4.Der Kampf zwischen Jesus und seinen Gegnern. |
4.The controversy between Jesus and his opponents. |
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131 | Die Schlachtordnung, die dem Genie deS ersten Bildners alle Ehre macht, haben Beide, LukaS wie Matthäus, nicht mehr verstanden | Both Luke and Matthew no longer understood the order of battle that did credit to the genius of the first creator. |
131/132 | Für die Nottz des Urberichts, daß die Gegner den Herrn „verließen und hinweggingen”, hatte Matthäus nach der Parabel von den Arbeitern im Weinberg keinen Raum, da er durchaus noch das Gleichniß von der Hochzeit anfügen wollte — erst später schreibt er sie dem Urbericht nach, aber zur Unzeit, da sie nun am Gade des Berichts vom Zinsgroschen (C. 22,22) dem Theater einen Theil deS nöthigen Personales entzieht. Es war genug, wenn er dem Urbericht nachschrieb, daß die Gegner sich Verwunderten — sie selbst aber müssen stehen bleiben, da nachher, wenn Andere ins Treffen gerückt und zurückgeschlage« sind, wenn nun Jesus selbst zum Angriff übergeht und die Frage über die Abkunft des Messias aufwirft, alle seine Gegner in ihrer Nichtigkeit bloßgestellt werde» sollen. | Matthew had no room for the emergency of the original report, that the opponents “left the Lord and went away” after the parable of the workers in the vineyard, since he definitely wanted to add the parable of the wedding – only later does he add it to the original report, but at an inopportune time, since it now takes away a part of the necessary persona from the theatre at the time of the report of the [tax / Caesar’s coin] (C. 22,22). It was enough for him to follow up the original report by saying that the opponents were astonished – but they themselves must remain standing, since later, when others have “moved into the encounter and beaten back”, when Jesus himself goes on the attack and raises the question about the origin of the Messiah, all his opponents are to be “exposed in their nullity”. |
132 | Wenn der zweite Angriff zurückgeschlage», die Kriegslist der Sadducäer vereitelt ist, bemerkt er, daß die Haufen über Jesu Lehre erstaunten (V. 33) — wiederum zu früh, da der Eindruck, den Jesu Antworten und Haltung auf das Volk machten, dann erst zur Sprache kommen kann, wenn der theoretische Wettkampf zu Ende ist, wenn Jesus in Folge seines Angriffs als vollendeter Sieger dafleht und in der Warnung vor den Schriftgelehrten, die er an das Volk richtet, seinen Sieg benutzt — in diesem Augenblicke erst, wo Jesus die Summe zieht und dem Volke vorträgt, war die Reflexion auf dasselbe, war die Bemerkung des Urberichts (Marc. 12, 37. 38), daß eS an seiner Lehre Wohlgefallen , fand, motivirt und an der Zeit. | When the second attack is “beaten back”, the Sadducees’ warfare thwarted, he remarks that the crowds were astonished at Jesus’ teaching (v. 33) – again too early, since the impression Jesus’ answers and attitude made on the people can only be brought up when the theoretical contest is over, when Jesus, as a result of his attack, pleads as the consummate victor and uses his victory in the warning to the scribes which he addresses to the people – at this moment only, when Jesus draws the sum and presents it to the people, was the reflection on the same, was the remark of the original report (Mark 12, 37. 38), that He was pleased with His teaching, was motivated and timely. |
132/133 | Den freundlichen Charakter der Verhandlung über das vornehmste Gebot wußte Matthäus nicht zu würdigen, er sah nicht, daß die Sache, nachdem die Pharisäer und Sadducäer mit ihren Angriffen zurückgeschlagen sind, milder werden muß und der Sieger durch dir gutgemeinte Frage des Schriftgelehrten, der aus seinen Antworten seine EntscheidungSkraft ersehen hatte, die erste Huldigung erhält — Matthäus nimmt dem Schriftgelehrten sein wohlmeinendes Wesen, macht ihn zu einem Mitverschworenen der Pharisäer, läßt ihn ausdrücklich erst nach einer Verabredung derselben mit seiner Frage auftreten, zerstört die Einheit und den Zusammenhang der ganzen Begebenheit, indem er die Pharisäer sich erst wieder versammeln und über die neue Frage berathen läßt; er hat sich aber auch hart genug für seine Aenderung bestraft, wenn er die Pharisäer — zumal nach ihrer eigenen Niederlage! — durch die Nachricht von der Niederlage der Saddueäer zu ihrer neuen Unternehmung ermuthigt (C. 22, 34. 35). Der Schristgelehrte, der dem Meister die Frage nach dem vornehmsten Gebot vorlegt, muß vielmehr Zeuge des ganzen vorhergehenden Kampfes seyn und dem Herrn deshalb nur, weil er das Treffende feiner Antworten bewundert, nun auch die Frage vorlegen, die ihm am Herzen liegt (Marc. 12, 28). Er darf keiner der Versucher seyn «nd die Verhandlung muß den freundlichen Schluß zurück erhalten, den Matthaus unterdrückt hat — der Schriftgelehrte muß ausdrücklich das Treffende such der Antwort anerkennen, die ihm Jesus gegeben hat. | Matthew failed to appreciate the friendly nature of the debate on the greatest commandment. He did not see that, after the Pharisees and Sadducees had been repulsed by their attacks, the matter had to become milder and the victor received the first homage through the well-intentioned question of the scribe, who had perceived his decision-making power through his responses. Matthew strips the scribe of his well-meaning nature, making him a co-conspirator of the Pharisees, explicitly stating that he only appeared after an agreement with them had been made, and destroying the unity and coherence of the entire incident by allowing the Pharisees to gather again and deliberate on the new question. However, he also punished himself severely enough for his alteration when he encouraged the Pharisees, especially after their own defeat, to their new undertaking through the news of the Sadducees’ defeat (Chapter 22, 34-35). The scribe who presents the question about the greatest commandment to the master must rather be a witness to the whole preceding struggle and therefore only presents the question that is close to his heart to the Lord because he admires the accuracy of his answers (Mark 12, 28). He must not be one of the tempters, and the discussion must receive the friendly conclusion that Matthew suppressed – the scribe must explicitly acknowledge the accuracy of the answer that Jesus gave him. |
