2.Die Salbung Jesu in Bethanien. |
2.The Anointing of Jesus at Bethany. |
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182 | Schon der erste Ansatz, den der Vierte macht, um die Scene in Bewegung zu setzen, ist so unbeholfen — die erste Anlage der Situation so mühselig auSgearbeitet — die einleitende Bemerkung über Bethanien (C. 12, 1): „wo Lazarus war, der Gestorbene, den er von den Todten auferweckt hatte”, hat in diesem Augenblicke, wo jene Wunderthat so eben berichtet war, eine so steife und zugleich ängstliche Haltung, daß es klar ist: er arbeitet sich erst mühsam in die Situation hinein und sucht in einen Bericht, der einfach Bethanien nmnt, die Beziehung auf Lazarus gewaltsam einzufügen.
Gleich ängstlich und ungewiß ist die Haltung der Personen des Drama’S. Während es so eben noch (V. 2) unbestimmt heißt: „man veranstaltete ihm zu Ehren daselbst ein Gastmahl”, „wartet Martha auf”, wird also vorausgesetzt, daß das Gastmahl von Lazarus im Hause dieser Familie verunstaltet ist, und wird diese Voraussetzung den Augenblick darauf, wenn Lazarus einer von denen ist, die „mit ihm zu Tische sind”, wieder umgestoßen und Lazarus zu den Gästen gerechnet. Maria ist die salbende Frau, der Vierte weiß sogar, daß sie ein Pfund Salbe nahm, dem Herrn die Füße salbte und sie mit ihren Haaren wieder abtrocknete, aber diesen letzteren Zug der äußersten Wegwerfung hat er nicht motivirt, so wie er es auch nicht bedacht hat, daß man den Balsam, den man auf die Glieder eines Andern geträufelt hat, nicht wieder auf der Stellt abwischt. |
Even the first attempt made by the fourth (author) to set the scene in motion is so awkward – the initial setup of the situation is so laboriously worked out – that the introductory remark about Bethany (Chapter 12, Verse 1), “where Lazarus was, whom he had raised from the dead,” has such a stiff and at the same time anxious attitude at this moment when that miraculous deed has just been reported, that it is clear: he is laboring to get into the situation and forcibly inserting the reference to Lazarus into a report that simply names Bethany.
The attitude of the characters in the drama is equally anxious and uncertain. While it is still indefinite (Verse 2), “a dinner was given in his honor there,” “Martha is waiting,” so it is assumed that the dinner in Lazarus’ house is spoiled by this family, and this assumption is immediately overturned when Lazarus is counted among the guests. Mary is the anointing woman, the fourth (author) even knows that she took a pound of ointment, anointed the Lord’s feet and wiped them with her hair, but he did not motivate this latter act of extreme waste, just as he did not realize that one does not wipe the balm that has been dripped onto another’s limbs back onto the same spot. |
183 | Judas ist es, Judas, den der Vierte nicht nur als den Verwalter der gemeinschaftlichen Caffe der Gesellschaft bezeichnet, sondern auch als Caffendieb brandmarkt, der die Bemerkung macht, ob denn nicht diese Salbe „für dreihundert Denare verkauft und der Erlös den Amen gegeben werden konnte” — hätte ihn nur aber der Vierte, statt uns jene interessante Bereicherung unserer Geschichtskenntniß zukommen zu lassen, weniger ungeschickt, weniger ängstlich eingeführt! „Da sprach, sagt er D. 4, einer von seinen Jüngern, Judas Jscharioth, der Sohn Simons, der ihn verrathen sollte” — als ob ihn die Leser nicht längst kannten! Als ob er ihnen nicht bereits C. 6, 71 gesagt hätte, daß Judas eben dieser künftige Verräther war!
