the believer – as the absolutely sinless Saviour he could not even experience all the inner struggles that the believer has to endure – even if he really enters into battle with the parties of his time and proves himself as a master, this is still far from enough for the present and much more far-reaching interest of the believer, since this kind of probation seems to be the most personal, the own, accidental-historical matter of Jesus and to have been completed when the scribes and Pharisees’ mouths have been “shut” – something is therefore still missing if in the historical experiences of this One Person the balancing of all, even the most general struggles, unrest and discord is to be seen and these experiences are nevertheless only formed from accidental entanglements with opponents who only belong to their time and environment. In order to fill all these deficiencies and to erase these contradictions, religious consciousness creates the world of pure miracles – a world in which the Messiah no longer fights with individual opponents and parties, but tames and restrains the eternally same nature, known and present to all times – the same nature from which the religious spirit can most easily and comprehensibly form its confrontations and take the symbols of its spiritual and historical struggles. This world of miracles is immediately close and related to the religious spirit, for it is precisely this world that is most sensitive to natural barriers and sufferings – it is at the same time to him the truly divine history, since in it he sees the spirit working with its boundless universality and as the unconditional power of the universe; – only here does the believer think he sees the Lord in personal tension with evil, when he sees him fighting death, impurity and the outrage of nature – only in these battles, at last, does he see the full guarantee for the world-historical victories of the congregation, for the Lord who with One Word kills death and stills the storm of the sea, who seeks out the unclean spirits in the land of horror and leaves the witness of his triumph on the battlefield, who, through the power of his inner content, also works beyond the sphere of his momentary calculation and the superabundance of his power flows far beyond the boundary of his actual sphere of action, – who stands calm and unshaken in all his battles and departs from the battlefield without looking back and making a fuss about the deed, that is the absolute Lord, who stands by his own until the end of world history, until the creation of a new nature. |
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Neil Godfrey
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