133 | Die Bemerkung, daß Niemand mehr ihn zu fragen wagte, hat nur im Urbericht (Marc. 12,34) ihre richtige Stelle, wenn sie auf die Verhandlung mit dem Schriftgelehrten folgt und zu der neuen Stellung, die unmittelbar darauf Jesus einnimmt, den Urbergang bildet — die Gegner haben nun gesehen, daß seine Antworten auf jede Art von Fragen, auf versuchende und wohlgemeinte, entscheidend sind, und Jesus geht nun selbst zum Angriff über, indem er seine Frage vorlegt. Matthäus hat daher jene Bemerkung sehr falsch gestellt, wenn er sie, noch dazu «it dem schwerfälligen Zusatz: „von jenem Tage an” wagte Niemand mehr — auf den Absatz, der die Frage Jesu enthält, folgen läßt. Wenn Jesus zum Angriff übergeht, müssen dle Gegner den Gedanken an den Angriff aufgegeben haben. Wenn durch Jesu Frage ihre Niederlage entschieden ist, versteht es sich von selbst, daß sie ihn nicht mehr auzugreifen wagten. | The remark that no one dared to question him anymore only has its correct position in the original account (Mark 12:34) if it follows the discussion with the scribe and serves as the transition to the new position that Jesus immediately takes – the opponents have now seen that his answers are decisive for any kind of questions, both tempting and well-intentioned, and Jesus now goes on the offensive by presenting his question. Therefore, Matthew has placed that remark very wrongly when he follows it with the awkward addition “from that day on” after the paragraph containing Jesus’ question. If Jesus goes on the offensive, the opponents must have given up the idea of attacking. If their defeat is decided by Jesus’ question, it is natural that they dared not to attack him anymore. |
133/134 | Lukas hat es nicht mehr gewußt, daß der Kampf dieses Abschnitts, abgesehen davon, daß er den Ruin Jesu herbeiführen soll, zugleich ein theoretischer Wettstreit seyn soll, in dem stch die Urberlegenheit des Meisters bewährt — er hat es auch nicht mehr gewußt, daß der Zweck des Abschnitts kein anderer ist, als alle jüdische Partheien gegen de» Messias in Bewegung zu fetzen und diesen über Alle siegen zu lassen — statt nämlich den ersten Angriff von Pharisäern und Dienern des Herodes ausgehen zu lassen, läßt er ihn durch Leute ausgeführt werden, die sich einbildeten, gerecht zu seyn (C. 20,20) — bringt er also eine seiner Lieblingsformeln (C. 16, 15. 18, S) im Eingänge einer Erzählung an, in der es sich nicht im Mindesten um die Selbstgerechtigkrit handelt. | Luke did not know anymore that the struggle of this section, apart from bringing about the ruin of Jesus, should also be a theoretical competition in which the superiority of the master is proven – he also did not know anymore that the purpose of the section is no other than to incite all Jewish parties against the Messiah and to make him triumph over all of them – instead of allowing the first attack to come from the Pharisees and Herod’s servants, he lets it be carried out by people who imagined themselves to be just (Luke 20:20) – he thus uses one of his favorite formulas (Luke 16:15, 18:9) at the beginning of a narrative that has nothing to do with self-righteousness. |
134 | Er hat auch sehr Unrecht daran gethan, die Frage des Schriftgelehrten aus diesem Abschnitt zu verdrängen — er hat damit den wohlthuenden und das Interesse angenehm beschäftigenden Uebergang vom Angriff der erbitterten Feinde zum vollendeten Sieg Jesu unterdrückt.
Sobald der Urbericht wiederhergestellt ist, weist er sich auch als ein Werk aus Einem Gusse, d. h. als freie Schöpfung aus. |
He was also very wrong to push aside the question of the scribe from this section – by doing so, he suppressed the pleasant and interesting transition from the attack of the bitter enemies to Jesus’ complete victory.
Once the original account is restored, it also reveals itself as a work of one piece, that is, as a free creation. |
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134 | Nachdem er seinen ursprünglichen Zusammenhang zurückerhalten, haben wir noch einige Detailbestimmungen ins Reine zu bringen.
Zunächst im Dispüt über die Auferstehung. |
Once it has regained its original context, we still need to clarify a few details.
Firstly, in the dispute about the resurrection. |
134/135 | In dem Evangelium des Marcion, d. h. in des Urlukas Schrift fehlte nach dem Zeugniß des EpiphaniuS (Luk. C. 20, 37. 38) die Berufung Jesu auf des Moses Zeugniß von der Unsterblichkeit. Den ersten Theil der Antwort, mit der Jesus die Sadducärr schlägt, hielt nämlich Urlukas auch für ein Argument, welches die Unsterblichkeit beweisen soll, und für beMisend genug — den zweiten Theil, den er nur für rin zweites nachträgliches Argument hielt, ließ er deshalb aus. | According to the testimony of Epiphanius (Luke, Chapter 20, verses 37-38), the Gospel of Marcion, i.e. the writing of the original Luke, did not include Jesus’ reference to Moses’ testimony about immortality. Luke considered the first part of Jesus’ answer, with which he refutes the Sadducees, to be an argument that proves immortality and sufficient, while he considered the second part to be only a secondary argument, and therefore left it out. |
135 | Er hat sich aber geirrt und seinen Irrthum unwillkührlich selber eiugesteheu müssen, indem er dem ersten Theil der Argumentation wider dessen Willen eine beweisende Beziehung auf die Unsterblichkeit aufdrang.
Dieses erste Glied der Antwort Jesu sollte nämlich rein und allein auf die Engelgleichheit der Auferstandenen verweisen und uicht den Zweifel an der Unsterblichkeit, sondern nur die Kollision jenes Leviratsverhältniffes umfloßen, die die Sadducäer aufgestellt hatten, um den Glauben an die Auferstehung überhaupt als lächerlich bloß zu stellen. Nachher erst folgt der Beweis für die Unsterblichkeit, den Jesus aus der Schrift zieht, und diesen Gang der Argumentation hatte der Verfasser des Urberichts in voraus angedeutet, wenn er (Marc. 12, 24) Jesum im Anfänge seiner Antwort den Irrthum der Sadducäer als einen zwiefachen bezeichnen läßt, sofern sie weder die Schrift noch die Kraft Gottes kennen. Hätten sie die Macht Gottes gekannt, so würden sie nicht auf ihre Kollision gekommen seyn, würden sie die Himmlischen nicht mit der Verwicklung irdischer Eheverhältniffe belästigt, würden sie es gewußt haben, daß die Auferstandenen den Engeln gleich seyen — hätten sie die Schrift gekannt, so würden sie das Zeugniß, welches Moses für die Unsterblichkeit ablegt, vernommen haben. |
However, he was mistaken and had to involuntarily admit his mistake himself by inadvertently giving the first part of the argument a proving relation to immortality against his will.