Und hätte er nur, statt mit jener Notiz über das Amt des Judas den christlichen Apologeten Anlaß zu Tausenden von Aufsätzen, Abhandlungen, Bemerkungen und tiefsinnigen Gedanken über die Frage zu geben, wie Jesus bei seiner Allwissenheit dem Judas die Casse anvertrauen und ihn dadurch in Versuchung führen konnte, hätte er nur lieber statt dessen die Antwort Jesu richtiger aus seinen Quellenschriften abgeschrieben und den Herrn nicht sagen lassen: „laß sie, für den Tag meines Begräbnisses hat sie die Salbe aufgehoben!” — als ob jetzt, da Jesus zu Tische sitzt, der Tag seines Begräbnisses ist! Die Angst, mit der er den Lazarus und dessen Schwestern in die Scene einführte, und der freilich großartige Pragmatismus, mit dem er den Charakter und die That des Judas erklärt, — Beides konnte es ihm allerdings nicht erlauben, die Antwort Jesu genau ins Auge zu fassen, — Beides verdeckte ihm den Sinn der ganzm Handlung, die in diesem Augenblicke vor sich geht und verbarg ihm ihren symbolischen Charakter so wie die kühne Borausnahme, die in ihr liegt. |
It is Judas, Judas, whom the fourth (author) not only refers to as the manager of the society’s common coffee, but also brands as a coffee thief, who makes the remark, “Could not this ointment have been sold for three hundred denarii and the money given to the poor?” – if only the fourth had introduced him less clumsily and anxiously instead of giving us this interesting enrichment of our knowledge of history! “Then one of his disciples, Judas Iscariot, Simon’s son, who would betray him” he says in Chapter 4, as if the readers did not already know him! As if he had not already told them in Chapter 6, Verse 71 that Judas was this future betrayer!
And if only, instead of giving Christian apologists cause for thousands of essays, treatises, remarks, and profound thoughts on the question of how Jesus, with his omniscience, could entrust Judas with the treasury and thereby lead him into temptation with that note about Judas’ office, he had simply copied Jesus’ answer more accurately from his source texts and not let the Lord say, “Let her alone; for the day of my burial has she kept this ointment” – as if now, when Jesus is sitting at the table, it is the day of his burial! The fear with which he introduced Lazarus and his sisters into the scene, and the certainly grandiose pragmatism with which he explains the character and deed of Judas – both of these things certainly did not allow him to focus precisely on Jesus’ answer – both of these things obscured the meaning of the entire action that is taking place at this moment and hid its symbolic character from him as well as the bold exception that lies within it. |
184 | Vor lauter psychologischem Interesse an den geheimen Motiven, die den Verräther bei seiner Bemerkung bestimmten, konnt« er endlich für den Widerspruch zwischen der Antwort Jesu und dem vermeintlichen Anlaß freilich kein Auge habm und nicht bemerken, daß sie fern davon, die Abfertigung eines gemeinen Verbrechers zu seyn, vielmehr zutraulich auf die Zukunft vertröstet, in der es immer noch Zeit seyn würde, sich der Armen anzunehmen, und von der Voraussetzung auSgeht, daß es denjenigen, die den Einwand erhoben, mit ihrer Theilnahme für die Armen ernst sey.
Alles ist ihm also mißglückt. Judas muß wieder schweigen, Lazarus und seine Schwestern fühlen sich beim bethanischm Gastmahl nicht heimisch: — der Urbericht tritt wieder in seine Rechte ein. D. h. nicht der Bericht des Matthäus, in welchem erst nachher, als die salbende Frau schon ausgetreten ist, die Voraussetzung auftaucht, daß Jesus auf einem Gastmahl war, und die Jünger den Einwand erheben, ohne daß es begreiflich wird, wie sie alle auf einmal auf denselben Gedanken verfallen und überhaupt gegen ihren Herrn und Meister so neidisch seyn konnten, daß sie ihm den rührenden Liebesbeweis nicht gönnten. Matthäus hat sich sogar in dem Grade versehen, daß er Jesum in seiner Deutung jener Handlung der Frau sagen läßt: sie hat’S „gethan, um mich zu beerdigen” (C.26,12) — das Symbolische, Vorausnehmende der That, ihren Zusammenhang mit der Zukunft hat er nicht mehr verstanden. Nein! Marcus allein hat uns den Urbericht rein erhalten — bei ihm steht Alles in Harmonie, hat Alles sein Ebenmaaß, steht Situation, Handlung, Rede — Alles in Einklang. |
Due to the intense psychological interest he had in the secret motives that prompted the traitor’s remark, he couldn’t see the contradiction between Jesus’ response and the supposed reason for it. He failed to notice that Jesus’ response was not the dismissal of a common criminal, but rather a comforting promise for the future when there would still be time to care for the poor, based on the assumption that those who raised the objection were truly concerned for the poor.