This first part of Jesus’ response was supposed to refer solely to the angelic nature of the resurrected and not to doubt immortality, but rather to address the collision of that levirate relationship that the Sadducees had set up to ridicule belief in resurrection in general. Only after that does the proof of immortality follow, which Jesus draws from scripture, and this course of argumentation had been pre-indicated by the author of the original account, when he (Mark 12:24) allows Jesus to designate the Sadducees’ error as twofold at the beginning of his answer, in that they do not know either the scripture or the power of God. If they had known the power of God, they would not have come to their collision, they would not have bothered the heavenly beings with the entanglement of earthly marital relations, they would have known that the resurrected are like angels – if they had known the scripture, they would have heard the testimony that Moses gives for immortality. |
135/136 | Statt dessen muß nun der Jesus des Urlukas schon im ersten Gliede, welches seine ganze Antwort bildet, so sprechen, als wolle er die Unsterblichkeit beweisen, d. h. den Theil seiner Rede, der ursprünglich nur die Engelgleichheit der Auferstandenen durch die Kraft Gottes sicher stellen sollte, um Sinn und Zusammenhang bringen: — sie freien nicht und lassen sich nicht freien, muß Jesus von den Aufrrstandrnen sagen (Luk. 20, SS), „denn sie können nicht mehr sterben, denn sie sind engelgleich” — daß sie nicht freien können, soll also in ihrer Unsterblichkeit begründet seyn und diese selbst wieder in ihrer Ehelosigkeit, die die Folge ihrer Engelgleichheit ist. Die Sinnlosigkeit dieser Verwirrung wird noch schlagender hervortreten, wenn wir darauf achten, wie selbst der Jesus des Urlukas den Augenblick vorher, ehe er dieses Ungethüm von BeweiS aufstellt, die Auferstehung ruhig und sicher voraussetzt |
Instead, in the Gospel of Luke, Jesus must speak in such a way in the first part of his answer that he appears to want to prove immortality, i.e., he must bring meaning and coherence to the part of his speech that was originally meant to secure only the angelic nature of the resurrected through the power of God. “They cannot die anymore, for they are like angels” (Luke 20:36), Jesus must say of the resurrected, “because they cannot marry or be given in marriage,” implying that their immortality is based on their celibacy, which is the result of their angelic nature. The senselessness of this confusion becomes even more apparent when we consider how even the Jesus of Luke calmly and confidently assumes the resurrection just before presenting this monstrosity of proof. |
136 | Diese Voraussetzung muß mit ihrer Ruhe und Sicherheit das erste Glied wieder allein beherrschen und der Beweis — aber wiederum in seiner ursprünglichen Sicherheit und schlagenden Kraft — auf das zweite Glied beschränkt werden.
Der sinnlose Beweis, den Urlukas gebildet, muß wegfallen. Der Ueberarbeiter, der in die Schrift des UrlukaS die Berufung Jesu auf das Zeugniß Most’s wieder einfügte, sah, daß in dem Werk seines Vorgängers schon vorher, im Spruch von der Engelgleichheit der Auferstandenen ein Beweis für die Unsterblichkeit gegeben werde, in dem Gliede, welches er somit für einen zweiten, nachträglichen Beweis hielt, brachte er daher die falsche Wendung an, daß „auch” Moses auf die Auferstehung hingedeutet habe. |
This assumption must again dominate the first part with its calm and certainty, and the proof – but again in its original security and striking power – must be limited to the second part.
The meaningless proof that Urlukas constructed must be eliminated. The reviser who reinserted Jesus’ reference to the testimony of Moses in the text of Urlukas saw that his predecessor had already provided a proof for immortality in the statement about the angelic nature of the resurrected, which he therefore considered a second, subsequent proof. He therefore introduced the false turn in which “even” Moses was said to have alluded to the resurrection. |
136/137 | Was er eine bloße Hindeutung Mose’s nennt, während es im Urbericht das von der Schrift berichtete GottrSwort ist, was als beweisend angeführt wird — „was aber die Todten betrifft, daß sie auferstehen, habt ihr nicht im Buch Mose’s gelesen, wie Gott zu ihm sprach?” Marc. 12, 26 — hat er nicht tinmal verstanden. Nachdem er sie mit der Erklärung Jesu, daß Gott nicht der Todten, sondern der Lebendigen Gott ist, dm Urbericht nachgeschrieben, glaubt er — er erst die wahre Deutung, die eigentliche Begründung des Beweises geben zu müssen, und legt er dem Herrn noch den begründenden Satz in de« Mund: „denn ihm (Gott) leben Alle” — dieß Stichwort der paulinischen Briefe konnte aber nirgends unpassender angebracht Verden, als gerade hier, wo Gott das Subject des Aus» gangspunktes ist und die Kraft des Beweises allein in dem Gedanken ruht, daß Gott nur zu Lebendigem in Beziehung, daß er also, wenn er sich gegen MoseS den Gott Abrahams u. s. w. nennt, mit Abraham nur als einem Lebenden in Verhältniß stehen könne. | What he calls a mere reference to Moses, while in the original account it is the word of God reported by the Scripture that is cited as proof – “But concerning the dead rising again, have you not read in the book of Moses, how God spoke to him?” Mark 12:26 – he did not even understand it once. After he had rewritten it with Jesus’ explanation that God is not the God of the dead but of the living, he believed he had to provide the true interpretation, the actual basis of the proof, and even put the explanatory sentence into the Lord’s mouth: “for to Him all are living” – this catchphrase from the Pauline Epistles, however, could not be more inappropriately inserted than precisely here, where God is the subject of departure and the power of proof rests solely on the idea that God can only be related to the living, so that when he calls himself the God of Abraham, etc. in relation to Moses, he can only be related to Abraham as a living person. |
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137 | Das Erzählungsstück vom vornehmste» Gebot hat Lukas in jenen formlosen Bericht versetzt, der die Reise Jesu durch Samarien und — Galiläa nach Jerusalem schildern soll, und dasselbe außerordentlich, aber auch mit außerordentlichem Glück umgeändert.
Obwohl er die Voraussetzung, wonach die Frage aus theoretischem Interesse hervorgegangen sey, selbst in seiner unpassenden Angabe festhält, daß der Fragende die Absicht hatte, Jesum zu versuchen (C. 10, 25), so gibt er ihr dennoch rin unmittelbar praktisches Interesse zur Grundlage, indem er sie in jene Frage des reichen Mannes umwandelt: „Meister, was soll ich thun, um das ewige Leben zu erben?” Er will einen Versucher aufstellen und läßt denselben, als ihn Jesus nach der Antwort fragt, die die Schrift auf seine Frage gibt, ohne Weiteres jene beiden Gebote der Liebe zu Gott und zum Nächsten combinirrn, d. h. die Combination, die im Urbericht eine Entdeckung Jes« ist, als etwas längst Bekanntes hersagen. |
The narrative of the greatest commandment, Luke has placed into that formless account which is supposed to describe Jesus’ journey through Samaria and Galilee to Jerusalem, and has transformed it extraordinarily, but also with extraordinary success.
Although he himself maintains the assumption that the question arose out of theoretical interest, in his inappropriate statement that the questioner intended to test Jesus (Luke 10:25), he nonetheless gives it an immediate practical interest as its basis, by transforming it into the question of the rich man: “Master, what must I do to inherit eternal life?” He wants to set up a tester, and when Jesus asks him for the answer that the scripture gives to his question, he allows him to simply recite those two commandments of love for God and for neighbor, i.e. the combination that is a discovery of Jesus in the original account, as something already known. |
138 | Der Mann ist in die tiefgreifendsten Combinationen des neuen Princips von vornherein eingeweiht und fragt, nachdem er den Gegenstand, den er zur Spracht brachte, selbst erledigt hat, wie ein Anfänger (V. 29): „wer ist mein Nächster?” Er wollte nämlich, sagt Lukas, sich selbst gerecht mache» — die wahre Absicht seiner Frage ist vielmehr die, die in des Compilators unklarem Sinne lag — derselbe wollte nämlich die Parabel vom barmherzigen Samariter anbringen.
Offenbar will diese Parabel den Samariter als derjenigen aufstellen, der im Elenden, an dem der Priester und der Levit vorbeigingea, seinen Nächsten erkannte und sich desselben als solchen erbarmte — dennoch muß Jesus am Schluß die Sache sehr verkehren und fragen, wer der Nächste des Armen, der den Räubern in die Hände gefallen, gewesen sey, und der GesetztSlehrer danach auch antworten: „der sich seiner erbarmte” (V. 36. 37) — geschickter nämlich konnte der Compilator den Samariter als Beispiel für den Versucher nicht aufstellen — er wollte uns vielmehr beweisen, daß er Compilator ist «nd die Parabel nicht selbst erfunden hat. |
The man is already initiated from the beginning into the most profound combinations of the new principle and, after he himself has resolved the subject he raised, asks like a beginner (Luke 10:29): “who is my neighbor?” He wanted, Luke says, to make himself righteous – the true intention of his question, however, is the one that lay in the compiler’s unclear mind – he wanted to introduce the parable of the Good Samaritan.
Obviously, this parable is intended to portray the Samaritan as the one who recognized his neighbor in the destitute man passed by the priest and the Levite and showed mercy to him as such – yet Jesus must turn the matter upside down at the end and ask who had been the neighbor of the poor man who fell into the hands of robbers, and the law teacher must answer after that: “the one who showed him mercy” (Luke 10:36-37) – the compiler could not have set up the Samaritan as an example for the tempter any more cleverly – he wanted to prove to us that he is the compiler and did not invent the parable himself. |
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138 | Während Marcus allen übrigen Abtheilungen dieses Kampfes die Proportion gelassen hat, die sie vom Bildner des Urberichts erhalten haben, hat er dieß Erzählungsstück vom vornehmstm Gebot über das richtige Maaß hinaus verlängert und sich einen eigenmächtigen Zusatz erlaubt, den wir zu Ehren de» ersten Schöpfers wieder abscheiden müssen. | While Mark has left all the other sections of this conflict in the proportion they received from the creator of the original account, he has extended this narrative about the greatest commandment beyond the correct measure and allowed himself a discretionary addition, which we must remove in honor of the first creator. |
138/139 | Nachdem der Schriftgelehrte durch das Schlagende der Lösung seiner Frage getroffen, ausgerufen: „trefflich, Meister, hast du wahrlich gesprochen, denn es ist nur Einer und kein Anderer neben ihm” — d. h. nachdem er bewiesen hat, daß ihm nun der Eingang der Antwort Jesu klar ist — nachdem er Jesu zugestandrn, er habe Recht gehabt, als er vor Allem auf das Schriftwort verwies: „höre, Israel, der Herr unser Sott ist ein Einiger Herr”, fügt er noch (Marc. 12, 33) die Bemerkung hinzu, daß die Gottes- und Nächstenliebe mehr ist als alle Brandopfer und Opfergaben. Diese Bemerkung verschiebt aber nicht nur das Interesse der Verhandlung, gibt ihm nicht nur eine fremdartige Richtung, sondern zerstört es. Wird die Befolgung des vornehmsten Gebots über alle Opfer gestellt, so ist ihr Vorzug nur ein partieller, während es sich vorher darum handelte, dem Einen Gebot alle andern, nicht nur die Eine Vorschrift, auf der das Opfer beruht, unterzu- ordnen. Ist aber der Vorzug des vornehmsten Gebots nur ein partieller geworden, hat es den Ruhm der Einzigkeit verloren, so wird es auch aus seinem Zusammenhänge mit der Einzigkeit Gottes herausgerissen. | After the scribe was struck by the forceful impact of Jesus’ answer to his question, he exclaimed, “You have spoken truly, Master, for there is only one God and no other besides him” – that is, after he had proven that he now understood Jesus’ response. After conceding to Jesus that he was right to emphasize the scripture, “Hear, O Israel, the Lord our God, the Lord is one,” he also added the remark (Mark 12:33) that love for God and neighbor is greater than all burnt offerings and sacrifices. However, this remark not only shifts the focus of the discussion and gives it a different direction, but also destroys it. If the observance of the greatest commandment is placed above all sacrifices, then its superiority is only partial, whereas before the emphasis was on subordinating all other commandments, not just the one on which sacrifice is based, to the One Commandment. But if the superiority of the greatest commandment has become only partial and has lost the glory of uniqueness, then it is also torn from its connection with the uniqueness of God. |