Everything went wrong for him. Judas had to remain silent again, Lazarus and his sisters didn’t feel at home at the Bethany banquet, and the original account regained its rightful place. That is to say, not the account of Matthew, in which the assumption arises later that Jesus was at a banquet, and the disciples raise the objection without it being clear how they all suddenly come up with the same thought and why they were so jealous of their Lord and Master that they didn’t allow him to receive this touching gesture of love. Matthew even misunderstood the symbolic and anticipatory nature of the woman’s act, and in his interpretation of her action, he has Jesus saying: “She has done it to bury me” (C.26,12) – he no longer understood the symbolic, anticipatory nature of the act and its connection to the future. No, only Mark has preserved the original account in its purest form – in his gospel, everything is in harmony, everything is balanced, the situation, the action, and the words – everything is in harmony. |
184/185 | Jesus ist in Simons, des Aussätzigen Hause, in Bethanien zu Tisch, da tritt die Frau an ihn heran und gießt den kost baren Balsam auf sein Haupt — nicht Judas, nicht die Jünger, sondern nur Einige der Anwesenden sind es, die über die Verschwendung ihre Bemerkung machen (C. 14, 4), und-Jesus weist sie milde zurecht, wie es dem milden, weichen und wehmüthigen Charakter der Situation, in der die Vorfeier von seinem Tod und Begräbnis ausgeführt wird, entsprechend ist. Die Antwort Jesu hat ihr richtiges Gefügt und ihren angemessenen Schluß: „was sie konnte, hat sie gethan, sie hat in voraus meinen Leib gesalbt zum Begräbniß” — d. h. der göttliche Trieb der Liebe hat sie so geleitet, daß sie für den Fall, der nun bald, (in zwei Tagen), eintreten wird, meinem Leibe die Ehre anthat, deren er dann…………. | Jesus is having a meal in Simon the leper’s house in Bethany when a woman approaches him and pours precious ointment on his head. It is not Judas or the disciples, but only some of those present who make a remark about the extravagance (Mark 14:4), and Jesus gently rebukes them, as befits the mild, gentle, and melancholic character of the situation in which the pre-celebration of his death and burial is taking place. Jesus’ response has its proper structure and appropriate conclusion: “She has done what she could; she has anointed my body beforehand for burial” – that is, the divine impulse of love has guided her to honor my body for the time that will soon come (in two days). |
185 | ja, deren er dann nicht theilhaftig werden soll …. Wie eS im Urbericht wirklich hervorgehoben wird, daß es schon Abend war, als Jesu Leib nach der Kreuzigung beigesrtzt wurde, daß es also auch zur Einbalsamirung nicht mehr Zeit war und die Frauen, die (Marc. 16, 1) nach den Sabbath mit den Sperereien sich zum Grabe begaben, dasselbe leer fanden und von dem Engel die Botschaft erhielten, daß ihr Herr auferstanden sey. Matthäus, der den innern Zusammenhang dieser Notiz mit der Salbung in Bethanien nicht mehr kannte, hat diesen Umstand später ausgelassen und der Vierte gegen die Geschichte von der Salbung sich in dem Grade vergangen, daß er Joseph von Arimathia und dessen neuen Genossen den Leichnam Jesu vor der Beisetzung einbalsamiren ließ. | Yes, which he will not be able to partake in later… As highlighted in the original account, it was already evening when Jesus’ body was buried after the crucifixion, and therefore there was no time for embalming. The women who went to the tomb with spices on the Sabbath (Mark 16:1) found it empty and received the message from the angel that their Lord had risen. Matthew, who no longer knew the internal connection of this note with the anointing in Bethany, later omitted this fact, and the fourth Gospel went so far as to have Joseph of Arimathea and his new companions embalm Jesus’ body before burial, despite the story of the anointing. |