139 | Welche Ueberfüllung kommt endlich in den Bericht, wenn Zesus diese nachträgliche Bemerkung des Schriftgelehrtea (V. 34) noch ausdrücklich billigt und ihm dafür das Lob gibt, daß er nicht fern vom Reiche Gottes sey — wie unschön und geziert ist es, wenn der Schristgelehrte, nachdem er den Meister für seine Antwort gelobt hat, nun ein Gegenlob erhält! | What an excess of flattery is finally added to the account when Jesus explicitly approves of the scribe’s subsequent remark (verse 34) and praises him for being not far from the kingdom of God – how inelegant and contrived it is for the scribe, having praised the Master for his answer, to now receive praise in return! |
139/140 | Nein! Das wahre Lob, das dem Manne wird, erwirbt er sich durch das Geschick und die Bereitwilligkeit, mit der er in die Argumentation Zesu eingeht — durch die Sicherheit, mit der er den Zusammenhang zwischen der Einheit deS Gebots und der Einheit Gottes übersieht — ein neues Lob würde dieses einzig zur Sache und zur Verhandlung gehörige ab« schwächen und um seine Bedeutung bringen — ja, es würde auch den Ruhm des Meisters schwächen, der Alles gethan und sich auf das glänzendste bewährt hat, wenn er jenen Zusammenhang mit so überraschender Geistesschärfe nachwirs, daß er dem Schriftgelehrten augenblicklich als das Entscheidende auffiel und in seiner Beweiskraft klar wurde. | No! The true praise that the man receives is earned through the skill and willingness with which he engages in Jesus’ argumentation – through the certainty with which he sees the connection between the unity of the commandment and the unity of God. A new praise would weaken and detract from the significance of the one that is solely relevant to the matter and the discussion – it would even weaken the glory of the Master who has done everything and proven himself in the most brilliant way when he showed such surprising intellectual acuity in highlighting that connection, which immediately struck the scribe as decisive and became clear in its proof. |
140 | Der Zusatz des Marcus muß fallen und die Verhandlung mit der Reflexion auf die Einzigkeit Gottes wieder beginnen und schließen, wie die vorhergehende Argumentation gegen die Sadducäer (V. 24. 27) mit dem Satz, daß sie irren, begann und schloß*). | The addition by Mark must be removed, and the discussion must begin and end with the reflection on the uniqueness of God, just as the preceding argumentation against the Sadducees (verses 24 and 27) began and ended with the statement that they are mistaken. |
140* | *) Matthaus, der im Eingänge der Antwort Jesu die Verweisung auf die Einzigkeit Gottes nicht beachtet, lägt den Kchristgelehrten nicht wieder auftreten und da er sicht, daß von zwei Geboten die Rede ist, aber nicht bemerkt, daß das zweite dem höchsten gleichgestellt wird, also mit ihm Eins bilden soll, so läßt er Jesum in dem Nachsatz, den er seiner Antwort nachschickt, diese Zweiheit zu sehr hervorhebeM: »in diesen zwei Geboten Haagen das ganze Gesetz und die Propheten” (C.22,40) — außerdem ist diese Erwähnung der Propheten, wo es sich um das Erste aller Gebote handelt, ungehörig. | *) Matthew, who did not take note of the reference to the uniqueness of God at the beginning of Jesus’ answer, does not let the scribe appear again. And since he sees that two commandments are mentioned, but does not realize that the second one should be considered equal to the highest and thus form one with it, he lets Jesus emphasize this duality too much in the postscript that he adds to his answer: “On these two commandments hang all the law and the prophets” (Matthew 22:40) – moreover, this mention of the prophets, where it concerns the first of all commandments, is inappropriate. |
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140/141 | Die Verwirrung, die Matthäus in die Verhandlung über den Widerspruch gebracht hat, in welchen sich die Annahme der davidischen Abkunft des Messias mit der Huldigung versetzt, die ihm David selbst (Ps. 110) als seinem Herrn darbringt — er läßt nämlich Jesum (C. 22, 42) die Frage austverfen, für wessen Sohn sie den Mesfias halten, und die Gegner es mit ihrer Antwort so gut treffen, daß sie das Gespräch in die beabsichtigte Richtung bringen, Während der Jesus des Urberichts sogleich an das Dogma der Schriftgelehrten anknüpft — er läßt Jesum, der im Urbericht, nachdem er dem Dogma der Schriftgelehrten die höhere Instanz des Schriftworts entgegengehalten, den Widerlegenden Schluß zieht, mit mühseliger Unbeholfenheit zweimal, nämlich auch schon im Eingänge der Argumentation (V. 44), wo es noch keine Mittelglieder gab, den Schluß ziehen — diese Verwirrung werden wir ihm ruhig überlassen und bemerken nur noch, daß die Verhandlung selbst ein Erzeugniß jener Periode des christlichen Bewußtseyns ist, in welcher die Voraussetzung von der davidischen Abkunft Jesu weder zu dem Dogma geworden war, als welches sie den Verfertigern der Genealogieen galt, noch an dem Dogma von seiner übernatürlichen Erzeugung ihr Correctiv erhalten hatte — jener Periode, in der sie noch ihre erste ideale Unbefangenheit und Kühnheit und an der noch größern Kühnheit des Glauben-, daß dieser Jesus der Herr der Welt und der Allerhöchste sey, ihr einziges Correctiv besaß. | Matthew has caused confusion in the discussion of the contradiction between the assumption of the Davidic descent of the Messiah and the homage that David himself (Ps. 110) pays to him as his Lord. He has Jesus ask the question (in chapter 22, verse 42) of whose son the Messiah is, and the opponents’ answer hits the mark so well that they steer the conversation in the intended direction, while the Jesus of the original account immediately connects to the doctrine of the scribes. He lets Jesus draw the refuting conclusion with laborious awkwardness twice, namely at the beginning of the argumentation (verse 44), where there were no intermediate links yet. We will leave this confusion aside and only note that the discussion itself is a product of that period of Christian consciousness in which the assumption of Jesus’ Davidic descent had not yet become the dogma as which it was considered by the compilers of the genealogies, nor had it received its corrective on the dogma of his supernatural generation. It was a period in which it still possessed its first ideal impartiality and audacity and its only corrective was the even greater audacity of faith that this Jesus was the Lord of the world and the Most High. |
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141 | „Sehet euch vor vor den Schriftgelehrten, die da gerne in Talaren einhergehen und lassen sich gern auf dem Markte grüßen und trachten nach dem ersten Sitz in der Synagoge und nach dem ersten Platz beim Gastmahl, die da fressen die Häuser der Wittwen und zum Schein viel beten — dieselben werden desto mehr Verdammniß empfangen.”