185/186 | Was kümmert aber den Vierten der innere Zusammenhang einer Begebenheit und ihre plastisch durchgeführte Verbindung mit dem Folgenden — er hat Alles erreicht, was ihm allein als groß, würdig und erhaben erschien, wenn er der Frau die Salbe zuwog und ihr ein Pfund in die Hand gab — wenn er den Werth der Salbe genau auf dreihundert Denare berechnet; seiner Liebe ju häßlichen und übertriebenen Contrasken hat er wiederum genug gethan, wenn er der Aeußerung der zarten und wehmüthigen Hingebung in Judas einen gemeinen Dieb entgegenstellt; den wichtigen Incidenzpunkt, der nach der Salbung in Bethanien eintritt, die Verhandlung des Judas mit der Priesterschaft, kann er nachher unbeachtet lassen, denn den Zug, der aus dieser Verhandlung hervorgeht, daß Judas für den Reiz des Geldes empfänglich war, hat er nun bereits vorher in der übertriebenen Form angebracht, daß der Verräther ein gemeiner Dieb war; das Wort von dem ewigen Angedenken der Frau brauchte er nicht aufzunehmen, weil er ihr schon einen Namen gegeben hat, und sein Interesse an dem Kontrast, den er mit dem Verräther in den Bericht gebracht hat, verwehrte es ihm überhaupt, den Blick zum Schluß noch einmal auf die Frau fallen oder ihn auf ihr rühm zu lassen; bei alledem war er vom Urbericht so sklavisch abhängig, daß er seine Voraussetzung, wonach das Gastmahl im Hau- der beiden Schwestern stattfin- det, nicht einmal festhalten kann und weil die Frau des Urberichts zum Gastmahl hinzukommt, also beim Wirthe nicht zu Hause ist, den Lazarus, den Bruder seiner salbenden Frau wie einen Gast einführt; nicht einmal dm Namen des Gastgebers wagte er fallen zu lassen, er behandelt ihn vielmehr mit so viel Schonung nnd Theilnahme, daß er ihn dazu benutzt, um den Vater des Judas zu benennen — von ihm erst hat der Berräther einen Simon zum Vater erhalten. | But what does the inner connection of an event and its vividly executed connection with the following matter matter to the Fourth [Gospel writer] – he has achieved everything that appeared to him alone as great, worthy and sublime, when he weighed the ointment to the woman and gave her a pound in her hand – when he calculated the value of the ointment exactly at three hundred denarii; he has done enough again for his love of ugly and exaggerated contrasts when he opposes to the expression of delicate and melancholy devotion in Judas a common thief; he can later disregard the important incident that occurs after the anointing in Bethany, Judas’ negotiation with the priesthood, because he has already brought out in exaggerated form the point that arises from this negotiation, that Judas was susceptible to the lure of money and was a common thief; he did not need to take up the word about the woman’s eternal remembrance, because he had already given her a name, and his interest in the contrast that he had brought into the account with the traitor prevented him altogether from letting his gaze fall on the woman again or to let it rest on her praise at the end; with all this, he was so slavishly dependent on the original report that he could not even maintain his assumption that the banquet took place in the house of the two sisters and, because the woman from the original report came to the banquet, was not at home with the host, he introduces Lazarus, the brother of his anointing woman, like a guest; he did not even dare to mention the name of the host, but rather treated him with so much care and concern that he used him to name the father of Judas – it was from him that the traitor received a Simon as his father. |
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187 | Noch Ginen Zug enthält die Darstellung des Vierten, der im Urbericht weder seine Erklärung findet, noch einen Gegner hat. Es ist die Inconvenienz, daß Maria „die Füße” Jesu salbt und „die Füße desselben” mit ihren Haaren abtrocknet (Joh.12, 3). Die Unsicherheit der Sprache, die ungelenke Mühseligkeit, mit der er in demselben Athemzuge das Hauptwort wiederholt, verräth den Vierten und führt uns zu der Darstellung, in der die Confusion ihre Auflösung findet. Die. Frau nämlich, die in der Schrift des Lukas auch ins Haus eines Simon kommt, nähert sich Jesu, der beim Gastmahl lag, in der Art, daß sie ihm unbemerkt zu Füßen fällt, hinter seinem Rücken sodann weint, mit ihren Thränen seine Füße benetzt, mit ihrem Haar sie abtrocknet und sie küßt und dann erst salbt (C. 7, 38) — das heißt Ordnung und Correttheit der Darstellung — nein! Unordnung und Verwirrung, dmn die wahre Harmonie brächte erst der Vierte zu Stande, als er die Stichworte dieser Darstellung willkührlich zusammenraffte und in feinem Berichte bunt durcheinander warf.
Aber auch Lukas war in diesem Erzählung-stück nur Compilator und zwar ein sehr unglücklicher. Die Scene setzt sich schwerfällig in Bewegung, die Collision ist verwirrt, die Lösung ohne Harmonie, der Schluß überladen. |
The fourth gospel contains a detail that is neither explained in the original account nor opposed by anyone. It is the inconvenience that Mary “anoints the feet” of Jesus and “wipes his feet” with her hair (John 12:3). The uncertainty of language, the awkwardness and laboriousness with which he repeats the noun in the same breath, betray the fourth gospel and lead us to the representation in which the confusion is resolved. The woman who also comes to the house of a Simon in the Gospel of Luke approaches Jesus who is lying at the banquet in such a way that she falls at his feet unnoticed, then weeps behind his back, moistens his feet with her tears, dries them with her hair, kisses them, and only then anoints them (Luke 7:38). This means neither order nor correctness in the presentation, but disorder and confusion. The true harmony is only achieved by the fourth gospel, when it arbitrarily collected the keywords of this representation and mixed them up in its report.
But even Luke was only a compiler in this narrative and a very unfortunate one at that. The scene moves sluggishly, the collision is confusing, the solution lacks harmony, and the conclusion is overloaded. |
187/188 | Ein Pharisäer muß die Freundlichkeit haben, die nur die Schrift des Lukas an den Mitgliedern seiner Secte zu rühmen weiß, und Jesum zu Gaste laden, damit dieser Gelegenheit erhält, ihm dm Dorwurf zu machen, daß er tief unter der Sünderin steht, die in das Haus sich Eingang verschafft hatte und bis jn den Speisesaal vorgedrungen war, ohne daß man erfährt, wie sie als ein Weib, welches der Pharisäer als eine notorische Sünderin verabscheute, dieß thun, wie sie wenigstens im Saale ruhig so lange bleiben konnte, bis sie dem Herr« alle ihre Liebe bewiesen hatte. | A Pharisee must have the kindness that only the Gospel of Luke knows how to praise to members of his sect, and invite Jesus to dine with him, so that Jesus has the opportunity to rebuke him for being inferior to the sinner who had gained entrance to the house and even entered the dining room, without it being known how she, as a woman whom the Pharisee detested as a notorious sinner, could do this or how she could remain in the room undisturbed until she had demonstrated all her love to the Lord. |
188 | Der Umstand, daß der Pharisäer die Frau als Sünderin kennt und verabscheut, soll das Mittel zur Eröffnung der Scene liefern — dasselbe entnimmt ihm aber Lukas auf dem mühseligen Umwege, daß nicht die Verwunderung des Pharisäers über die Gütigkeit, mit der Jesus die Huldigung der Sünderin hinnimmt, sondern sein alberner Zweifel, Jesus könne doch wohl nicht ein Prophet seyn, da er sonst wissen müßte, daß ihn eine Unreine berühre, die Collision einleitet.
Wie der Hebel, der das Ganze in Bewegung setzen soll, Ungeschickt gewählt und angesetzt ist, so geht die Handlung selbst in einer Richtung fort, die jeder, auch der billigsten Erwartung spottet. |
The fact that the Pharisee knows and abhors the woman as a sinner is supposed to provide the means for opening the scene – but Luke takes the laborious detour that it is not the Pharisee’s astonishment at the kindness with which Jesus accepts the homage of the sinner, but his foolish doubt that Jesus could not be a prophet since he would otherwise know that he is being touched by an unclean person, which initiates the collision.