Mit dieser Warnung, die er an das Volk richtet, schließt der Jesus des Urberichts (Marc. 12, 38—40) den Kampf. So war es auch genug — vor Allem recht — kurz und bündig, aber schlagend — das Ganze ein lebenvolleS Gemälde — im richtigen Verhältniß zu den einzelnen Acten des vorhergehenden Kampfs, wie überhaupt zur Ausdehnung, die der Verfasser des Urberichts den Abschnitten und Erzählungsstücken seines Werks gegeben hat. |
“Watch out for the scribes, who like to walk around in long robes and be greeted with respect in the marketplaces, and have the most important seats in the synagogues and the places of honor at banquets. They devour widows’ houses and for show make lengthy prayers. These men will receive greater condemnation.”
With this warning addressed to the people, the Jesus of the original account (Mark 12:38-40) concludes the struggle. And that was enough – above all, right to the point – concise yet striking – the whole thing a vivid painting – in the correct proportion to the individual acts of the preceding struggle, as well as to the extent given by the author of the original account to the sections and narrative pieces of his work. |
142 | Während Urlukas die Warnung des Urberichts einfach abschreibt, hat dagegen Matthäus (C. 23, 1—39) eine Compilation geliefert, so abentheuerlich wie nur irgend eine seiner frühern, die aber eben so sicher wie seine andern Spruchanhäufungen in ihre ursprünglichen Bestandtheile sich zerlegen läßt.
Die lange Rede beginnt (V. 2.3) mit der Mahnung, man solle sich durch die Schlechtigkeit der Personen und ihrer Handlungen nicht davon abhalten lassen, ihren Lehren zu folgen — „auf dem Stuhle Most’s sitzt« die Schriftgelehrten und Pharisäer, Alles also, was sie euch sagen, daß ihr halten sollet, das haltet und thuet; aber nach ihren Werken thuet nicht, denn sie sagen es, aber thun es nicht” — mit einer Mahnung also, die an ihrer Stelle ist, wenn es sich um Wahrheiten und Gesetze handelt, deren Unabhängigkeit dom praktischen Verhalten ihrer Wächter «nd Verkündiger gewahrt und gesichert werden soll, nirgends aber weniger an ihrer Stelle seyn kann als im Eingänge zu einer Rede, die, wenn sie der Lehre der Pharisäer und Schriftgelehrten gedenkt, dieselbe als eine verwerfliche und vrrdammliche brandmarkt. So werden sie (V. 16—22) wegen ihres Lehrsatzes vom Eid blinde Führer gescholten — es wird ihnen sogar geradezu der Borwurf gemacht, daß sie den Leuten die wahre Lehre vorenthalten, da sie ihnen das Himmelreich verschließen (V. 13) — ja, unmittelbar nach jener Mahnung, sogar in einem Satz, der dieselbe motivirrn soll, werden sie als die Erfinder einer unerträglichen Tradition gescholten. |
While Urluke simply copies the warning of the original report, Matthew (C. 23, 1-39) has provided a compilation that is as adventurous as any of his earlier ones, but which can be just as surely broken down into its original components, like his other collections of sayings.
The long speech begins (v. 2,3) with the admonition not to be deterred from following their teachings by the wickedness of the people and their actions – “the scribes and Pharisees sit in Moses’ seat, so whatever they tell you to observe, that observe and do, but do not do according to their works; for they say, and do not do” – with an admonition that is appropriate when it comes to truths and laws whose independence from the practical behavior of their guardians and announcers should be preserved and secured, but which can be nowhere less appropriate than at the beginning of a speech that, when it mentions the teachings of the Pharisees and scribes, brands it as reprehensible and condemnable. So they are criticized (v. 16-22) as blind guides for their doctrine of oaths – they are even accused outright of withholding the true teachings from the people, as they shut the kingdom of heaven against them (v. 13) – and immediately after that admonition, even in a sentence that is meant to motivate it, they are rebuked as the inventors of an intolerable tradition. |
142/143 | Nur der Anklang, daß in dem letztem Spruch auch davon die Rede ist, daß sie Gesetze aufstellen, die sie selbst nicht einmal zu beachten gedenken — „sie laden den Leuten schwere und unerträgliche Lasten auf, wollen dieselben aber nicht mit dem Finger regen” — schien dem Compilator beide Sprüche, Vie ihm feine Quellen lieferten, zu verbinde» «nd bewog ihn, obwohl sie in die disparateste» Richtungen auseinandergehen, sie in diesen engen, aber unmöglichen Zusammenhang zu versetzen. | Only the echo that in the last saying it is also mentioned that they establish laws that they themselves do not even intend to obey – “they load heavy and unbearable burdens on people, but they themselves are not willing to lift a finger to move them” – seemed to the compiler to connect both sayings, which provided him with different sources, and he was moved, although they go in the most disparate directions, to place them in this tight but impossible context. |
143 | Der letztere Spruch von den mrrträglichrn Lasten gehörte jener Reihe von Weherufrn an, die ursprünglich als Variation auf die Warnung, mit der ZesuS den Kampf mit seinen Gegnern schließt, gebildet waren, — dir LukaS seinen Herm bei der unpassenden Gelegenheit, als ihn ein Pharisäer zum Frühstück tiageladen hatte, über diesen und die Genossen seiner Secte aussprechen läßt, — deren Reproduktionen durch Luka- und Matthäus endlich durch die eigenthümliche Mischung deS Ursprünglichen mit unpassenden Aenderungen zugleich ihre Selbstständigkeit beweisen und zu der Form zurückführen, in der beide Compilatoren diese Strafpredigt in ihren Quellen vorfandrn.
Ehe wir diese Urform wiederhrrstellen, bemerken wir zuvor, daß Matthäus unrecht that, als er an den Spruch vom Trachten der Pharisäer nach den Ehrensitzen «nd nach Ehrentiteln eine Reihe von Ermahnungen knüpfte, die sich unmittelbar an die Gläubigen richten und die Selbsterniedrigung empfehlen (V. 8—12): — die Rede soll nicht bekehren, soll dem Gläubigen nicht unmittelbar Lehre bringen, sondern vor ihren Augen die Heuchler niederschmettern. |
The latter saying about the burdensome loads belonged to that series of woes that were originally formed as a variation on the warning with which Jesus concludes his fight with his opponents, which Luke allows to be pronounced by him at the inappropriate occasion when a Pharisee invited him to breakfast, and whose reproductions by Luke and Matthew finally prove their independence by the peculiar mixture of the original with inappropriate changes and lead back to the form in which both compilers found this sermon of punishment in their sources.