Just as the lever that is supposed to set the whole thing in motion is clumsily chosen and positioned, so the action itself continues in a direction that mocks even the most reasonable expectation. |
188/189 | Wenn nämlich Jesus, nachdem er die sinnlose Muthmaaßung des Pharisäers über die prophetische Begabung seines Geistes kraft feines wunderbaren Tiefblicks gemerkt, nicht geradezu auf das Bedenken seines Gastherrn antwortet, sondern die außerordentliche Liebeserweisung jener Krau rechtfertigt und erklärt, so wollen wir uns dieses Abspringen von einem Anlaß, der unglücklich genug gebildet war, noch gefallen lassen. Wenn er aber das Gleichniß von dem Schuldner, dem von seinem Gläubiger eine größere Summe erlassen ist als seinem Mitschuldner und der somit auch die größere Liebe empfindet, ins Dordertreffen schickt, und wenn sich nun, während wir die natürliche Anwendung auf den Pharisäer erwarten, daß er weniger Liebe zum Herrn empfinden könne, weil ihm weniger vergeben sey, — wenn sich statt dessen die Rede in eine ganz andere Richtung wirft und der Herr dem Pharisäer die Anklage der verletzten Etikette auf den Hals ladet, so ist es klar, daß Lukas die Grundkategorie, die ihm somit äußerlich gegeben war, nicht beherrschen konnte und daß er es eben so wenig verstand, ihr die wirkliche Herrschaft über die Kollision zu verschaffen. | If, after noticing the senseless speculation of the Pharisee regarding the prophetic gift of his spirit, Jesus did not directly respond to his host’s concern, but rather justified and explained the extraordinary display of love by that woman, we could accept this departure from an unfortunately formed occasion. However, if he sends the parable of the debtor who was forgiven a larger sum by his creditor than his co-debtor and therefore feels greater love, and if, while we expect the natural application to the Pharisee that he might feel less love for the Lord because less was forgiven to him, instead the discourse turns in a completely different direction and the Lord accuses the Pharisee of violating etiquette, it is clear that Luke could not master the basic category that was thus externally given to him and that he did not understand how to give it real control over the collision. |
189 | Der Pharisäer sollte als der Selbstgerechte im Gegensatz gegen die Sünderin gestraft werden und er hat nun bloß das unbegreifliche Versehen begangen, daß er dem Herrn, nachdem er ihn zu Tische geladen, nicht Wasser zum Waschen der Füße, nicht den WillkommenSkuß gegeben, nicht das Haupt gesalbt hat. Er soll das unumgänglich Nothwendige der Etikette nicht beobachtet und den Luxus nicht gewährt haben, well es der Compilator nicht besser verstand, ihn zur Sünderin, die Jesu Füße mit Thränen netzte, sie küßte und salbte, in Gegensatz zu stellen. Die Parabel vom Schuldner, dem mehr als seinem Mitschuldner, d. h. im Ueberschuß das eigentlich Belastende erlassen und abgenommen wird, ist eine Variation auf den Spruch des Urevangelium- von den Sündern und Gerechten, müßte also die ironische Anwendung dieser Kategorie des Überschusses auf das Verhältniß der Sünderin und des Pharisäers zur Folge haben — und es folgt die Anklage, die Beschuldigung des Pharisäers, daß er bei der Bewillkommnung des Herrn nicht einmal das Nothwendigste gethan habe. | The Pharisee was supposed to be punished as the self-righteous one in contrast to the sinner, and he has only made the incomprehensible mistake of not observing the indispensable etiquette, not providing water to wash the feet, not giving the welcome kiss, and not anointing the head to the Lord after inviting him to the table. He is said to have failed to observe the essential etiquette and not afforded the luxury because the compiler did not understand him better, to oppose him to the sinner who moistened Jesus’ feet with tears, kissed and anointed them. The parable of the debtor who is forgiven and relieved of more than his fellow debtor, i.e., in excess of what is actually burdensome, is a variation on the saying of the original gospel about sinners and righteous, so it should have the ironic application of this category of excess to the relationship between the sinner and the Pharisee – and the accusation follows, the charge against the Pharisee that he did not even do the necessary things when welcoming the Lord. |
189/190 | Am Schluß dieser Anklage kommt zwar der Compilator auf die Kategorie des UeberschuffeS zurück, will er wenigstens jenes Gesetz, wonach die reichere Vergebung auch die größere Liebe zur Folge hat, auf den Gegensatz des Pharisäers und der Sünderin anwendm———doch anwenden? Wirklich anvenden? Unmöglich! Er hat den Pharisäer weder als Gerechten noch als liebes arm schildern können. Er wendet es daher auch nicht an, führt das Gesetz nicht aus — stellt eS steif und unthätig hin und indem er es aufstellt, ja, in demselben Athemzuge, ehe er e» aufstellt, läßt er den Herrn in die entgegengesetzte Richtung abschweiftn und die Sünden-vergebung, die vorher und den Augenblick darauf, die Ursache der Liebe ist (C. 7, 47), als die Folge der Liebe bezeichnen. | At the end of this accusation, the compiler does return to the category of excess, wanting to apply at least that law according to which greater forgiveness leads to greater love, to the contrast between the Pharisee and the sinner woman. But apply it? Really apply it? Impossible! He could not portray the Pharisee as either righteous or loving. He therefore does not apply it, does not execute the law, leaves it stiff and inactive, and in the same breath, before even setting it up, he allows the Lord to wander off in the opposite direction and describe forgiveness of sins, which a moment before and immediately after is the cause of love (C. 7:47), as the result of love. |