Before we restore this original form, we note that Matthew was wrong to link a series of exhortations directly to the saying about the Pharisees’ striving for the seats of honor and the titles of honor, which address the believers directly and recommend self-abasement (V. 8-12): the speech is not intended to convert or teach the believer directly, but to crush the hypocrites before their eyes. |
143/144 | Auch der Spruch über dir falsche Unterscheidung der Eide (V. 16—22) kann nicht, obwohl ihm rin Wehr über dir blinden Führrr voranstrht, ursprünglich zu dirsrn Wrhrrufrn gehört haben — während diese kurz geformt sind, in einem zweigliedrigen Satze die Anklage, das Thema aufstellt« und dann sogleich in einem straff angezogenen Nachsaze das Wort der Vernichtung folgen lassen, läßt sich jener Spruch in eine ausführliche Widerlegung und Auflösung jener Unterscheidung der Eide ein «nd fehlt ihm auch der Nachschlag, der zuletzt di« Gegner vernichtet — während jene Sprüche die Praxis der Segnet angreifen und als eine verkehrte oder als eine solche bloßstellen, die ihre Strafe sich fast selbst dietirt, hat jener Spruch ein theoretisches Interesse und ist er zufrieden, wenn er die Unterscheidung zwischen den Eiden aufgelöst hat — kurz, Matthäus hat ihn einem andern Zusammenhang entlehnt «nd mit Unrecht unter diese Weherufe der Vernichtung gebracht. | The saying about the false distinction of oaths (v. 16-22) cannot have originally belonged to these invectives, although it is preceded by a warning against blind guides. While these are briefly formed, setting forth the accusation and the theme in a two-part sentence, and then immediately following with a tightly drawn sequel that delivers the word of destruction, that saying can be turned into a detailed refutation and resolution of that distinction of oaths, and it lacks the sequel that ultimately destroys the opponent. While those sayings attack the practice of blessings as an erroneous one, or expose it as one that almost punishes itself, that saying has a theoretical interest, and is satisfied when it has dissolved the distinction between oaths. In short, Matthew borrowed it from a different context and wrongly included it among these invectives of destruction. |
144 | Daß die Weherufe von ihrem ersten Bildner für jenen Ort bestimmt waren, der im Urevangelium die Warnung vor den Pharisäern und Schriftgelehrten einnimmt, ersehen wir daraus, daß Lukas auch ein Wehe über die Pharisäer aufführt, weil sie in den Synagogen gern obenan sitzen und ans dem Mark gegrüßt seyn wollen (C. 11, 43). Gewiß hat der erste Bildner auch diesem Wehe seinen Nachsatz und Nachschlag gegeben, Lukas hat ihn uns aber nicht aufbewahrt, weil ihm dieses Wehe, da er es in der spätern Warnung doch wieder anbringen mußte, nicht wichtig genug schien. Matthäus hat dieß Wehe aufgelöst und für den Eingang seiner Rede (C. 23, 6—12) verarbeitet, dagegen das Wehe über diejenigen, die der Wittwen Häuser fressen (V. 14), dieses Wehe, welches Lukas ausgelassen hat, uns wörtlich erhalten. | The fact that the woes were intended by their original composer for that place which in the primitive gospel contains the warning against the Pharisees and scribes, is evident from the fact that Luke also records a woe against the Pharisees because they love to sit in the synagogues and be greeted in the marketplaces (chapter 11, verse 43). The original composer certainly gave this woe its conclusion and follow-up, but Luke did not preserve it for us because this woe did not seem important enough to him, since he had to bring it up again in the later warning. Matthew incorporated this woe (chapter 23, verses 6-12) into the beginning of his discourse, but left out the woe against those who devour widows’ houses (verse 14), which Luke has preserved for us verbatim. |
144/145 | Von den neuen Schöpfungen jenes Bildners hat uns Matthäus allein das Wehe über die Heuchler erhalten, die Land und Wasser durchziehen, um Einen Proselyten zu gewinnen (V. 15), in dem Spruch vom Zehnten ferner den Nachschlag (V. 24) über die Heuchler, die Mücken durchsrihm und Kameele verschlucken — einen Nachschlag, dm auch Justinus nach Anleitung seiner Quellenschriften mit jenem Spruch combinirt *) und der als strafende Wiederaufnahme des Thema’s nothwendig war; da die Lehre und Anweisung, dir der Bildner aus dem Thema entwickelte, zu allgemein gehalten war, als daß sie ihm als schließlicher Donner gegen die Heuchler hätte genügen können. Der Grundsatz nämlich, den rr aufstrllt, nachdem die Heuchelei der Pharisäer geschildert war, daß sie Münze, Dill md Kümmel verzrhnten, das Schwerere des Gesetzes dagegen, das Gericht, das Erbarmen md den Glauben unterlassen — der Grundsatz, daß man dieses (das Schwerere) thun, jenes (das Leichtere md Geringere) nicht unterlassen solle, hat eine freundliche Haltung, rechnet auf seine Beobachtung, kann mit Stecht sich auf seine überzeugende Kraft md Eindringlichkeit verlassen — aber auch den Heuchlern gegenüber? Unmöglich! Sir müssen daher noch Einmal getroffen werden. Es geschieht durch jenen Rachschlag. | Matthew alone has preserved for us the Woe upon the hypocrites who traverse sea and land to make one proselyte (v. 15) among the new creations of that author. In the saying on tithing, he also gives us the continuation (v. 24) about the hypocrites who strain out gnats and swallow camels — a continuation which Justin combined with that saying according to his sources. It was necessary as a punishing resumption of the theme because the teaching and instructions which the author developed from the theme were too general to be the final condemnation against the hypocrites. The principle, which he established after describing the Pharisees’ hypocrisy, that they tithed mint and dill and cumin while neglecting the weightier matters of the law, justice, mercy, and faith, was friendly in tone and counted on its observance, it could rely on its persuasive power and forcefulness, but how about the hypocrites? Impossible! They must be hit once again. And this is done by that continuation. |
144/145* | *) Dial. c. Tryph. p. 339. | *) Dialogue Trypho p.339. |