190 | Besser nämlich konnte er sich den Uebergang zum beabsichtigten Schluß nicht bahnen. Nachdem er bis zu diesem Punkte bereits zwei Collisionen, zwei Berichte ineinandergewirrt hat — den Bericht von der Salbung in Bethanien, die er an ihrer Stelle auSläßt, und den Bericht von der Berührung Zesu mit einer Sünderin, die Nichts als eine Metamorphose jener Sünder ist, die der Jesus des Urevangeliums beruft, erwählt und den Gerechten entgegensetzt — läßt er den Herrn, obwohl die Bedenken des Pharisäers in einer weitschweifigen Verhandlung gelöst sind und der Bericht längst seinen Abschluß erreicht haben müßte, der Frau ihre Sünden vergeben, damit er dem Bericht von der Heilung des Paralytischen (Marc. 2,5—7) noch eine dritte Collision entnehmen könne. Aber nur die Col- lision: — die Verwunderung der Anwesenden (Luk. 7, 4V) über die Kühnheit des Mannes, der sich die Kraft der Sündenvergebung anmaaßt, verläuft ins Leere — Jesus richtet nur, als hätte er die Frau und nicht vielmehr sich selbst gegen ein neues Bedenken zu vertheidigen, den Trostspruch an die Sünderin: „dein Glaube hat dir geholfen, gehe hin in Frieden” — – d. h. einen Trostspruch, der dem Wort an die blutflüfsige Frau (Luk. 8,48) und an den Paralytischen, wie die Form des Bedenkens der Leute über die Anmaaßung der Sündenvergebung dem Ausruf der Jünger über das Gewaltige, wie Jesus Wind und Meer zur Ruhe verweist (Marc. 4, 41: „wer ist der, daß sogar” ….), nachgebildet ist.
Drei Collisionen also und keine richtig eingeleitet — keine wirklich durchgeführt! |
He could not have paved the way to the intended conclusion any better. Having already intertwined two collisions, two accounts up to this point – the account of the anointing in Bethany, which he leaves out in its place, and the account of Jesus touching a sinner, which is nothing but a metamorphosis of those sinners called by the Jesus of the original Gospel, whom he chooses to contrast with the righteous – he lets Jesus forgive the woman her sins, although the Pharisee’s concerns should have been resolved in a lengthy discussion and the account should have already reached its conclusion. This is so that he can extract a third collision from the account of the healing of the paralytic (Mark 2:5-7). However, only the collision – the amazement of those present (Luke 7:47) at the audacity of the man who presumes to have the power to forgive sins – comes to nothing. Jesus only addresses the woman with words of comfort, as if he had to defend her and not himself against a new concern: “Your faith has saved you; go in peace” – that is, words of comfort modeled after the words to the woman with the issue of blood (Luke 8:48) and to the paralytic, just as the form of the people’s concern about the presumption of forgiving sins is modeled after the disciples’ exclamation about the mighty act of Jesus calming the wind and the sea (Mark 4:41: “Who is this, that even…”).
Three collisions, therefore, and none properly introduced – none really carried out! |
190/191 | In der Sünderin des Lukas haben wir bereits das Original der Ehebrecherin des Vierten wieder erkannt; da aber des Lukas Darstellung selbst wieder auf einen ältern und einfachern Bericht zurückweist, so wird damit unsere Stellung der Frage, deren Lösung der Schlußuntersuchung Vorbehalten bleibt — d. h. der Frage, ob der Vierte das LukaSevangelium oder dessen Quellen benutzt oder ob er Beides gekannt habe, nur gerechtfertigt. In dieser Schlußuntersuchung wird auch erst des Eusebius bekannte Notiz über des PapiaS Bekanntschaft mit einer evangelischen Erzählung, die mit des Lukas und des Vierten Berichten verwandt gewesen seyn muß, ihre Würdigung erhalten. | In the sinner of Luke, we have already recognized the original of the adulteress in the fourth [gospel]; but since Luke’s representation itself refers back to an older and simpler account, this justifies our position on the question, the solution of which is reserved for the concluding investigation – i.e. the question of whether the Fourth [gospel] used the Gospel of Luke or its sources, or whether it knew both. In this concluding investigation, Eusebius’ well-known note about Papias’ acquaintance with an evangelical narrative that must have been related to the accounts of Luke and the Fourth [gospel] will also receive its evaluation. |
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Neil Godfrey
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