145 | Lukas hat ihn also mit Unrecht ausgelaffen — er hat überhaupt dem ganzen Spruch seine innere Harmonie genommen und ihm namentlich den Zusammenschluß entzogen, der in der Einheit des Zeitwort–,,unterlassen” liegt — er sagt im Hingang des Wehr’s: „die ihr vor dem Gericht und vor der Liebe Gottes vorübergeht” (C. 11, 42). | So he unjustly left it out — he has, in fact, taken away from the entire passage its internal harmony and especially deprived it of the connection that lies in the unity of the verb “to neglect” — he says at the beginning of the Woe: “Woe to you Pharisees, because you give God a tenth of your mint, rue, and all other kinds of garden herbs, but you neglect justice and the love of God” (Luke 11:42). |
145/146 | Auch dem Kontrast des Wehe’s über die Reinigkeit hat er seine Spannung genommen. Das heißt wirkliche Spannung und Wirklicher Zusammenhang, wenn die Heuchelei, der Pharisäer daraus bewiesen wird, daß ihre Becher und Schüsseln, während sie für deren äußere Reinigkeit sorgen, inwendig voll von Raub und Unresnigkeit sind, und wenn ihnen gerathen wird, lieber für die innere Reinheit der Gefäße zu sorgen, die auch die auswendige Reinheit derselben zur Folge hat — das heißt wirkliche Spannung md Zusammenhang, wenn von der Gerechtigkeit des Gutes, welches die Gefäße enthalten, ihre äußerliche Reinheit abhängig gemacht wird — diesen reinen und schönen Kontrast hat uns Matthäus (V. 25. 26) erhattm — Lukas dagegen durch den Uebergang vom Ausweudigen der Gefäße zum Juwendigen der Pharisäer selbst, welches voll Raud und Schlechtigkeit ist, aufgehoben, obwohl er durch seinen Nachschlag, man sollt nur was drinnen — also in den Gefäßen — ist, als Almosen dahingeben, so werde Alles rein seyn, die ursprüngliche Struktur seines Originals verrathen muß (C. 11, 39—41). Er hat unpassend geändert und zwischen jenen neuen Coatrast und diesen Berräther des ursprünglichen sogar noch den hier ungehörigen Gemeinspruch eingrschoben, daß wer das Aeußere gemacht, auch das Innere gemacht hat. | Also, to the contrast of the “woe” about cleanliness, he has taken away its tension. That means real tension and real coherence when the hypocrisy of the Pharisees is proven by the fact that their cups and bowls, while they take care of their external cleanliness, are full of robbery and unrighteousness inside, and when they are advised to take care of the inner purity of the vessels, which also leads to their external cleanliness – that means real tension and coherence when the external cleanliness of the vessels is made dependent on the justice of the good that the vessels contain. This pure and beautiful contrast has been preserved for us by Matthew (V. 25-26). In contrast, Luke has eliminated this contrast by transitioning from the exterior of the vessels to the interior of the Pharisees themselves, which is full of robbery and wickedness, even though he must betray the original structure of his original text through his sequel, that only what is inside – thus in the vessels – should be given as alms, so that everything becomes clean (C. 11, 39-41). He has inappropriately changed and even inserted the here inappropriate common saying between those new contrasts and those corrupters of the original, that whoever has made the outside has also made the inside. |
146 | Den Spruch von den übertünchten Gräbern, die auswendig hübsch, innen aber voll sind von Lodtengebeinen, hat uns, wie zum Ueberfluß auch seine Uebereinstimmung mit Justius Citat *) beweist, Matthäus allein in seiner Urform erhalten (V. 27.28), — hier erst hatte der erste Bildner den Gegensatz angebracht, daß die Heuchler inwendig voll find von Unrecht, während sie äußerlich den Leuten gerecht scheinen — aus diesem Wehe hatte Lukas den Gegensatz entnommen, den er dem Wehe über die Reinigkeit gewaltsam aufdrang — darum hat er auch dieses Wehe zu seinem Schaden abgekürzt und ihm seinen Nachschlag, seine Deutung geraubt (C. 11, 44). | Matthäus alone has preserved for us in its original form (V. 27-28) the saying about the whitewashed tombs that are outwardly beautiful but inside are full of bones of the dead, as his agreement with the citation of Justin *) proves to us redundantly. Here the first creator had only just introduced the contrast that the hypocrites are full of unrighteousness inside while outwardly appearing just to people. Lukas had taken this contrast from this woe and forcibly imposed it on the woe about cleanliness. That is why he also shortened this woe to his detriment and robbed it of its follow-up and interpretation (C. 11, 44). |
146* | *) DiaI. c.Tryph. p. 235. | *) DiaI. c.Tryph. p. 235. |
146/147 | Welches war aber der ursprüngliche Schluß der Weherufe? Lukas will uns glauben machen (V. 52), das Wehe über die Besitzer des Schlüssels der Erkenntniß — des Himmelreichs nach Matthäus — dieser dagegen behauptet das Wehe über die Kinder der Prophetenmörder (C. 23, 29—33). Natürlich geben wir ihm allein Recht, — das Wehe, welches sich über die schrecklichste Schuld entlud und mit dm Nachweis schloß, daß diejenigen, die den Propheten Grabmaler bauen, sich damit selbst als Kinder der Prophetenmörder bloßstellen und ihren Zusammenhang mit der Blutschuld der Vergangenheit zur Anschauung bringen, war der angemessene Schluß. Lukas hat den Spruch (C. 11,47.48) nur schlottrig und verkürzt wieder- gegeben — Matthäus hat ihm den Spruch vom Otterngezücht gewaltsam aufgedrängt — wahrscheinlich aber den Donner, der das Tanze angemessen abschlietzt und abrundet, das Schreckwort (V. 32): „wohlan, erfüllet auch das Maaß eurer Väter!” in seiner Quelle schon vorgefunden. | What was the original conclusion of the woes? Luke wants us to believe (v. 52) that the woe is over the owners of the key to knowledge, while Matthew maintains that the woe is over the children of the prophets’ murderers (c. 23, 29-33). Naturally, we agree with him alone – the woe that was unleashed over the most terrible guilt and concluded with the proof that those who build tomb monuments for the prophets expose themselves as children of the prophets’ murderers and bring their connection with the blood guilt of the past into view was the appropriate conclusion. Luke has only given the saying (c. 11, 47-48) in a sloppy and abbreviated form – Matthew has forcibly imposed the saying about the offspring of vipers on him – but probably found the thunder that appropriately concludes and rounds off the dance, the frightening words (v. 32): “Come, fulfill also the measure of your fathers!” in his source. |
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Neil Godfrey
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